Durchbruch im Poker um EU-Posten Belgier und Britin bilden Europas neue Spitze

Brüssel (RPO). Überraschend schnelle Einigung beim Poker um die zwei neuen Spitzenposten in der Europäischen Union: Der Belgier Herman Van Rompuy wird erster ständiger europäischer Ratspräsident, die Britin Catherine Ashton neue Hohe Repräsentantin für die Außen- und Sicherheitspolitik. Beide gelten als auf internationalem Parkett eher unerfahrene Politiker.

Herman Van Rompuy - ein Schöngeist für Brüssel
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Bei dem EU-Sondergipfel ging es um die Kandidaten für zwei neue beziehungsweise neu ausgestattete Posten: den des ständigen Ratspräsidenten und den des Hohen Repräsentanten für die Außen- und Sicherheitspolitik.

Die ersten Gerüchte aus Diplomatenkreisen bestätigten sich schon am frühen Abend: Der belgische Ministerpräsident Herman Van Rompuy ist am Donnerstagabend auf dem EU-Gipfel in Brüssel zum ersten hauptamtlichen Ratspräsidenten der Europäischen Union berufen worden, wie aus Diplomatenkreisen verlautete. Großbritanniens Regierungschef Gordon Brown bestätigte die Personalien wenig später. Zur neuen EU-Außenpolitikchefin wurde die britische Handelskommissarin Catherine Ashton ernannt.

Der 62-jährige Christdemokrat Van Rompuy wird als Ratspräsident die Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs leiten. Mit der Berufung Van Rompuys setzte sich ein Personalvorschlag durch, der Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy zugeschrieben wird - auch wenn Berlin und Paris eine solche Absprache stets dementiert haben. Van Rompuy war erst vor elf Monaten als belgischer Regierungschef angetreten.

Die 53-jährige Labour-Politikerin Ashton übernimmt die Aufgaben des bisherigen EU-Außenbeauftragten Javier Solana und der EU-Kommissarin für Auswärtige Angelegenheiten, Benita Ferrero-Waldner. Zugleich wird sie Vizepräsidentin der EU-Kommission. Ironischerweise erhält die Britin einen Posten, der wegen Widerstands unter anderem der britischen Regierung nicht als EU-Außenminister bezeichnet werden darf. Ihr offizieller Titel lautet Hohe Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik.

Massiver Druck durch die Frauen

Die sozialdemokratisch regierten EU-Länder hatten sich bereits vor dem Gipfel auf die 53-jährige Britin Ashton verständigt. Die Adelige hat aber keine Erfahrungen auf diplomatischem Parkett. Proporz spielte bei ihrer Ernennung eine entscheidende Rolle: Zuvor hatte es aus der Kommission und dem Europaparlament massiven Druck zur Ernennung einer Frau gegeben. Als "EU-Außenministerin" wäre sie künftig auch Vize-Präsidentin der EU-Kommission.

Nach einer informellen EU-Absprache haben die Linken in Europa Anspruch auf den Posten des Hohen Vertreters für die Außen- und Sicherheitspolitik, während die Konservativen den neuen EU-Ratspräsidenten stellen sollen. Beide Posten schafft der am 1. Dezember in Kraft tretende Vertrag von Lissabon. Bisher wechselt der EU-Ratsvorsitz alle sechs Monate unter den EU-Staaten.

Merkel weist Kritik zurück

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) begrüßte die Personalentscheidungen des EU-Sondergipfels. Vorwürfe, die EU habe sich für ein schwaches Spitzenteam entschieden, wies Merkel zurück. "Ich gehöre zu den Menschen die wissen, dass Persönlichkeiten in Aufgaben hineinwachsen können", sagte Merkel.

London ließ nach der Einigung auf Ashton seine Unterstützung für den ehemaligen britischen Premierminister Tony Blair als Ratspräsident fallen. Sein Nachfolger Gordon Brown rückte beim EU-Gipfel offiziell von einer Kandidatur seines Vorgängers ab, wie ein Sprecher bestätigte. Der niederländische Regierungschef Jan Peter Balkenende sagte selbst, er sei kein Kandidat für dieses Amt. Als möglicher Kandidat war vor dem Gipfel auch noch Luxemburgs Regierungschef Jean-Claude Juncker gehandelt worden, der sich aber bei Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy unbeliebt gemacht hatte.

Italien, Frankreich und Deutschland taktieren

EU-Diplomaten zufolge ging es bei den Entscheidungen am Donnerstag um weit mehr als nur um zwei neue Spitzenämter. Vielmehr erhoffte sich beispielsweise die deutsche Seite Italien auszustechen, wenn 2011 die Nachfolge von EZB-Präsident Jean-Claude Trichet ausgehandelt wird. Die Zentralbankpräsidenten beider Länder sind heiße Kandidaten für die Führung der EZB. Offizielle Vereinbarungen dazu werden aber nicht erwartet.

Um einen Kompromiss zu schmieden, könnten also im Hintergrund noch ganz andere Zusagen über andere wichtige Posten in der EU abgeben worden sein. Denn auch der Generalsekretär des Rates, ein Top-Verwaltungsposten, ist zu besetzen. Dieses Amt könnte für die nächsten fünf Jahre unter Deutschland und Frankreich aufgeteilt werden. Der zurzeit noch amtierende Franzose Pierre de Boissieu würde zunächst weitermachen. Als Nachfolger ist unter anderem Merkels Berater für Europapolitik, Uwe Corsepius, im Gespräch. Doch auch Polen, Spanien und die Niederlande beanspruchen diesen Posten.

(AFP/AP/RTR)
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