Analyse zum Parteitag Die AfD will erwachsen werden

Bremen · Beim Parteitag der Alternative für Deutschland hat sich Sprecher Bernd Lucke damit durchgesetzt, dass es künftig nur noch einen Vorsitzenden geben wird. Als heimlicher Star hat sich aber Sprecherin Frauke Petry inszeniert.

Bernd Lucke – Familienvater, Professor, Ex-AfD-Gesicht
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Das ist Bernd Lucke

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Foto: dpa, pse jak

Die Erleichterung ist groß. Nach einem Sitzungsmarathon von mehr als zwölf Stunden stimmten rund zwei Drittel der AfD-Mitglieder beim Parteitag in Bremen für die neue Satzung. Die Partei hat sich damit zwei Jahre nach ihrer Gründung eine professionelle Struktur gegeben. Dass der alleinige Vorsitzende am Ende des Jahres wirklich Bernd Lucke heißt, ist damit aber nicht gesagt.

Bisher war die Partei von drei gleichberechtigten Sprechern vertreten worden. Der 52-jährige Ökonomie-Professor Lucke, der anfangs wie kein anderer das Gesicht der eurokritischen Partei verkörperte, musste sich den Vorsitz teilen. Neben ihm war die Chemikerin und Unternehmerin Frauke Petry (39) als Sprecherin tätig, ebenso der Journalist Konrad Adam (72).

Lucke wusste daher, dass der Bremer Parteitag auch das vorzeitige Ende der 20 000 Mitglieder starken, aber noch jungen Partei hätte bedeuten können, wenn sie sich im Streit um Strukturen zerlegt hätte. "Dann würden in den Zentralen der ,Altparteien' die Sektkorken knallen", hatte er die 2000 Mitglieder in Bremen zum Auftakt gewarnt.

Dabei hat die AfD ein durchaus erfolgreiches Jahr hinter sich: Sie zog ins Europaparlament ein und sitzt heute in den Landtagen von Brandenburg, Sachsen und Thüringen. Bei den Wahlen in Bremen und Hamburg will sie nun den Beweis antreten, dass sie kein ostdeutsches Phänomen ist - und 2017 schließlich in den Bundestag einziehen.

Aber die Wahlerfolge in den neuen Bundesländern haben auch Begehrlichkeiten geweckt. Die Vorsitzenden der Landesverbände in Brandenburg und Sachsen, an der Spitze Alexander Gauland (73) und Frauke Petry, wollen mehr Einfluss gewinnen. Sie stehen für den rechten Flügel der Partei, der die AfD als Plattform für kernige Positionen zu Zuwanderung und Familienpolitik ausbauen will. Die Kritik an der Euro-Politik Europas, einst Gründungsimpuls für die Partei, droht mittlerweile in den Hintergrund zu geraten. Doch die Richtung für die Zukunft ist auch an der Basis umstritten.

Wer diese Basis verstehen will, stieß in Bremen auf eine sehr heterogene, aber juristisch durchaus bewanderte Truppe. Das zeigte sich noch vor Beginn des Parteitags. Weil der Saal im Maritim-Hotel zu klein war, mussten mehrere Landesverbände mit ihren Mitgliedern ins einen Kilometer entfernte Musical-Theater ausweichen. Am Samstagmorgen kam es deshalb im Maritim zu tumultartigen Szenen. "Ich bin nicht hunderte von Kilometern aus Bayern hergereist, um mich jetzt hier wegschicken zu lassen", brüllte ein älterer Herr einen Helfer an. In den Reihen der AfD gibt es nicht wenige Juristen. Jetzt am Eingang drohen die ersten mit einer Klage gegen die Organisatoren.

Auch die Debatte über die Satzung - mehr als 460 Seiten, davon mehr als 40 Seiten Änderungsanträge zur Geschäftsordnung, umfasste das Antragsbuch zum Parteitag - wurde zur Geduldsprobe für die Teilnehmer und das Tagungspräsidium. Spitzfindigkeiten zur Geschäftsordnung führten immer wieder zu zermürbenden juristischen Scharmützeln.

Und so ging es auf der Bremer Bühne vor allem um formale Fragen: Wie viele Vorsitzende will man künftig haben? Gibt es eine Trennung von Amt und Mandat? Gibt es einen Parteikonvent? Die sensible Frage, wie die Partei sich künftig inhaltlich ausrichtet, wurde nicht geklärt. Die Spitze war sichtlich bemüht darum, Einigkeit zu demonstrieren, die Reden fielen moderat aus.

Das ging sogar so weit, dass Bernd Lucke seinen Auftritt zunächst unter Ausschluss der Öffentlichkeit absolvieren wollte, dann aber doch einsehen musste, dass eine Rede vor 2000 Mitgliedern ohnehin nicht geheim bleiben würde. In einem wenig inspirierenden Vortrag erklärte er der Partei umständlich, warum es künftig nur noch einen Vorsitzenden geben sollte. Effizienter, schlanker, schlagkräftiger solle die AfD damit werden.

Ende des Jahres wird nun ein Parteitag die neue Führung wählen. Wie als Einstimmung auf einen Machtkampf sagte Frauke Petry in ihrer Rede, dass die AfD eben "nicht perfekt" sei. Die Führung müsse die Mitglieder mitnehmen. Bernd Lucke, der häufig wegen seines Führungsstils in der Kritik steht, musste das in Bremen als persönlichen Vorwurf verstehen - und als indirekt formulierten Machtanspruch Petrys. Die sächsische AfD-Chefin forderte auch, dass weitere Personen als Führungspersonal "entwickelt werden". Sie bekam viel Beifall für ihre Rede, und das nicht zum ersten Mal. Viele in der Partei trauen ihr den Vorsitz zu, sogar eher noch als Lucke.

Die offizielle Entscheidung über die inhaltliche Ausrichtung der AfD wurde also bis zum Jahresende vertagt, am Rande des Parteitags in Bremen diskutierten jedoch viele Mitglieder, wie es weitergehen sollte. Eins wurde deutlich: dass viele AfD-Mitglieder mit Sorge die zunehmend aus dem national-konservativen Lager stammenden Kommentare zur Kenntnis nehmen. Sie wollen mit der "Pegida"-Bewegung nicht in einen Topf geworfen werden, fühlen sich den "Patriotischen Europäern gegen die Islamisierung des Abendlandes" politisch nicht nah.

Doch Frauke Petry und Alexander Gauland hatten zuletzt häufiger im "Pegida"-Lager nach Stimmen gefischt. Vor allem Gauland war mit scharfen Äußerungen zur Zuwanderung aufgefallen. Und Petry unterstützte die mittlerweile ebenfalls zurückgetretene "Pegida"-Sprecherin Kathrin Oertel, als sich Vereinsgründer Lutz Bachmann wegen bekanntgewordener hetzerischer Kommentare gegen Ausländer von der "Pegida"-Spitze verabschiedete.

Kommt es daher in der AfD zu einer Zuspitzung des Machtkampfes zwischen Petry und Gauland einerseits und Lucke andererseits, dürfte der AfD die nächste Zerreißprobe bevorstehen.

(rl)
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