Ehe für alle Braucht ein Kind Mama und Papa?

Berlin · Für das Wohlergehen der Kinder macht es keinen Unterschied, ob sie von gleichgeschlechtlichen Paaren oder einem Mann und einer Frau betreut werden. Es kommt auf die Qualität der Beziehung an.

 Vater, Kind, Vater: "Eine Öffnung der Ehe für homosexuelle Paare würde auch das volle Adoptionsrecht nach sich ziehen."

Vater, Kind, Vater: "Eine Öffnung der Ehe für homosexuelle Paare würde auch das volle Adoptionsrecht nach sich ziehen."

Foto: dpa, jka sne

Das Umdenken in der Frage, ob homosexuelle Paare Kinder adoptieren dürfen, hat bei Bundeskanzlerin Angela Merkel im Gespräch mit einer lesbischen Frau eingesetzt. Die Frau und ihre Lebenspartnerin hätten acht Pflegekinder. Wenn das Jugendamt dem Paar Kinder anvertraut, warum sollen die Frauen nicht auch Kinder adoptieren können? Diese Frage stellte sich Merkel, wie sie am Montagabend bei der Talk-Runde der Zeitschrift "Brigitte" berichtete.

Volles Adoptionsrecht

Seitdem sind im politischen Berlin die Dämme für die sogenannte Ehe für alle gebrochen. Eine Öffnung der Ehe für homosexuelle Paare würde auch das volle Adoptionsrecht nach sich ziehen. Eine Mehrheit der Bevölkerung befürwortet das. Dennoch stellen viele die Frage, was das für Kinder in einer solchen Beziehung bedeutet. Brauchen sie Mama und Papa? Oder können auch Mama und Mama beziehungsweise Papa und Papa alles bieten, was für einen geglückten Start ins Leben notwendig ist?

"Es ist seit Jahren eine Selbstverständlichkeit, dass Pflegekinder auch gleichgeschlechtlichen Paaren anvertraut werden", sagt Birgit Zeller, Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter: Für das Wohlergehen der Kinder mache es keinen Unterschied, ob sie von gleichgeschlechtlichen Paaren oder einem Mann und einer Frau betreut werden. "Es kommt immer auf die Qualität der Beziehung an."

Die Zahl der Kinder, die in Deutschland in einem Haushalt groß werden, der von einem gleichgeschlechtlichen Paar geführt wird, ist nicht sehr groß. Nach Schätzungen sind es zwischen 7000 und 10.000 Minderjährige.

Nicht besser, nicht schlechter

Was Merkel und auch viele Bürger überraschte, ist in den Kommunen überall im Land seit Jahren Realität. Die Jugendämter suchen für ihre Pflegekinder auch gleichgeschlechtliche Paare aus. "Unser Ansatz ist es, den Kindern die richtige Familie zu geben, und nicht, dass sich Bewerber Kinder aussuchen", sagt Beate Fischer-Glembek, stellvertretende Leiterin der Gemeinsamen Zentralen Adoptionsstelle Rheinland-Pfalz und Hessen. Gleichgeschlechtliche Paare würden weder bevorzugt noch benachteiligt, betont sie.

Es gibt erstaunlich wenige wissenschaftliche Untersuchungen zu der Frage, wie sich Kinder in gleichgeschlechtlichen Beziehungen entwickeln. Eine Studie des Bundesjustizministeriums, die bereits 2009 erschien, kommt zu dem überraschenden Ergebnis: "Signifikante Unterschiede fanden sich dahingehend, dass Kinder und Jugendliche aus Lebenspartnerschaften über ein höheres Selbstwertgefühl und über mehr Autonomie in der Beziehung zu beiden Elternteilen berichteten als Gleichaltrige in anderen Familienformen."

In einer Studie aus dem Jahr 2013 kommt Andy Jesperen von der Universität Siegen zu dem Ergebnis, dass gleichgeschlechtliche Paare keine besseren Eltern seien, "aber schlechter sind sie eben auch nicht". Dass Homosexualität nicht eine Frage der Sozialisation ist, belegt auch seine Arbeit. Die Kinder aus gleichgeschlechtlichen Beziehungen seien genauso selten homo- oder bisexuell wie Menschen in anderen Familienformen. Jesperen zitiert zudem frühere Studien, wonach Jungen aus Familien mit zwei gleichgeschlechtlichen Elternteilen weniger aggressive Verhaltensmuster zeigten. Mädchen hingegen reagierten sensibler und kritischer gegenüber Diskriminierungen von Frauen.

Ein besonders positives Bild von gleichgeschlechtlichen Elternpaaren zeichnet die Koblenzer Psychologin Melanie Steffens: "In Bezug auf ihre Fähigkeiten als Eltern schneiden sowohl lesbische als auch schwule Paare besonders gut ab." Lesben und Schwule könnten Kindern wunderbare Familien bieten, sagt sie. Steffens verweist auf Studien, die den Kindern eine "gelungene emotionale, soziale und sexuelle Entwicklung" attestieren.

Kampfentscheidung am Freitag

Während in Berlin in diesen Tagen erhitzt über die Ehe für alle debattiert wird und am Freitag im Bundestag eine Kampfentscheidung ansteht, ist die Realität der Politik bereits davongeeilt. "Gleichgeschlechtliche Beziehungen für Pflege- und Adoptivkinder sind heute schon Realität", betont Fischer-Glembek. Durch die Sukzessivadoption, also die Möglichkeit, dass erst der eine und dann der andere Partner jeweils das Kind adoptiert, könnten gleichgeschlechtliche Paare auch Kinder adoptieren. "Die Gerichte lassen es zu, dass dies im Sekundentakt geschieht. Das heißt, die Gesetzgebung, die keine gemeinsame Adoption vorsieht, hinkt der Realität hinterher."

Die Mehrheit der Kinder in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften stammt allerdings aus einer früheren heterosexuellen Beziehung (44 Prozent), wie eine Studie des bayerischen Staatsinstituts für Familienforschung zeigt. Oder sie wurden in der aktuellen Beziehung geboren (48 Prozent). In Großstädten wie Berlin kommt es häufig zu Abmachungen unter Homosexuellen oder auch zwischen Homo- und Heterosexuellen, Kinder miteinander zu zeugen, ohne eine sexuelle Beziehung zu führen. Weitere sechs Prozent der Kinder sind Pflegekinder, wovon ein Drittel bei Männer-Paaren lebt. Adoptiert wurden nun zwei Prozent der Kinder in gleichgeschlechtlichen Beziehungen. Davon sind drei Viertel Auslandsadoptionen.

Kinder, die bei gleichgeschlechtlichen Paaren aufwachsen, sind eine Ausnahme und werden es wohl auch bleiben. Es lassen sich aber keine Belege dafür finden, dass die Kinder einen Nachteil in ihrer Entwicklung hätten, nur weil sich zwei Mütter oder zwei Väter um sie kümmern. Aus den eher spärlichen Studien lässt sich herauslesen, dass es vor allem darauf ankommt, eine stabile Beziehung zwischen Kind und Eltern zu schaffen — und weniger auf das Geschlecht der Eltern.

(qua)
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