Sozialstaat-Debatte Bei Hartz IV wird selten gekürzt

Berlin/Düsseldorf (RP). Erwerbsfähige Bezieher von Arbeitslosengeld II, die einen Job ablehnen, müssen mit Sanktionen rechnen. In den Städten von Nordrhein-Westfalen ist das jedoch eher die Ausnahme. FDP und CSU fordern strengere Kontrollen.

Wie die Presse über das Hartz-IV-Urteil stritt
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Foto: AP

Dass Hartz-IV-Empfänger, die sich nicht an die Vorgaben der Arbeitsagenturen halten, mit Sanktionen belegt werden, ist in Nordrhein-Westfalen die Ausnahme. Laut einer Auswertung der Regionaldirektion der Arbeitsagentur in NRW liegt der Anteil der arbeitsfähigen Hartz-IV-Empfänger, die arbeitslos sind und mindestens einmal mit finanziellen Sanktionen belegt wurden, je nach Kommune zwischen 2,5 und acht Prozent. "Die Mehrheit der Hartz-IV-Empfänger ruht sich nicht in der sozialen Hängematte aus, sondern will raus aus Hartz IV", sagte Werner Marquis, Sprecher der NRW-Arbeitsagenturen.

FDP-Chef Guido Westerwelle hatte in mehreren Interviews eine Debatte über den Sozialstaat angezettelt, vor "spätrömischer Dekadenz" im Sozialstaatssystem gewarnt und wirksamere Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger gefordert, die eine Arbeit ablehnen. Westerwelle bekam am Wochenende unverhofft Unterstützung von der CSU: Deren Generalsekretär Alexander Dobrindt forderte "strikte und unausweichliche Sanktionen" gegen "Arbeitsverweigerer".

"Das ist eine Pseudo-Diskussion", entgegnete Marquis. "Das Gesetz sieht Sanktionen und die Annahme von zumutbaren Jobs längst vor." Wer etwa seinen Bewerbungspflichten nicht nachkomme, eine zumutbare, nicht sittenwidrige Arbeit oder eine Weiterbildungsmaßnahme ablehne, müsse mit Kürzungen rechnen. Zunächst würden 30 Prozent des Arbeitslosengelds II, im Wiederholungsfall 60 Prozent gekürzt, sagte Marquis.

Die NRW-Arbeitsagenturen gehen unterschiedlich hart gegen Langzeitarbeitslose vor, wie die Statistik zeigt. Während etwa in Leverkusen 7,8 Prozent aller erwerbsfähigen Hartz-IV-Empfänger im Oktober 2009, dem letzten verfügbaren Untersuchungszeitraum, wegen Regelverstößen bestraft wurden, waren es in Kleve nur 2,6 Prozent. Ursache für die unterschiedlichen Zahlen ist laut Arbeitsagentur meist die unterschiedliche Personalausstattung in den Jobcentern. "Dass die Transferempfänger in einer Region besonders faul sind, lässt sich daraus jedenfalls nicht schließen", betonte Marquis.

Die Sanktionsquoten hingen vor allem von den Jobchancen vor Ort ab, sagte eine Sprecherin der Bundesagentur für Arbeit. Da den Arbeitslosen in Bayern oder Baden-Württemberg eher ein Jobangebot unterbreitet werden könne, würden hier auch häufiger Strafen verhängt als etwa in Brandenburg, wo weniger Stellen verfügbar seien.

Die FDP kündigte ein Hartz-IV-Eckpunktepapier an, das sie in Kürze vorlegen will. Darin soll es um die bessere Durchsetzung bestehender Sanktionsmöglichkeiten gehen. Zudem will die FDP die Hinzuverdienstgrenzen von Hartz-IV-Empfängern deutlich anheben. Auch soll die Belastung mit Sozialbeiträgen bei Geringverdienern reduziert werden.

"Wir prüfen, ob wir die derzeitige Grenze von 800 Euro bei den Midi-Jobs anheben können", sagte FDP-Sozialpolitiker Heinrich Kolb unserer Zeitung. Für Midi-Jobs mit Einkünften zwischen 400 und 800 Euro monatlich werden bereits jetzt geringere Sozialabgaben gezahlt.

(RP)
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