Debatte über große Koalition Ja zu Glyphosat belastet SPD und Union

Berlin · Mit der Zustimmung für eine längere EU-Lizenz des Unkrautvernichters Glyphosat zieht Agrarminister Schmidt den Zorn der SPD auf sich. Umweltministerin Hendricks spricht von einem Vertrauensbruch. Eine Abstimmung mit dem Kanzleramt erfolgte wohl auch nicht.

 Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD).

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD).

Foto: dpa, nie

Die Zustimmung von Bundesagrarminister Christian Schmidt (CSU) für eine Verlängerung der Glyphosat-Zulassung um fünf Jahre belastet das Verhältnis zwischen Union und SPD. Er düpierte damit Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD), die gegen eine Verlängerung war. Aus der SPD hieß es, das sei ein skandalöses Verhalten, die künftige Zusammenarbeit gerät damit in Schieflage.

In Brüssel hatten die EU-Mitgliedsstaaten am Montagnachmittag die letzte Gelegenheit, selbst eine Entscheidung zu treffen. Bisher enthielt sich Schmidt wegen des Dissenses mit Hendricks. Wäre es erneut nicht zu einer Mehrheitsentscheidung gekommen, hätte die Kommission als nächstes selbst über das Unkrautvernichtungsmittel entscheiden können, das im Verdacht steht, krebserregend zu sein und negative Folgen für die Artenvielfalt zu haben.

Aus Sicht der SPD handelte Schmidt skandalös. Hendricks veröffentlichte eine Erklärung, in der sie darlegte, dass sie noch am Mittag mit Schmidt über die Abstimmung gesprochen habe. "Genau zwei Stunden vor Beginn der Sitzung des Berufungsausschusses, nämlich heute um 12.30 Uhr, habe ich gegenüber dem Kollegen Schmidt telefonisch eindeutig erklärt, dass ich mit einer Verlängerung der Zulassung von Glyphosat weiterhin nicht einverstanden bin, auch nicht unter bestimmten Konditionen", teilte Hendricks mit. Eine Enthaltung sei damit klar gewesen. "Um 13.07 Uhr hat Kollege Schmidt mir per SMS bestätigt, dass der Dissens bestehen bleibt."

Offenbar sei zur gleichen Zeit an den Vertreter des Landwirtschaftsministeriums in Brüssel eine andere Weisung ergangen, als sie abgestimmt war, so Hendricks weiter. Fraktionschefin Andrea Nahles sprach von einem "massiven Vertrauensbruch" und einer "schweren Belastung" für die Zusammenarbeit in der geschäftsführenden großen Koalition.

Schmidt verteidigte hingegen die Entscheidung für eine Verlängerung des umstrittenen Unkrautvernichtungsmittels. "Mit unserer heutigen Zustimmung zur weiteren Zulassung von Glyphosat für fünf Jahre konnten wir wichtige Bedingungen durchsetzen", sagte er. Der Minister nannte die "Stärkung der Rolle von Biodiversität und Tierschutz", weitere Aufklärung im Hinblick auf die gesundheitlichen Gefahren für den Menschen und eine "Prüfung der Optimierungsmöglichkeiten des Genehmigungsverfahrens für Pflanzenschutzmittelwirkstoffe".

Schmidt begründete das deutsche Abstimmungsverhalten in Brüssel damit, dass die EU-Kommission "sich ohnehin für die Verlängerung der Zulassung von Glyphosat entschieden" hätte. "Die Kommission hätte damit den Wirkstoff ohne diese Bedingungen verlängert." National werde man zusätzliche Maßnahmen im Sinne restriktiverer Anwendungen ergreifen, versprach Schmidt. Frankreich kündigte bereits ein Verbot nach drei Jahren an.

Offenbar handelte Schmidt auf eigene Faust

Pikant ist, dass Hendricks schon einmal ihre Zustimmung zu einer Verlängerung der Lizenz gegeben hatte. Im April 2016 hatte sie ihr Ja in Aussicht gestellt, sollte die EU Rücksicht auf die Artenvielfalt nehmen. Mit Verweis auf mögliche Gesundheitsrisiken zog Hendricks ihr Ja aber am 12. Mai 2016 zurück, kurz vor einer Abstimmung in Brüssel.

Am selben Tag schrieb Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth in einer E-Mail, die unserer Redaktion vorliegt, dass Hendricks ausdrücklich für die SPD-geführten Ressorts gesprochen habe und nicht in ihrer Ressortzuständigkeit. Weiter heißt es darin: "Damit ist meines Erachtens klar, dass es sich um eine politische und nicht um eine aus unserer Ressortkompetenz gespeiste Entscheidung handelt." Dennoch halte er den Kurswechsel für gerechtfertigt, endet Flasbarth sinngemäß.

Unklar ist, welchen Preis nun die SPD für dieses Foulspiel des Agrarministers einfordern wird. Und offenbar handelte Schmidt auf eigene Faust. Aus Regierungskreisen hieß es, "die Entscheidung fiel in seiner Ressortzuständigkeit". Im Klartext: ohne besondere Abstimmung mit dem Kanzleramt.

(jd)
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