Versuchter Anschlag auf Hauptbahnhof war kein Zufall Bonn ist die Hauptstadt der Islamisten

Düsseldorf · In keiner anderen deutschen Stadt leben so viele Salafisten wie in Bonn. Die Bombenleger stammen vermutlich auch aus dieser Szene. Dass der Hauptbahnhof von Bonn jüngst als Anschlagsziel ausgewählt worden ist, sei kein Zufall, da ist ist sich die Polizei sicher.

Bombenfund in Bonn - der brisante Tascheninhalt
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Diesmal geht alles ganz schnell, beinahe routiniert. In Windeseile sperren die Polizisten den Bahnhofsvorplatz mit weiß-rotem Flatterband ab, die Treppen zu den U-Bahnsteigen werden blockiert. Die Reisenden müssen das Gelände schleunigst verlassen, die Beamten riegeln die Straßen um den Platz ab, den die Einwohner wegen seiner Architektur schlicht als "Bonner Loch" bezeichnen.

Panik bricht nicht aus, die Bonner kennen die Polizeimaßnahmen nur zu gut. Genau eine Woche nach dem gescheiterten Bombenanschlag am Bonner Hauptbahnhof hat gestern fast an gleicher Stelle ein herrenloser Koffer neue Unruhe ausgelöst. Doch anders als vor sieben Tagen stellt es sich als ein Fehlalarm heraus. Der Fall zeigt, wie angespannt die Sicherheitslage in der ehemaligen Bundeshauptstadt seitdem ist.

Mutmaßlichen Terroristen hatten Verbindung in die Szene

Die beschauliche Großstadt am Rhein mit ihren knapp 330 000 Einwohnern hat sich seit dem Wegzug der Bundesregierung nach Berlin zu einer Brutstätte des Islamismus entwickelt. In keiner anderen deutschen Stadt sollen mehr Extremisten muslimischen Glaubens wohnen. Die Sicherheitsbehörden führen eine Liste mit rund 170 dort gemeldeten Männern, von denen eine potenzielle Gefährdung ausgeht, gut 20 von ihnen gehören zu den radikalsten Salafisten bundesweit.

Darum sei es auch kein Zufall gewesen, meint Arnold Plickert, Landeschef der Gewerkschaft der Polizei, dass Bonn als Anschlagsziel ausgewählt worden ist. Die mutmaßlichen Terroristen, die am Gleis 1 die blaue Sporttasche mit dem Sprengsatz abstellten, der nur wegen eines Konstruktionsfehlers nicht detonierte, sollen Verbindungen in die dortige radikale Szene haben. Die Fahndungsplakate nach ihnen hängen in der ganzen Stadt aus. Sie zeigen das Phantombild eines dunkelhäutigen, etwa 1,90 Meter großen Mannes, das anhand von Zeugenaussagen entstanden ist.

Zwei Männer im Visier der Terrorfahnder

Ermittler wollen auf der Skizze Abdirazak B. erkannt haben, einen Deutsch-Somalier, der früher in Bonn wohnte und vom Verfassungsschutz beobachtet wurde, dann aber in der somalischen Hauptstadt Mogadischu untertauchte. Nach wie vor soll er intensive Kontakte zu der Bonner Islamisten-Gruppe "Deutscher Shabaab" halten, einem Ableger der militanten somalischen Gruppierung Al-Shabaab, arabisch für "die Jugend". Diese Islamisten gelten als ostafrikanischer Arm des Terrornetzwerks Al Qaida. Sie rufen zum weltweiten Dschihad auf, einem fanatischen Feldzug gegen alle Ungläubigen und alles Unrechte.

Im Visier der Terrorfahnder des Bundeskriminalamtes (BKA) soll neben Abdirazak B. zudem der Bonner Konvertit Andreas M. stehen, der auch verdächtigt wird, Drahtzieher eines Bombenanschlags auf eine Kirche in Nairobi zu sein, bei dem im April dieses Jahres zwei Menschen getötet und 15 verletzt wurden. Der 40-Jährige könnte Sicherheitskreisen zufolge der Mann aus dem Überwachungsvideo des Schnellrestaurants am Bonner Hauptbahnhof sein. Die Sequenz, die eine Stunde vor dem Bombenfund aufgenommen wurde, zeigt einen hellhäutigen Mann mit auffälligem Kinnbart, der eine blaue Sporttasche trägt und M. sehr ähnelt.

Die Ermittler prüfen auch, ob der missglückte Anschlag möglicherweise im Zusammenhang mit den Ausschreitungen einer Demonstration vor der Bonner König-Fahd-Akademie im Frühjahr dieses Jahres stehen könnte. Der 26 Jahre alte Salafist Murat K. hatte dabei zwei Polizisten mit einem Messer angegriffen und schwer verletzt. Dafür wurde er im Oktober vor dem Bonner Landgericht zu sechs Jahren Haft verurteilt. Anschließend soll er in die Türkei ausgewiesen werden. Gegen das Urteil legte K. Berufung ein. Die Polizei nimmt an, dass die gesuchten Männer K. kennen. Die König-Fahd-Akademie, die im Bonner Stadtteil Bad Godesberg steht, wird offiziell nicht mehr vom Verfassungsschutz beobachtet. Ein Lehrer der Einrichtung soll vor Jahren zum "Heiligen Krieg" aufgerufen haben — die Polizei konnte diesen Vorwurf allerdings nie erhärten.

(das/ac)
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