Bedingt einsatzfähig Bei der Bundeswehr reiht sich eine Panne an die andere

Berlin · Die Bundeswehr durchlebt bittere Wochen. Die Marine muss eine ganze Flotte von Hubschraubern stilllegen, jahrelange Schlamperei, Hinweise auf Vertuschung. Dass jetzt auch noch Ausbilder auf dem Weg in den Irak in Bulgarien gestrandet sind, wirkt wie ein Hohn.

Rüstungsflops - von peinlich bis tödlich
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Foto: Bundeswehr

Die Bundeswehr kämpft um ihren Ruf. Wieder einmal. Die lange Reihe an Pannen und Problemen ist nach dem Drohnen-Debakel um gleich einige Beispiele reicher. Und das binnen weniger Tage.

Gestrandet in Bulgarien Die US-Allianz und kurdische Peschmerga kämpfen gegen den IS, hunderttausende fliehen vor den mordenden Terrormilizen. Auch die Bundeswehr beteiligt sich und soll Kurden an deutschen Waffen ausbilden. Vorausgegangen war eine intensive innenpolitische Debatte.

Jetzt aber sitzen die ersten sechs Waffenausbilder für die Kurdengebiete seit Tagen im bulgarischen Burgas fest. Ein Sprecher des Einsatzführungskommandos in Potsdam bestätigte am Dienstag einen entsprechenden Bericht der "Bild"-Zeitung. Er wies darauf hin, dass die Weiterreise von den irakischen Behörden genehmigt werden müsse, doch "diese Einreisegenehmigung liegt derzeit nicht vor".

Schon von Anfang an stand die Reise unter keinem guten Stern. Schon zu Beginn gab es Pannen und chaotische Begleitumstände. Weil die eigentlich vorgesehene Transall-Maschine der Bundeswehr defekt war, musste sie laut Einsatzführungskommando zunächst gegen eine und dann noch einmal gegen eine andere Transportmaschine getauscht werden.

Dieses Hin und Her ist offensichtlich auch nun Ursache für die Zwangspause. Da das Ersatzflugzeug eine andere Kennung als die ursprünglich vorgesehene Maschine hatte, erteilten die irakischen Behörden zunächst keine Einfluggenehmigung, wie ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums erläuterte.

Zeitgleich wurde das Material-Desaster bei der Marine bekannt. Bei 15 Helikoptern wurden gefährliche Risse am Heck festgestellt. Die Deutsche Marine sah sich gezwungen, die Maschinen des Typs "Sea Lynx" ("Seeluchs") vorübergehend aus dem Verkehr zu ziehen. Sechs weitere würden derzeit planmäßig gewartet und hätten möglicherweise ähnliche Schäden, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums. Nur noch eine Maschine ist demnach einsatzfähig.

Die Bundeswehr wusste Medienberichten zufolge schon seit mehr als drei Jahren von einer Materialschwäche bei den Marine-Hubschraubern vom Typ "Sea Lynx". Die mehr als 30 Jahre alten Helikopter wurden trotzdem erst in diesem Sommer vorübergehend aus dem Verkehr gezogen.

"Spiegel Online" zitierte am Dienstag aus einer internen Präsentation der Bundeswehr, nach der die Wartungsfirma im Januar 2011 bei insgesamt vier Maschinen auf einen "Ermüdungsbruch aufgrund schwellender Belastung" am Heck gestoßen sei.

Der verteidigungspolitische Blog "Augen geradeaus!" zitierte aus einer Untersuchung der Firma Eurocopter (heute Airbus Helicopters), nach der bereits 2011 Risse beim "Sea Lynx" festgestellt wurden. "Die optische Bewertung der Risse und der umgebenden Struktur sprechen eindeutig für ein Ermüdungsversagen der Struktur", heißt es darin. Die Heckkonstruktion sei sehr rissanfällig.

Ein Sprecher hob aber hervor, die Bundeswehr sei trotz dieses und anderer technischer Probleme weiterhin in der Lage, ihre Aufträge zu erfüllen.

Der Hubschrauber-Ausfall beeinträchtigt laut "SZ" auch die Beteiligung der Bundeswehr an der EU-Mission Atalanta am Horn von Afrika, bei der es vor allem um die Abwehr von Piratenangriffen geht. Das Verteidigungsministerium teilte dazu mit, die Mission selbst sei aber nicht gefährdet. Der Sprecher wies darauf hin, die anderen vier derzeit an Atalanta beteiligten Nationen verfügten über einsatzfähige Hubschrauber.

Die Zeitung zitierte aus einer Ministeriumsvorlage, wonach eine "Aufklärung des Sachverhalts und eine Rückkehr zum normalen Flugbetrieb" in diesem Jahr nicht mehr zu erwarten seien. Am 16. Juni war demnach an Bord der Fregatte "Lübeck" an einem Sea Lynx ein etwa 20 Zentimeter langer "Durchriss" festgestellt worden. Sonderkontrollen hätten seither an drei weiteren Hubschraubern "ein ähnliches Schadensbild" und "umfangreiche Beanstandungen" bei weiteren Maschinen ergeben.

Der frühere Bundeswehr-Generalinspekteur Harald Kujat warnte in der "Leipziger Volkszeitung" (Dienstagsausgabe), die Streitkräfte drohten aufgrund unzureichender Ausstattung "als verlässliches Instrument der Außen- und Sicherheitspolitik auszufallen". Besorgt äußerte sich auch der SPD-Verteidigungsexperte Hans-Peter Bartels. Unter dem Fehlen der Hubschrauber leide nicht nur die Einsatzfähigkeit, sondern auch die Ausbildung der Truppe, sagte er dem "Handelsblatt" (Onlineausgabe).

Die Grünen-Verteidigungsexpertin Agnieszka Brugger erklärte zu den Problemen mit dem Sea Lynx: "Es ist unfassbar, dass diese Informationen die Abgeordneten erst mit dreimonatiger Verspätung erreichen." Es müsse bei der Bundeswehr "endlich Schluss sein mit einer Kultur, bei der Probleme dauernd vertuscht und verschleppt werden".

(AFP)
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