Wahl zum Ministerpräsidenten Ein einziges Ja würde Ramelow reichen

Die Verfassung in Thüringen lässt Politik und Rechtsexperten streiten: Ein Gutachten geht davon aus, dass Rot-Rot-Grün und Bodo Ramelow (Linke) im dritten Wahlgang schon eine einzige Ja-Stimme reichen würde, um Ministerpräsident zu werden - selbst gegen 90 Nein-Stimmen. Die Union spricht von Taschenspielertricks.

Bodo Ramelow – Wessi, top-seriös und Hundefreund
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Foto: dpa, mic pzi

Die Diskussion über die Interpretation der Verfassung geht weit über akademische Spitzfindigkeiten hinaus. In Thüringen geht es um nicht weniger als die Macht. Rot-Rot-Grün hat dort nur eine Stimme Mehrheit. Nimmt man das am Dienstag vorgestellte Gutachten zur Grundlage, scheint die Wahl des ersten linken Ministerpräsidenten dennoch gesichert - spätestens im dritten Anlauf.

Nach der Expertise (PDF) des Düsseldorfer Verfassungsrechtlers Martin Morlok würde dem Linkspolitiker Bodo Ramelow bei einer Wahl ohne Gegenkandidaten in der dritten Abstimmung eine einzige Ja-Stimme reichen. Das sei die Konsequenz aus dem Passus der Thüringer Verfassung zur Wahl des Ministerpräsidenten, sagte Morlok am Dienstag in Erfurt. Das Gutachten hatte er im Auftrag von Landesjustizminister Holger Poppenhäger (SPD) vorgelegt. Landtagspräsident Christian Carius (CDU) kündigte umgehend ein Gegengutachten an.

Ramelow soll am 5. Dezember zum ersten linken Ministerpräsidenten in Deutschland gewählt werden. Angesichts der knappen Mehrheit von einer Stimme für Rot-Rot-Grün gibt es unterschiedliche Rechtsauffassungen zum dritten Wahlgang. Laut Verfassung ist gewählt, wer die meisten Stimmen erhält. Dieser Passus wird von der CDU und den Koalitionsfraktionen unterschiedlich interpretiert.

"Es zählen nur die Ja-Stimmen", sagte der Verfassungsrechtler Morlok. Dabei sei unerheblich, wenn der Kandidat mehr Nein- als Ja-Stimmen bekomme. Der Gutachter bezog sich dabei auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 2008 zu den Regelungen im sogenannten "Meiststimmenverfahren".

Landtagspräsident Carius kündigte an, er werde ein "unabhängiges Gutachten von einem erfahrenen Parlamentsrechtler einholen". Es sei ihm wichtig, dass nach der Wahl "keine Zweifel an der demokratischen Legitimation des neuen Regierungschefs entstehen".

Die CDU, die bei einem Erfolg von Rot-Rot-Grün erstmals seit der Wiedervereinigung in Thüringen in die Opposition müsste, wies das Morlok-Gutachten zurück. Ein Kandidat, den die Mehrheit der Abgeordneten im Landtag ablehne, könne nicht Ministerpräsident sein, erklärte CDU-Generalsekretär Mario Voigt.

CDU-Generalsekretär Voigt sprach von juristischen Spitzfindigkeiten und Taschenspielertricks. "Es ist ein abenteuerliches Demokratieverständnis, wenn ein Kandidat mit möglicherweise einer einzigen Stimme gegen 90 Nein-Stimmen gewählt sein sollte."

Offen ist bisher, ob CDU-Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht gegen Ramelow antritt, wenn der in den ersten beiden Wahlgängen nicht die nötigen 46 von 91 Stimmen erhält. Ramelow hat die CDU bereits aufgefordert, mit einem Gegenkandidaten für klare Fronten bei der Ministerpräsidentenwahl zu sorgen.

(dpa)
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