Fragen und Antworten Die wichtigsten Fakten zur BND-Affäre

Berlin · Im Bundestag hat die Aufklärung begonnen. Die SPD markiert schon einmal eine rote Linie für das Vertrauen in Merkel.

Wer hört wen ab - und was man dagegen tun kann
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Wer hört wen ab - und was man dagegen tun kann

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Foto: dpa, Jens Büttner

Im Bundestag läuft die Woche der BND-Aufklärung: Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) will in einer aktuellen Stunde für die Regierung in die Offensive gehen, der Rechtsausschuss bespricht mit Generalbundesanwalt Harald Range strafrechtliche Konsequenzen, das Parlamentarische Kontrollgremium erwartet den früheren Kanzleramtsminister Thomas de Maizière (CDU) und der NSA-Untersuchungsausschuss 40.000 "Selektoren", die gegen deutsche und europäische Interessen verstoßen haben sollen. Worum geht es im Einzelnen?

Welche Bedeutung haben die vielzitierten "Selektoren"?

Sie bilden den Kern der jüngsten Affäre. Mit Hilfe von "Selektoren" (Handynummern, Computer-IP-Adressen und Stichworten) durchsucht der BND von Bad Aibling aus die Satelliten-Kommunikation über Krisengebieten. Es ist nicht eindeutig, wie viele "Selektoren" die NSA geliefert hat - die Angaben schwanken zwischen 800.000 und mehr als sieben Millionen. Unklar ist auch, ob sie automatisch eingepflegt oder erst vom BND geprüft wurden und ob die "Treffer" automatisch an die NSA zurückflossen. Eine jüngst bekannt gewordene Liste mit 40.000 Suchbegriffen soll auch die Spähziele EADS, Eurocopter, französische und österreichische Regierungsstellen sowie die EU-Kommission betreffen.

War der BND ein "willfähriger Helfer" der NSA, wie Oppositionspolitiker behaupten?

BND-Chef Gerhard Schindler verneint das vehement. Dann müsste er den Nachweis führen, dass die kritischen "Selektoren" entweder nie aktiv waren oder der BND keine Erkenntnisse dazu an die NSA geliefert hat. Das wird stark bezweifelt, seit bekannt wurde, dass ein BND-Mitarbeiter 2013 nach den Snowden- Enthüllungen auf Anhieb 12.000 aktive "Selektoren" entdeckt haben soll, denen Adressen in Europa zuzuordnen waren. Was er damit machen solle, beantwortete sein Vorgesetzter angeblich mit der Anordnung "löschen".

Welche aktuellen Vorwürfe stehen im Raum?

Den einen hat das Kanzleramt selbst erhoben, indem es nach dem Bekanntwerden der 40.000er Liste öffentlich "technische und organisatorische Defizite" beim BND identifizierte. Der andere Vorwurf hat mit derselben Erklärung zu tun. Denn darin schreibt die Regierung, seit "mehreren Wochen" (offenbar seit Mitte März) davon zu wissen. Doch Mitte April gab de Maizière auf eine Anfrage der Linken die Antwort, dass die Regierung keinerlei Kenntnisse von angeblicher Wirtschaftsspionage habe. Eine Zeitung bildete den Minister daraufhin mit "Lügennase" ab. Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen nannte das gestern "zutiefst unanständig".

Wird der NSA-Untersuchungsausschuss vorankommen?

Dazu muss er sich ein Bild von den "Selektoren" machen können. "Ich gehe davon aus, dass die Bundesregierung die ,Selektoren'-Listen vollständig am Donnerstag dem NSA-Untersuchungsausschuss vorlegt", sagt der SPD-Obmann im Ausschuss, Christian Flissek. In dieser Frage müsse die Bundesregierung eine souveräne Entscheidung unabhängig von den Wünschen der Amerikaner fällen. Erläutern muss die Bundesregierung dann auch, ob die NSA-Anfragen zu EADS und Eurocopter auf Wirtschaftsspionage hinweisen oder etwa mit der Verhinderung von Proliferation (Waffenlieferungen) zu erklären sind.

Wie tief sind die Geheimdienstchefs und die Kanzleramtschefs der vergangenen Jahre sowie die Kanzlerin selbst in die Affäre verstrickt?

Dies wollen die verschiedenen parlamentarischen Gremien durch Befragung herausfinden. Der NSA-Untersuchungsausschuss hört grundsätzlich stets zuerst die Beteiligten der unteren Hierarchien und arbeitet sich dann nach oben. "Innenminister Thomas de Maizière wird im NSA-Untersuchungsausschuss befragt, wenn wir den Sachverhalt, der in seine Zeit als Kanzleramtschef fällt, aufgeklärt haben", sagt SPD-Obmann Flissek. "Dann können wir ihn auch mit Substanz befragen. Das werden wir auch tun. Ich gehe davon aus, dass dies vor der Sommerpause der Fall sein wird." Die Kanzlerin wird wohl erst nach der Sommerpause befragt.

Wie belastet die Affäre den Zusammenhalt in der großen Koalition?

Vereinzelt kommen Rücktrittsforderungen auch aus der SPD. Parteivorsitzender Sigmar Gabriel zog gestern eine rote Linie: Merkel habe ihm in zwei persönlichen Gesprächen versichert, dass sie keine Erkenntnisse darüber habe, dass außer EADS und Eurocopter weitere Unternehmen von Spionageversuchen betroffen waren. "Ich gehe davon aus, dass das auch das Ergebnis der Untersuchungen sein wird", so der SPD-Chef. Ansonsten wäre das "eine schwere Belastung auch des Vertrauens der deutschen Wirtschaft in das staatliche Handeln". Was bedeutet: Dann wäre auch das Vertrauensverhältnis zwischen Bundeskanzlerin und Vizekanzler erschüttert.

(jd / may- / qua)
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