Hessens Ministerpräsident im Interview Bouffier will Stempel-Steuer für Europa

Hessens Ministerpräsident, der stellvertretende CDU-Vorsitzende Volker Bouffier, spricht im Interrview mit unserer Redaktion über den anhaltenden Erfolg der Piratenpartei, die strategischen Machtoptionen seiner Partei für 2013 und warum die Grünen die Partei der Besserverdienenden sind. Und dann ist da noch die Sache mit der Stempelsteuer.

Volker Bouffier - der schwarze Sheriff
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In Frankfurt hat der SPD-Kandidat nach 17 Jahren die CDU-Herrschaft beendet. Wird Hessen wieder rot?

Bouffier Man darf das nicht überhöhen, zumal zwei Drittel der Wahlberechtigten nicht zur Wahl gegangen sind. Außerdem ist die Entscheidung bei einer Oberbürgermeisterwahl auch immer eine Personalentscheidung. Das Thema Fluglärm hat sicher eine große Rolle gespielt, und das Ergebnis ist natürlich enttäuschend für uns. Aber in Hessen muss bei jeder Wahl neu gekämpft werden. Hessen ist eben ein spannendes, buntes und vielfältiges Land mit wechselnden Mehrheiten. In der Landesregierung arbeiten wir mit der FDP weiter gut zusammen.

Im Bund ist das anders. Dort schwächelt die FDP. Braucht die CDU 2013 einen neuen Partner?

Bouffier Für die CDU gilt: Wir müssen so stark werden, wie es irgendwie geht. Der Bundestagswahlkampf sollte ein Wahlkampf für die CDU, nicht für eine Koalition werden. Unser Ziel ist es, dass die CDU stärkste Partei wird und eine Regierungsbildung gegen sie nicht möglich ist. Wenn es dann für Schwarz-Gelb reicht, sollten wir die Koalition fortsetzen.

Eignen sich die Grünen strategisch als Machtoption für die CDU?

Bouffier Herr Trittin hat uns ja mitgeteilt, dass mit der Union nichts geht. Dem ist nichts hinzuzufügen. Die Grünen müssen erst einmal zeigen, dass sie aus der Gefangenschaft der SPD herauswollen. Und sie wissen ja noch gar nicht, wer die Partei überhaupt führen soll. Also wollen wir das mal abwarten.

Wie sehr überschneidet sich die schwarz-grüne Wählerklientel in Ihrer Heimat? Haben Sie Freunde, die Grün wählen?

Bouffier Natürlich kenne ich Grünen-Wähler.

Sind das frühere CDU-Wähler?

Bouffier Es gibt sicher Überschneidungen bei den Interessen der Grünen- und der CDU-Wähler, aber weniger beim Wahlverhalten. Auffallend ist bei den Wähleranalysen, dass besonders gut verdienende Menschen die Grünen wählen. Diese haben wiederum auch oft konservative Interessen und Werte. Die Dinge sind in Bewegung. Es gibt kaum noch Gruppen, die sich fest einer Partei zuordnen lassen.

Glauben Sie an ein Comeback der FDP im Bund?

Bouffier Die Liberalen werden sicher auch im nächsten Bundestag vertreten sein. Eine liberale Partei wird in diesem Land gebraucht.

Hat das negative Image der schwarz-gelben Koalition im Bund nicht das Ansehen eines Bündnisses von Union und FDP nachhaltig zerstört?

Bouffier Es gab große Herausforderungen in den vergangenen zweieinhalb Jahren, die zur Verunsicherung der Wähler beigetragen haben: Euro-Krise, Aussetzen der Wehrpflicht, Energiewende — da ist viel passiert. Und die Koalition im Bund hat sicher nicht immer die beste Figur gemacht. Die FDP hat anfangs in der Regierung zunächst die Oppositionsrolle nicht ablegen können. Der Stil dieser Koalition hat sicher auch bürgerliche Wähler verschreckt. Aber ich habe das Gefühl, dass es besser wird.

Die Koalition hält also bis 2013?

