Urteil im Prozess um Tod bei Abschiebung Bewährungsstrafen für Grenzschützer

Frankfurt/Main (rpo). Zu jeweils neun Monaten Haft auf Bewährung sind drei Mitarbeiter des Bundesgrenzschutzes verurteilt worden. Sie waren an der Abschiebung beteiligt, bei der der Sudanese Aamir Ageeb ums Leben kam. Das Landgericht Frankfurt sprach sie der Körperverletzung mit Todesfolge für schuldig.

Der 30-jährige Afrikaner war bei seiner Abschiebung 1999 ums Leben gekommen, nachdem ihn die Angeklagten so stark in den Flugzeugsitz gedrückt hatten, dass er erstickte. In dem Urteil erkannte das Gericht auf Körperverletzung mit Todesfolge in einem minderschweren Fall. Die Beamten im Alter zwischen 32 und 41 Jahren seien für den Tod des Sudanesen Aamir Ageeb bei dessen Abschiebung am 28. Mai 1999 verantwortlich.

Die Kammer unter dem Vorsitz von Richter Heinrich Gehrke sprach aber von einem "absoluten Ausnahmefall" und minderte deshalb die übliche Mindeststrafe von einem Jahr, wie sie auch die Staatsanwaltschaft gefordert hatte. Die Angeklagten und der Staatsanwalt nahmen das Urteil unmittelbar nach der Verkündung an, der Vertreter der Familie des Opfers erbat sich Bedenkzeit.

Nach den Worten des Kammervorsitzenden wäre ohne die Minderung der Strafe die Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt, weil die Polizisten bei einem Jahr Freiheitsstrafe ihre Beamtenrechte verlieren würden. Die Strafe müsse in einem gerechten Verhältnis zur Tat stehen.

Asylpolitik in der Kritik

Richter Gehrke übte aber auch massive Kritik an der deutschen Asylpolitik. In der Behörde des Bundesgrenzschutzes seien jahrelang Asylbewerber menschenunwürdig gequält und wie wilde Tiere gefesselt worden. Dies erinnere an die Vorgänge im irakischen Gefängnis Abu Ghraib.

Hinzu komme der fahrlässige Umgang der Behörden mit Erkenntnissen. Ageebs lagebedingter Erstickungstod sei der Frankfurter Polizei längst bekannt gewesen, nur im hessischen Innenministerium und beim Bundesgrenzschutz habe sich niemand dafür interessiert. Die Führung der Behörde bis zur Spitze habe sich durch Inkompetenz und Ignoranz ausgezeichnet.

Die Polizisten mussten sich seit dem 22. September vor dem Frankfurter Landgericht verantworten, nachdem das Amtsgericht den Fall dorthin verwiesen hatte. Die Polizisten sollten den Sudanesen seinerzeit nach Khartum zurückbringen. Er hatte sich massiv gegen seine Abschiebung gewehrt und war deshalb gefesselt, am Flugzeugsitz fixiert und trug einen Motorradhelm. Kurz nach dem Start gelang es ihm, vom Sitz aufzustehen. Daraufhin drückten ihn die Beamten so heftig nach unten, dass er erstickte.

"Kette organisierter Verantwortungslosigkeit"

Die Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl erhob nach dem Urteil ebenfalls Vorwürfe gegen die BGS-Spitze und das Bundesinnenministerium. "Die jetzt verurteilten Grenzschützer standen am Ende einer Kette organisierter Verantwortungslosigkeit", heißt es in einer Erklärung zu der Gerichtsentscheidung.

Die hierfür Verantwortlichen seien in dem Verfahren nicht einmal als Zeugen gehört worden und würden auch nicht zur Verantwortung gezogen. Es verletze das Gerechtigkeitsgefühl, dass lediglich die bestraft würden, "die in einer verantwortungslos strukturierten Organisation zu Tätern wurden", erklärte der Prozessbeobachter von Pro Asyl, Bernd Mesovic.

Einerseits mache das Urteil klar, dass von Polizisten in derartigen Situationen ein Nein zur Anwendung exzessiver Gewalt zu verlangen ist. Das Strafmaß hinterlasse jedoch einen bitteren Beigeschmack. "Es kann der Eindruck entstehen, wer als Amtsträger einen Menschen zu Tode bringt, könnte auch künftig damit rechnen, glimpflich davon zu kommen", kritisierte Pro Asyl.

(afp)
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