Betreuungsgeld Horst Seehofer scheitert zum zweiten Mal

Berlin · Erst die Pkw-Maut gestoppt, jetzt das Betreuungsgeld gekippt: Für den CSU-Chef läuft es nicht gut. Die Opposition attestiert ihm einen Bedeutungsverlust und ruft die CSU auf, die "Reißleine" zu ziehen.

Betreuungsgeld: Häme auf Twitter für die CSU
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Foto: dpa, shp fdt

2015 — das wollte CSU-Chef Horst Seehofer zum "Jahr des Säens" machen, damit bei der Bundestagswahl 2017 und der bayerischen Landtagswahl 2018 eine große Ernte eingefahren werden könne.

Tatsächlich erlebt der bayerische Ministerpräsident das genaue Gegenteil: Was er zuvor gesät hat, wird gerade als Missernte umgehend untergepflügt. Nach dem Stopp für die Maut nun das Aus fürs Betreuungsgeld. Damit sind zwei Leuchtturmprojekte der Christsozialen ausgeknipst. In Seehofers Macher-Image wird das tiefe Spuren hinterlassen.

Deshalb versuchte er auch, sofort wieder in die Offensive zu kommen. Von der Kabinettsklausur aus richtete er sich direkt an die Mütter und Väter in Bayern und versprach, dass der Freistaat so schnell wie möglich das Betreuungsgeld in eigener Regie wieder auszahlen werde. Bereits im September würden dafür die rechtlichen Grundlagen geschaffen.

Auch auf einem weiteren Feld bemüht sich Seehofer, aus der Defensive herauszukommen, nachdem verängstigte und empörte Bürger den Eindruck gewonnen hatten, die Behörden würden des Zustroms von Flüchtlingen nicht mehr Herr. Drastisch wie selten spricht er von "Asylmissbrauch" durch Menschen vor allem vom Balkan. Sie will er künftig gar nicht mehr auf die Kommunen verteilen, sondern in Erstaufnahmelager bringen, um dort im Schnelldurchgang die Verfahren möglichst binnen 14 Tagen absolviert und die Abschiebung in die Wege geleitet zu haben.

Auf den ersten Blick erscheint das als erfolgversprechende Strategie, die Situation in den Griff zu bekommen. Denn diese ist auch geprägt davon, dass in diesem Jahr von Balkan-Flüchtlingen bereits über 60.000 Asylanträge eingingen, deren Erfolgsquote bei unter einem Prozent liegen dürfte.

Doch auch dieses Vorgehen hat Widerhaken, die Seehofer erneut schaden könnten: Zum einen hat er jetzt schon mit dem Vorwurf zu tun, er betreibe mit der verschärften Sprache "rhetorische Brandstiftung". Zum anderen steht seine Absicht, bestimmten Asylbewerbern Bayern madig zu machen und sie in Zelten unterzubringen, im Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung, wonach es unter den Flüchtlingen keine Unterscheidung in zwei Klassen geben darf. Damit riskiert Seehofer also die nächste Klatsche.

Unsicher sind auch die Auswirkungen der Griechenland-Rettung auf die Einigkeit der CSU. Bereits beim Votum für Verhandlungen stimmten 13 CSU-Abgeordnete gegen diesen Kurs. Zudem endet unter Seehofer nun auch die Ära der Wildbad-Kreuth-Klausuren. Weil sich die CSU-nahe Hanns-Seidel-Stiftung mit dem Eigentümer nicht über die Pacht einigen konnte, entfällt für die Jahresauftakttreffen jener Ort, der seit Jahrzehnten zum Mythos einer starken und selbstständigen CSU gehörte.

Die politischen Gegner wittern nach der Niederlage beim Betreuungsgeld neue Angriffsflächen: "Die CSU hat einfach kein Glück mit dem Rechtsstaat", spottet Linken-Chef Bernd Riexinger. Seehofer habe sich "über Landesgrenzen hinweg lächerlich gemacht und mit der unmenschlichen bayerischen Flüchtlingspolitik den Bogen endgültig überspannt".

Das Wort "Rücktritt" nimmt Riexinger als Forderung zwar nicht in den Mund, doch stellt er fest, dass "Bayern etwas Besseres verdient" habe "als einen Landesvater, dessen Tagesgeschäft der politische Blindflug ist". Die CSU sei "gefordert, endlich die Reißleine zu ziehen".

Der bayerische SPD-Chef Florian Pronold bezieht in die Gesamtbewertung auch Seehofers Ankündigung ein, sich im Sommer mit Karl-Theodor zu Guttenberg zu treffen und mit ihm über Aufgaben im CSU-Kompetenzteam zu sprechen. Der Bedeutungsverlust der CSU auf Bundesebene, so Pronold, sei nicht erst seit dem Urteil zum Betreuungsgeld greifbar. Aus der Bitte an Guttenberg zur Rückkehr nach Bayern gehe die "ganze Hoffnungslosigkeit" Seehofers hervor. "Die Verzweiflung des CSU-Chefs könnte größer nicht sein", befindet Pronold.

(may-)
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