25.000 demonstrierten für Multikulti Beckstein: "Wir bitten Euch: lernt Deutsch!"

Köln (rpo). Am Sonntag haben in der Domstadt mehr als 25.000 meist türkische Teilnehmer unter dem Motto "Hand in Hand für Frieden und gegen Terror" gegen islamistische Gewalt demonstriert. Während der Kundgebung sagte der bayerische Innenminister Günther Beckstein, die deutsche Gesellschaft wolle den Dialog und ein Miteinander. Christen und Muslime müssten sich einig sein, "dass diejenigen, die Terroranschläge verüben, keine anständigen Menschen sind, sondern Verbrecher".

25.000 demonstrierten in der Domstadt
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Beckstein rief der Menge zu: "Diejenigen, die sagen, Islam heißt Frieden, nehmen wir mit offenen Armen auf." Zugleich verlangte der CSU-Politiker von allen Einwanderern mehr Anstrengungen zur Integration: "Wir bitten Euch: lernt Deutsch!"

Die Türkisch-Islamische Union (DITIB) hatte bundesweit zu der Veranstaltung unter dem Motto "Hand in Hand für Frieden und gegen Terror" aufgerufen. Vor Ort waren viele türkische, deutsche und europäische Flaggen zu sehen. Auf Transparenten standen Slogans wie "Frieden in der Welt" und "Religion bringt keinen Terror hervor".

Ab 12.30 Uhr waren zunächst zwei Demonstrationszüge mit jeweils gut 10.000 Menschen durch die Innenstadt gezogen. Währenddessen waren mehrere hundert Polizisten im Einsatz und sperrten viele Straßen für den Autoverkehr. Die Teilnehmer waren laut Polizei zum Großteil Ausländer.

Roth: "Was zählt ist die Freiheit der Frau"

Als Sprecherin auf der Abschlusskundgebung war auch die Grünen-Parteichefin Claudia Roth. Sie sagte laut Redetext, respektvolles Zusammenleben sei nur möglich, wenn Auseinandersetzungen mit anderen Überzeugungen, religiös wie politisch, demokratischen Regeln unterliegen.

Roth nannte Deutschland eine multikulturelle Demokratie. "Der Islam ist nicht bloß als Gastarbeiterreligion zu tolerieren, sondern als Bestandteil unserer eigenen Kultur anzuerkennen. Einer anti-islamischen Hetze bringen wir ein entschiedenes Nein entgegen."

Das Eintreten für Freiheitsrechte und Demokratie schließe aber auch die volle Gleichberechtigung und echte Gleichstellung und Teilhabe von Frauen ein - "mit oder ohne Kopftuch, egal ob in ihren Heimatländern oder bei uns", sagte Roth. "Was zählt, ist die Freiheit der Frau, selber selbstbestimmt zu entscheiden."

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Marieluise Beck, sagte laut Redetext, die Demonstration sei ein klares und notwendiges Signal gegen Terror und Gewalt. "Ich verhehle nicht: Ich habe auf ein solches Zeichen gewartet." Die Welle der Gewalt zwischen Muslimen und Einheimischen in den Niederlanden dürfe nicht nach Deutschland überschwappen.

Beck sagte, in der Demokratie sollten Konflikte angesprochen sowie kontrovers ausgetragen werden. Unabdingbar sei aber, dass dabei die Grundwerte der Verfassung als verbindlicher Rahmen anerkannt und wo nötig auch durchgesetzt werden. "Meinungsfreiheit heißt nicht nur Respekt vor der eigenen Meinung." Die Vertreter der großen muslimischen Dachverbände lud Beck zu einem "runden Tisch des Dialogs" ein.

Beckstein hatte die Großdemonstration vor Beginn als "wichtiges Signal für ein tolerantes und friedliches Miteinander" gelobt. "Dieses Signal muss sich sowohl gegen islamistisch motivierte Gewalt als auch gegen so genannte Vergeltungsaktionen richten, wie wir sie in den Niederlanden nach der Ermordung Theo van Goghs feststellen mussten."

Schröder warnt vor "Kampf der Kulturen"

Die Debatte um in Deutschland lebende Ausländer war schon vor Sonntag entbrannt. Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte die Muslime in Deutschland zur Integration aufgefordert. Zugleich warnte er vor einem "Kampf der Kulturen". Einwanderer müssten sich "klar zu unserer Rechtsordnung und unseren demokratischen Spielregeln bekennen", verlangte der SPD-Politiker. Auch andere Politiker äußerten sich.

