Bedenken im Justizministerium Betreuungsgeld verfassungswidrig?

Berlin · Das geplante Betreuungsgeld sorgt für neuen Wirbel: Das Justizministerium von Sabine Leutheusser-Scharrenberger (FDP) sieht "hohe verfassungsrechtliche Bedenken", wenn die neue Leistung nicht an Eltern gezahlt wird, die ihr Kind in einer Krippe betreuen lassen.

Bedenken im Justizministerium: Betreuungsgeld verfassungswidrig?
Foto: dpa, Andreas Gebert

Das geht aus einem Vermerk des Ministeriums hervor, der unserer Redaktion vorliegt. Doch genau dies plant die Regierung: Die zunächst 100 Euro, später 150 Euro monatlich sollen nur jene Eltern erhalten, die ihr Kleinkind privat betreuen.

Diese Regelung dränge "die Eltern zu einer bestimmten Art und Weise der Erziehung ihrer Kinder": "Je weniger die Eltern für die Betreuungseinrichtung ausgeben, desto stärker setzt ein Betreuungsgeld von 150 Euro Anreize, das Kind aus der Betreuungseinrichtung herauszunehmen und selbst zu betreuen", heißt es in dem internen Vermerk weiter.

Dies gelte besonders für sozial schwächere Familien. Der Staat sei aber gehalten, die Familie als eigenständige und selbstverantwortliche Gemeinschaft zu respektieren. Zudem setze eine entsprechende Regelung Anreize für gering verdienende Frauen, ihre Erwerbstätigkeit aufzugeben und gerate so in Konflikt mit dem Förderauftrag des Grundgesetzes.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hatte bereits Bedenken gegen das Betreuungsgeld geäußert, wollte aber zunächst den Gesetzentwurf des Familienministeriums abwarten. Ministerin Kristina Schröder lässt damit aber zum Unmut des Koalitionspartners CSU auf sich warten. Schröder hatte zuletzt die Überlegung ins Spiel gebracht, das Betreuungsgeld nur unter Auflagen auszuzahlen. Danach müssten Eltern ihre Kinder regelmäßig beim Kinderarzt zur Vorsorgeuntersuchung vorstellen.

Die CSU wittert darin aber eine Falle, weil das Gesetz auch vom Bundesrat abgesegnet werden müsste. Dort aber hat Schwarz-Gelb keine Mehrheit mehr. SPD und Grüne haben bereits angekündigt, alle Möglichkeiten gegen die Einführung des Betreuungsgeldes ausschöpfen zu wollen.

Das Betreuungsgeld ist in der Regierungskoalition entsprechend umstritten. Für die CSU ist es ein Herzensanliegen, bei CDU und FDP gibt es dafür keine Mehrheiten. Für die Zustimmung der CDU-Frauen wird es voraussichtlich ein Kompensationsgeschäft geben: Ältere Mütter sollen höhere Rentenansprüche erhalten. Die Kosten dafür bleiben nach Angaben der Frauenunion zunächst unter jährlich einer Milliarde Euro.

"In den ersten vier Jahren werden die jährlichen Kosten für die höhere Anerkennung der Erziehungszeiten in der Rente einen dreistelligen Millionen-Betrag nicht übersteigen", sagte Frauenunion-Chefin Maria Böhmer. "Zur Einführung im ersten Jahr rechnen wir mit rund 100 Millionen Euro."

FDP-Chef Philipp Rösler sieht derweil kaum finanzielle Spielräume für das geplante Betreuungsgeld. Ausgaben für die Betreuung von Kindern in der Familie vertrügen sich nicht mit dem Ziel der FDP, bereits im Jahr 2014 einen ausgeglichenen Bundeshaushalt zu erreichen, sagte Rösler am Donnerstagabend bei einer Veranstaltung des "Handelsblatts" in Düsseldorf.

Um zwei Jahre früher als bisher geplant zu einer Null-Neuverschuldung zu kommen, seien 14,6 Milliarden Euro aus Einsparungen und zusätzlichem Wachstum erforderlich, betonte Rösler. Derzeit sei noch nicht absehbar, was das Betreuungsgeld kosten würde, da es noch kein Modell gebe. "Das ist erstmal ein Thema der Union."

Die FDP habe aber nicht nur finanzielle Bedenken gegen das Betreuungsgeld. Gemeinsames Ziel von FDP und Union zu Beginn der schwarz-gelben Koalition sei es gewesen, die Vereinbarkeit von Familien und Beruf zu stärken: "Das darf man nicht gefährden", forderte Rösler.

Die Koalition hat vereinbart, Eltern, die ihre ein und zwei Jahre alten Kinder selbst betreuen und keine Kita in Anspruch nehmen, ab 2013 ein monatliches Betreuungsgeld zu zahlen: zunächst 100 Euro, später 150 Euro. Darüber schwelt aber seit Wochen Streit, mehrere CDU-Abgeordnete haben angekündigt, das Vorhaben nicht mitzutragen.

(RP/dpa)
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