Bouffier Davon gehe ich fest aus.

Nun will die Kanzlerin mit SPD und Grünen über die Zustimmung zum Fiskalpakt verhandeln. Eine Börsenumsatzsteuer nach britischem Vorbild wird diskutiert. Machen Sie als Regierungschef des Landes, in dem der Finanzplatz Frankfurt liegt, mit?

Bouffier Die Beteiligung der Finanzwirtschaft an den Kosten der Schuldenkrise halte ich für richtig. Für das Land Hessen und den Finanzplatz Frankfurt ist aber wichtig, dass keine Steuer eingeführt wird, die nur im Festland-Europa gilt und den Finanzplatz London außen vor lässt. Dann verliert Deutschland doppelt, weil Umsätze der Finanzwirtschaft nach London abwandern und auch noch die Steuereinnahmen sinken. Wir würden auch damit unserem Land insgesamt schaden.

Ist eine erweiterte britische Stempel-Steuer für Sie vorstellbar?

Bouffier Wenn eine Stempel-Steuer nach britischem Vorbild europaweit eingeführt werden sollte, wäre das für uns eine tragfähige Lösung. Wichtig ist, dass es keinen nationalen Alleingang gibt, der uns am Ende einseitig trifft. Ohne den Finanzplatz London ist eine Beteiligung der Finanzmärkte unvorstellbar.

Im Bund wird gerade über das Betreuungsgeld gestritten. Was halten Sie davon?

Bouffier Wir haben uns in der Koalitionsvereinbarung im Bund für die Einführung eines Betreuungsgeldes ausgesprochen, dabei muss es dann auch bleiben. Aus Hessen wird es keinen Widerstand geben.

Mit den beiden übrigen Geberländern Baden-Württemberg und Bayern fordern Sie eine Reform des Länderfinanzausgleichs. Werden Sie notfalls gegen die Regelungen klagen?

Bouffier Zunächst einmal werden wir mit den Nehmerländern in konstruktive Verhandlungen eintreten. So, wie es ist, kann es nicht bleiben. Dass noch drei Länder alle anderen finanzieren, war sicher nicht der Grundgedanke der Autoren des Grundgesetzes. Alleine Berlin erhält über die Hälfte des Aufkommens aus dem Finanzausgleich. Es kann nicht sein, dass der, der sich anstrengt, auch noch bestraft wird. Der amerikanische Präsident Wilson hat einmal gesagt: "Ihr werdet die Schwachen nicht stärken, in dem ihr die Starken schwächt." Auch einige Nehmerländer haben kein Interesse an den fehlenden Anreizen im System. Deswegen werden wir eine Reform des Länderfinanzausgleichs bei der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz im Juni thematisieren. Wenn die übrigen Länder über eine Reform nicht reden wollen, bleibt uns nur der Klageweg.

In NRW liegt Rot-Grün deutlich vorne. Was würde eine Niederlage von CDU/FDP für den Bund bedeuten?

Bouffier Nichts. An den Mehrheiten im Bundesrat würde sich nichts ändern. Und die christlich-liberale Koalition im Bund würde das nicht auseinanderbrechen lassen. Außerdem gehe ich fest davon aus, dass Norbert Röttgen Ministerpräsident in NRW wird. Es ist noch genug Zeit bis zur Wahl.

Die Piraten liegen bei zwölf Prozent. Wie muss die CDU darauf reagieren?

Bouffier Wir müssen diese Partei ernst nehmen. Die Piraten vereinen ein Stück Zeitgeist mit Protest, ohne dass sie sich inhaltlich zuordnen lassen. Was sie allerdings programmatisch vorantreiben, ist eine aus ihrer Sicht radikale Form von Transparenz. An dieser Stelle müssen sich alle etablierten Parteien bewegen, damit sie politische Entscheidungen transparenter darstellen. Das heißt: Warum mache ich was, und was bedeutet das für den Bürger?

Michael Bröcker führte das Gespräch.

(RP/csi/jh-)
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