Schröder sagte: "Weder kann eine Demokratie rechtsfreie Räume noch kann sie Parallelgesellschaften dulden." Die Gesellschaft müsse darauf bestehen, dass ihrer Integrationsbereitschaft "ein Integrationswille bei denen entspricht, die zu uns kommen." Dazu gehöre zuallererst die Bereitschaft und Fähigkeit zur Verständigung durch Sprachkompetenz.

Schröder hat die Bürger in Deutschland zudem zu Zivilcourage gegen Ausländerfeindlichkeit, Rechtsextremismus und Antisemitismus aufgerufen. Die Auseinandersetzung damit könne man nicht an die Politik oder die Polizei "wegdelegieren", sagte Schröder am Samstagabend bei der Verleihung des Preises für Verständigung und Toleranz an Alt-Bundespräsident Johannes Rau in Berlin. Menschen- und Minderheitenrechte sowie die Garantie von Meinungs-, Glaubens- und Religionsfreiheit müssten immer wieder neu errungen werden. Dazu brauche es Bürger, "die nicht wegschauen, wenn Unrecht geschieht, die Zivilcourage im Alltag beweisen", mahnte Schröder laut Redemanuskript.

Die CSU forderte eine Anpassung an die hiesige "Leitkultur". Parteichef Edmund Stoiber rief dazu auf, "die christliche Prägung unseres Landes" zu verteidigen. Die CSU will Einwanderer sogar zu mehr Integration zwingen: Sozialleistungen müssten "an Integrationserfolgen orientiert und bei Bedarf konsequent gekürzt werden", heißt es in einem am Samstag einstimmig angenommenen Leitantrag des CSU-Parteitags. Hier lebende Ausländer müssten "unsere Rechts- und Werteordnung und unsere Leitkultur vollständig akzeptieren", hieß es weiter.

"Deutsche Leitkultur übernehmen"

Stoiber sagte, die multikulturelle Gesellschaft führe zu abgeschotteten und gefährlichen Parallelgesellschaften, wie die Gewalt in den Niederlanden zeige. Alle Einwanderer müssten deutsch lernen und die Werteordnung Deutschlands respektieren. An alle friedliebenden Muslime appellierte der CSU-Chef, sich stärker gegen Islamismus und Terror zu wenden. Für Hassprediger und Gewalttäter könne es null Toleranz geben.

CDU-Chefin Angela Merkel sagte im "Focus", sie sehe die Idee einer multikulturellen Gesellschaft als "dramatisch gescheitert" an. Die Integration vieler Einwanderer sei noch nicht gelungen, es hätten sich Parallelgesellschaften gebildet. Wer hier lebe, müsse "ohne Wenn und Aber auf dem Boden des Grundgesetzes stehen und unsere christlich-abendländischen Wurzeln tolerieren".

Der brandenburgische Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) sagte dem "Spiegel": "Wer zu uns kommt, muss die deutsche Leitkultur übernehmen." Die Deutschen hätten eine gemeinsame Sprache, kulturelle Umgangsformen und Gesetze. Diese Basis der Gemeinsamkeit dürfe von Ausländern nicht zerstört werden. Heute habe ein Teil der Ausländer selbst Gettos gegründet, "weil sie uns Deutsche verachten".

Die Vorsitzende der Grünen, Claudia Roth betonte, in Deutschland gebe es bereits eine multikulturelle, multireligiöse Gesellschaft. "Das ist doch keine Ideologie, kein grüner Spinnkram, sondern die Realität", sagte sie dem "Focus".

"Gewinn durch Rap"

Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) sagte der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", Multikulturalität könne anstrengend sein, doch lohne sich die Anstrengung: "Eine Gesellschaft gewinnt durch Zuwanderung. Etwa in der Popmusik, im Rap, da haben Ausländer etwas zu uns gebracht." Trittin warnte zugleich vor Parallelgesellschaften von Ausländern. "Wenn sich Polizisten in manche Stadtviertel nur noch mit schusssicherer Weste wagen, ist es zu spät", sagte Trittin

Die Migrations- und Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Marieluise Beck, appellierte an Muslime, selbst aktiv zu werden: "Sie müssen die Verantwortung übernehmen, dass in Moscheevereinen der Imam nicht ungestört volksverhetzende Reden halten kann."

FDP-Chef Guido Westerwelle schlug in der "Welt" einen Runden Tisch vor: "Ein prominent besetzter Runder Tisch der Religionen und der Politik, ein Bündnis für Toleranz, könnte helfen, Spannungen wie in Holland zu vermeiden".

(afp)
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