Krach in der Großen Koalition Spähaffäre: Ströbele will Verfassungsgericht einschalten

Berlin · "Inakzeptabel", "Belastung", "bodenlose Frechheit": Die Geheimdienstaffäre um den BND und den US-Dienst NSA sorgt zunehmend für Krach. Nicht jedoch zwischen Berlin und Washington, sondern zwischen den Koalitionspartnern Union und SPD.

Wer hört wen ab - und was man dagegen tun kann
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Foto: dpa, Jens Büttner

Nachdem am Wochenende die SPD Druck auf das Kanzleramt aufbaute, zeigte sich am Montag eine Reihe von Unionspolitikern deutlich genervt von den Sozialdemokraten.

Der Auslöser: SPD-Parteichef und Vizekanzler Sigmar Gabriel hatte vor einer "Staatsaffäre" gewarnt, falls nicht der Verdacht ausgeräumt werden könne, der Bundesnachrichtendienst (BND) könnte dem US-Geheimdienst NSA beim Ausforschen deutscher Unternehmen geholfen haben. Außerdem forderte er von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Rückgrat zu zeigen und die bislang geheimen Spählisten des NSA zur Not auch ohne US-Zustimmung weiterzugeben.

Das ist Yasmin Fahimi
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"Das Vorgehen von Herrn Gabriel in der Sache BND, das halte ich für inakzeptabel in einer Koalition", grantelte nun CSU-Chef Horst Seehofer. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) nannte im ZDF die "schrillen Töne aus der SPD-Parteizentrale" eine "Belastung in der Koalition". Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Stephan Mayer (CSU), sekundierte im Deutschlandfunk: "Dieser Vorwurf von Gabriel, dass mehr Rückgrat gezeigt werden müsste, ist wirklich eine bodenlose Frechheit."

Die Bundesregierung verhandelt derzeit mit den USA darüber, ob den im Bundestag zuständigen Abgeordneten Daten gezeigt werden dürfen aus den sogenannten Selektoren-Listen - also Suchkategorien -, die dem BND vom US-Geheimdienst NSA übermittelt worden waren.

Der BND und seine nun nicht mehr so geheimen Außenstellen
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Foto: dpa, sja fdt

Auch in der Union gibt es Interesse daran, dem Bundestag Einblick in die umstrittene Zusammenarbeit zwischen den deutschen Agenten und ihren US-Kollegen zu verschaffen. Dass die SPD nun lautstark auf die Freigabe der Daten im Notfall auch gegen den Willen der US-Regierung drängt, wird in der Union mit Verärgerung als Parteipolitik auf Kosten des Koalitionspartners wahrgenommen.

Wann die Gespräche mit der Regierung von US-Präsident Barack Obama über die Freigabe der Suchliste abgeschlossen sein könnten, ist derzeit ungewiss. "Das Konsultationsverfahren mit den USA dauert an", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Eine solche Konsultation ist völkerrechtlich festgelegt.

So späht die NSA PCs ohne Internetzugang aus
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Foto: dpa, Jim Lo Scalzo

Die endgültige Entscheidung muss aber die Bundesregierung treffen. Das Völkerrecht halte "auch in diesem speziellen Fall leider kein Ergebnis bereit, dass eine politische Entscheidung in dieser Frage ersetzen könnte", sagte der Sprecher des Auswärtiges Amts am Montag in Berlin. Es könne und müsse aber möglich sein, die Interessen der nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit in Einklang zu bringen mit dem "völlig nachvollziehbaren Aufklärungsinteresse" des Bundestags und der Öffentlichkeit. Wie genau das ablaufen könne, müsse noch geklärt werden.

Der SPD-Obmann im NSA-Untersuchungsausschuss, Christian Flisek, forderte in der ARD, dass in dieser Woche Klarheit in der Frage geschaffen werden müsse. Kanzleramt und Bundesregierung müssten "eine eigene souveräne Entscheidung" treffen, drängte er.

Der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele, der Mitglied im Geheimdienst-Gremium des Bundestags (PKGr) ist, forderte von dem Kontrollausschuss die Entscheidung darüber, das Bundesverfassungsgericht einzuschalten. Die Richter sollten die Bundesregierung verpflichten, die Listen herauszugeben, erklärte er in Berlin.

(AFP)
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