Späh-Affäre Geheimdienst BND arbeitete offenbar am Kanzleramt vorbei

Berlin · Immer neue Details in der Späh-Affäre erhöhen den Druck auf die Bundesregierung, mehr zur Aufklärung beizutragen.

Wer hört wen ab - und was man dagegen tun kann
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Foto: dpa, Jens Büttner

In der Späh-Affäre um eine Zusammenarbeit zwischen dem deutschen Geheimdienst BND und dem US-Nachrichtendienst NSA wird die Variante, dass der BND ein Eigenleben geführt hat, immer wahrscheinlicher. Durch das Bekanntwerden weiterer Details setzt sich ein Puzzle zusammen, wie die Amerikaner versuchten, mit Hilfe des BND Ziele in Europa auszuspähen: Wie der "Spiegel" berichtet, stieß ein BND-Sachbearbeiter im Juni 2013 auf eine Reihe aktiver Suchdateien der NSA. Gesucht wurde nach den Kürzeln "diplo", "bundesamt" und "gov". Diese Abkürzungen sind Bestandteile von E-Mail-Adressen, die Diplomaten, Behörden und Regierungen in Deutschland und Europa nutzen. Der Sachbearbeiter machte Meldung an seine Vorgesetzten und fragte, was er damit machen solle. Die Antwort soll in nur einem Wort gekommen sein: "Löschen". Insgesamt sollen 12 000 Begriffe gelöscht worden sein.

Dieser Vorgang und mögliche andere Spähangriffe der Amerikaner auf europäische Politiker und Unternehmen beschäftigen die Regierung seit einer guten Woche. Bislang gibt es wenig Aufklärung. Deutschland steht im Verdacht, seine Verbündeten ausspioniert zu haben oder zumindest ein willfähriger Helfer des amerikanischen Geheimdienstes zu sein. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) forderte nun während seiner Slowenien-Reise: "Wir müssen uns schnellstmöglich um die Aufklärung bemühen, um zu wissen, was geschehen ist - auch was nicht." Er forderte, die Aufklärung gehöre in den Bundestag, wo der NSA-Untersuchungsausschuss und das Parlamentarische Kontrollgremium angesiedelt sind. In der kommenden Woche wird Innenminister Thomas de Maizière (CDU) die Fragen des Kontrollgremiums beantworten müssen. Je mehr Details ans Licht kommen, desto unangenehmer wird es für die Regierung.

Es steht dem "Spiegel" zufolge auch der Vorwurf im Raum, der BND habe eine weitere Geheimdienstoperation im Bund mit Briten und Amerikanern am Kanzleramt vorbei geplant. Dabei soll es um das Anzapfen einer Datenleitung der Deutschen Telekom gegangen sein.

Inwieweit es den Amerikanern tatsächlich gelungen ist, ihre Ziele auszuspionieren, ist offen. Konkret muss die Frage geklärt werden, ob und welche Informationen über die Abhörstation im bayerischen Bad Aibling an die Amerikaner gegangen sein könnten. Bisher gibt es keine Belege, dass beispielsweise E-Mails der EU-Kommission, französischer Behörden oder Österreichs abgefischt wurden. Der Airbus-Konzern (früher: EADS), der möglicherweise auch Opfer von Spähangriffen war, kündigte bereits an, dass er Strafanzeige gegen unbekannt wegen des Verdachts der Industriespionage stellen wolle.

(qua)
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