Grenzkontrollen vor dem Comeback? Berlin und Paris rütteln an Schengen-Regeln

Berlin · Frankreich und Deutschland wollen einem Medienbericht zufolge wieder ihre Landesgrenzen kontrollieren, wenn europäische Außengrenzen nicht ausreichend gesichert sind. Motiv für die Initiative: Angst vor illegaler Einwanderung. Der Ton in Paris und Berlin hatte sich bereits in den vergangenen Wochen merklich verschärft.

Europa ohne Grenzen: Das Schengener Abkommen
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Foto: afp, PG/LE

Die "Süddeutsche Zeitung" berichtete am Freitag unter Berufung auf einen gemeinsamen Brief von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und seinem französischen Amtskollegen Claude Guéant von dem Vorstoß der beiden Länder.

Das gemeinsame Schreiben der Innenminister aus Berlin und Paris erscheint wenige Tage vor einem Treffen der EU-Innenminister. Konkret forderten die Innenminister in dem Schreiben vom 17. April, nationale Regierungen sollten "die Möglichkeit einer auf 30 Tage befristeten Wiedereinführung der Binnen-Grenzkontrollen haben". Ob die Voraussetzungen dafür vorliegen, sollten die nationalen Regierungen selbst bestimmen.

Dieses Entscheidungsrecht ist ein Knackpunkt in der bisherigen Debatte. Gegen Widerstand aus den EU-Staaten will die Europäische Kommission künftig als letzte Instanz über die Wiedereinführung von Grenzkontrollen entscheiden. Bereits in der Vergangenheit hatten unter anderem Deutschland, Frankreich und Spanien auf die nationale Souveränität in dieser Frage gepocht.

Der Vorschlag aus Paris und Berlin solle am kommenden Donnerstag beim Treffen der EU-Innenminister in Luxemburg beraten werden. Die Entscheidung dürfte aber frühestens im Juni fallen, sagte ein Vertreter der dänischen Ratspräsidentschaft der Zeitung.

Entsprechende Forderungen nach Änderungen im Schengen-System hatte Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy zuletzt wiederholt im Wahlkampf erhoben, in dem er zuletzt zunehmend mit nationalen Tönen um Stimmen warb. "Wir hatten Unrecht, die Grenzen zu vernachlässigen", hieß es etwa am vergangenen Sonntag in Paris. "Ich werde die Schengen-Abkommen aussetzen, wenn es sein muss."

Mit einem Ultimatum hatte Sarkozy im März die europäischen Partner verunsichert. Wenn sich an den Schengen-Regelungen in einem Jahr nichts ändere werde er Frankreichs Mitgliedschaft suspendieren.

Die Debatte um neue Regeln für Schengen ist bereits ein Jahr alt. Ein hoher EU-Diplomat bezeichnete die Initiative laut SZ als "überraschend". Von Sarkozy sei bekannt, dass er den Kampf gegen illegale Einwanderer als zentrales Wahlkampfthema erachte und deswegen schon mit dem Schengen-Ausstieg gedroht habe. Von der deutschen Bundesregierung seien ähnlich starke Vorbehalte bisher nicht bekannt.

Anfang April hatte jedoch auch die Bundesregierung Änderungen am Schengenabkommen und schärfere Grenzkontrollen gefordert. Im Interview mit unserer Redaktion sagte Innenminister Hans-Peter Friedrich, die offenen Grenzen stünden für Freiheit und Zusammenwachsen in Europa. "Das kann aber nicht bedeuten, dass wir die Sicherheit außer Acht lassen", so CSU-Politiker. "Wenn Länder wie Griechenland bei der Kontrolle der Außengrenzen versagen, müssen wir die Binnengrenzen vorübergehend wieder kontrollieren können", lautete seine zentrale Forderung.

Im gemeinsamen Brief mit seinem Kollegen aus Frankreich lässt er seinen Aussagen nun Taten folgen. Schon zuvor hatte er auf die Gemeinsamkeiten mit Paris verwiesen. Er trete zusammen mit seinem französischen Amtskollegen Claude Guéant dafür ein, das Schengen-Regelwerk "anzupassen". Die offenen Grenzen im Schengen-Raum dürften "kein Einfallstor für illegale Migrationsbewegungen werden."

Nach dem 1985 ins Leben gerufenen Schengen-Abkommen werden heute in 25 Ländern Europas die Grenzen - außer in Ausnahmefällen - nicht mehr kontrolliert. Im Vorjahr hatte Frankreich vorübergehend seine Grenze zu Italien kontrolliert, um Flüchtlinge aus Nordafrika an der Einreise zu hindern. Als Dänemark im vergangenen Sommer kurzzeitig die Grenzen nach Deutschland und Schweden kontrollierte, war dies noch auf Protest der Bundesregierung gestoßen.

(dpa)
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