Agentenaffäre sorgt parteiübergreifend für Empörung Bundestagsvizepräsidentin: "Das ist ein Angriff auf das Parlament"

Berlin · Der Fall des mutmaßlichen Doppelagenten beim Bundesnachrichtendienst (BND) sorgt in Berlin weiter für Empörung. Quer durch alle Parteien verlangten Politiker Aufklärung und warnten in den Samstagsausgaben der Zeitungen vor den negativen Folgen für das transatlantische Verhältnis.

 Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau sieht das Parlament in der Doppelagentenaffäre als angegriffen an.

Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau sieht das Parlament in der Doppelagentenaffäre als angegriffen an.

Foto: dpa, Hannibal Hanschke

Linken-Chef Bernd Riexinger sprach vom "größten Spionageskandal seit der Wiedervereinigung". Die Spionageabwehr funktioniere offenkundig noch nach den Mustern des Kalten Krieges: "Der BND ist auf dem atlantischen Auge blind", sagte Riexinger unserer Redaktion. Damit stelle sich auch die Frage nach der politischen Verantwortung. Linken-Politiker Riexinger: "Alle Finger zeigen auf das Kanzleramt und dessen Chef." Für die Koordination der Geheimdienste ist im letzter Instanz Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) verantwortlich. Nach Auffassung der Linken sollte nun aber auch das Parlament "parteiübergreifend gegen diesen Angriff auf seine Freiheit Stellung beziehen".

Der am Mittwoch festgenommene BND-Mitarbeiter steht nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung", des NDR und WDR im Verdacht, den Untersuchungsausschuss ausspioniert zu haben. Nach Informationen der "Bild"-Zeitung hat der 31-Jährige zwischen 2012 und 2014 insgesamt 218 BND-Geheimdokumente gestohlen und auf einem USB-Stick gespeichert.

Der SPD-Obmann im Untersuchungsausschuss, Christian Flisek, sagte, wenn sich der Verdacht erhärte, handele es sich um einen "Angriff auf das deutsche Parlament". Er unterminiere alle Bemühungen, das verloren gegangene Vertrauen zwischen Deutschland und den USA wieder aufzubauen, sagte er NDR Info. Der Grünen-Obmann im Ausschuss, Konstantin von Notz, sprach in den "Ruhr Nachrichten" von einem "ungeheuerlichen Vorgang". Es könne nicht hingenommen werden, "wenn der NSA-Ausschuss, der die Ausforschung von Millionen Deutschen aufklären soll, selbst ausgeforscht wird".

"Angriff auf das Parlament"

Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke) sprach ebenfalls von einem "Angriff auf das Parlament". Die Bundesregierung agiere hilflos, sagte sie dem "Kölner Stadt-Anzeiger". "Ich erwarte, dass hier mal ernsthaft über Konsequenzen geredet wird und der Generalbundesanwalt den NSA-Komplex übernimmt", sagte Pau. Auch müsse die Bundesregierung mit dem Untersuchungsausschuss mehr kooperieren.

"Der Vorgang muss jetzt lückenlos aufgeklärt werden", sagte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Stephan Mayer (CSU), der "Bild"-Zeitung. "Wenn es sich bewahrheiten sollte, dass der BND-Mitarbeiter jahrelang als Doppelagent von der amerikanischen Botschaft aus gesteuert wurde, ist das ein riesiger Vertrauensbruch im transatlantischen Verhältnis. In einer ohnehin fragilen Situation würde dieser Spionagefall eine weitere Belastungsprobe für das deutsch-amerikanische Verhältnis darstellen."

Die Affäre um das massenhafte Ausspähen der Kommunikation unbescholtener Bürger durch den US-Geheimdienst NSA überschattet die Beziehungen zu Washington seit mehr als einem Jahr. Im März dieses Jahres hatte der NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages seine Arbeit aufgenommen. Er soll nicht nur die Rolle des NSA, sondern auch des BND in der Affäre klären.

Der CSU-Außenexperte Hans-Peter Uhl bezeichnete den Vorgang als "schwerwiegend". Der Austausch von Informationen zwischen befreundeten Nachrichtendiensten sei üblich. "Er erfolgt aber auf kooperative und nicht auf kriminelle Art und Weise", sagte er der "Bild"-Zeitung.

Der ehemalige BND-Präsident Hans-Georg Wieck verwies darauf, dass der "BND ein Instrument der Bundesregierung" sei. "Und die Bundesregierung ist keine Vasallenregierung der USA oder eines anderen Staates", sagte er der "Mitteldeutschen Zeitung". "Deshalb ist ein solcher Vertrauensbruch Landesverrat."

(DEU)
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