Mahnwache gegen den Terror in Berlin Joachim Gauck: "Wir alle zeigen Gesicht"

Berlin · Nach dem Anschlag auf "Charlie Hebdo" gedenkt ein breites Bündnis aus Politik und Gesellschaft derzeit bei einer Mahnwache in Berlin der Opfer. Auch Bundespräsident Joachim Gauck war zugegen. Er sagte in Richtung Terroristen und Fanatiker: "Euer Hass ist unser Ansporn."

Mahnwache in Berlin in Gedenken an Pariser Terroropfer
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Bundespräsident Joachim Gauck hat alle Menschen in Deutschland unabhängig von Religion und Herkunft zum Einsatz für Demokratie und Weltoffenheit aufgerufen. "Wir alle sind Deutschland", sagte Gauck am Dienstag bei einer Mahnwache vor dem Brandenburger Tor in Berlin nach den islamistischen Anschlägen von Paris mit 17 Toten.

"Wir schenken Euch nicht unsere Angst. Euer Hass ist unser Ansporn", sagte er an die Adresse von Terroristen und Fanatikern. Gauck bezog sich dabei auf Sätze, die er zu Beginn seiner Amtszeit den Rechtsextremisten zugerufen hatte. "Der Terror ist international, aber das Bündnis der Freien und Friedfertigen ist es erst recht. Die Welt rückt zusammen."

Das Staatsoberhaupt dankte allen Muslimen, die sich vom Terror im Namen des Islam distanzierten. "Das ist ein patriotisches "Ja" zu dem Land, im dem wir gemeinsam leben — unserem Land", sagte Gauck. Die übergroße Mehrheit der Muslime fühle sich der offenen Gesellschaft zugehörig "und sie, diese Mehrheit, ist auch bereit, dafür einzutreten".

"Wir gemeinsam stellen uns jeder Art von Dämonisierung"

Zugleich verurteilte Gauck die mehr als 550 jungen Männer und Frauen, die aus Deutschland im Namen des Islam als Kämpfer für den "Islamischen Staat" nach Syrien und in den Irak gezogen sind. "Was für ein Missbrauch. Was für eine Pervertierung von Religion."

Ohne die Anti-Islam-Bewegung Pegida ("Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes") beim Namen zu nennen, ergänzte Gauck:
"Wir gemeinsam stellen uns jeder Art von Dämonisierung und Ausgrenzung entgegen." Er würdigte die Menschen, die sich bei den Gegendemonstrationen zu Pegida gegen Fremdenfeindlichkeit und und für eine offene Gesellschaft stark machen. "Wir alle zeigen Gesicht!"

Trauerzeremonie für die getöteten Polizisten
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Angesichts der Brandanschläge auf Moscheen und von antisemitischen Parolen in Deutschland rief Gauck alle Bürger zu Solidarität auf. Es sei nicht allein Sache der Muslime und der Juden, sich dagegen zu wehren, "es ist unser aller Sache". Zugleich kritisierte er: "Distanz zwischen Einwanderern und Einheimischen, die Distanz auch manchmal zwischen Eingewanderten unterschiedlicher Herkunft, sie wird noch zu selten überwunden." Die Menschen rief er hier zu mehr Offenheit auf: "Lassen Sie uns die Begegnung der Verschiedenen bewusst suchen." Und Gauck versicherte: "Wir lassen uns nicht auseinanderdividieren."

Mazyek: "Die Terroristen haben nicht gesiegt"

Die Attentate von Paris haben nach den Worten Gaucks gezeigt, wie verwundbar die offene Gesellschaft ist. Sie hätten aber eine Neubesinnung bewirkt. "Die Terroristen wollten uns spalten. Erreicht haben sie das Gegenteil. Sie haben uns zusammengeführt."

Charlie Hebdo - Gedenkmarsch in Paris
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Freiheit und Menschenrechte seien nicht nur westlich, sondern universell. Der Gegenentwurf zum Fundamentalismus der islamistischen Gewalttäter laute: "Demokratie, Achtung des Rechts, Respekt voreinander, Wahrung der Menschenwürde. Das ist unsere Lebensform!"

Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek sagte in seiner Rede: "Die Terroristen haben nicht gesiegt, und Terroristen werden auch nicht siegen." Mayzek brachte seine tiefe Trauer über die Anschläge von Paris zum Ausdruck und sagte islamistischem Terrorismus den Kampf an.

Die Muslime in Deutschland ständen unter dem "Schock der brutalen Terroranschläge" und zeigten ihre Solidarität mit dem französischen Volk, sagte Mazyek am Dienstagabend bei der Mahnwache vor der Französischen Botschaft in Berlin. Dass Religionsgemeinschaften und Politiker wie Bundespräsident Joachim Gauck oder Kanzlerin Angela Merkel "hier geschlossen stehen und Gesicht zeigen (...), ist ein gewaltiges Zeichen des Respekts".

Rund 3000 Menschen nahmen teil

Für Einschüchterung und Gewalt wie beim Überfall auf das Satiremagazin "Charlie Hebdo" gebe es keine Rechtfertigung, so Mazyek. Der Zentralratsvorsitzende betonte in seiner Rede: "Die Terroristen wollten den Propheten rächen? Nein! Sie haben mit ihrer Tat die größte Gotteslästerung begangen."

Mazyek hatte zuvor im Beisein von Gauck und Merkel bei einer Kranzniederlegung der Terroropfer gedacht. Die anschließende Mahnwache wurde mit der Verlesung von zwei Koranversen auf Arabisch und Deutsch eröffnet. An der Kundgebung nahm auch der frühere Bundespräsident Christian Wulff teil, der den Satz "Der Islam gehört zu Deutschland" geprägt hatte. Bei den Anschlägen in der vergangenen Woche in Paris hatten Islamisten insgesamt 17 Menschen ermordet.

An der Berliner Kundgebung gegen Terrorismus haben sich nach Polizeiangaben rund 3000 Menschen beteiligt. Sie demonstrierten am Dienstagabend auf dem Pariser Platz am Brandenburger Tor gegen Gewalt und Hass. Verbände der Muslime und Türken in Deutschland hatten die Demonstration initiiert — als Zeichen gegen die islamistischen Anschläge von Paris. Daran nahmen auch Bundespräsident Joachim Gauck, Kanzlerin Angela Merkel und zahlreiche andere Politiker teil.

(dpa)
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