FDP-Neujahrsempfang in Düsseldorf Brüderle schweigt zu den Vorwürfen
Düsseldorf · Die Debatte um die Sexismus-Vorwürfe gegen Rainer Brüderle hat dem FDP-Neujahrsempfang in Düsseldorf großen Zulauf beschert. In seiner Rede ging Brüderle nicht auf den Vorgang ein. Rückendeckung gab es von Christian Lindner. "Brüderle ist unser Freund, hinter dem wir stehen", sagte der Landeschef.
Der Andrang ist immens. 1400 Gäste sind an diesem Sonntag nach Düsseldorf gekommen. Im vergangenen Jahr waren 975 Interessierte angemeldet. Mit über 60 Journalisten hätten sich für den politischen Jahresauftakt des größten FDP-Landesverbands etwa doppelt so viele Medienvertreter angemeldet wie sonst, sagte ein Parteisprecher.
Landeschef Christian Lindner nutzte seine Ansprache, um Brüderle Rückendeckung zu geben. "Brüderle ist unser Spitzenmann und unser Freund, hinter dem wir stehen", sagte Lindner während seiner Rede.
Auch Außenminister Guido Westerwelle ging auf die Causa Brüderle ein. "Wenn man an der Spitze der FDP steht, gibt es beim politischen Gegner und in den Redaktionsstuben kein Pardon mehr", sagte Westerwelle. Und weiter: "Wir dürfen Zerrbilder nicht durchgehen lassen!" Dies werde ein harter Wahlkampf und es werde nicht das letzte Mal sein, dass politische Gegner und andere "ganz tief in den Schlamm greifen". Brüderle selbst ging in seiner Rede nicht auf die Vorwürfe ein.
Nach den Reden bekräftigte Lindner im Gespräch mit Journalisten seine Position. Die persönliche Integrität Rainer Brüderles stehe für ihn außer Frage. Mit Wohlwollen habe er zudem registriert, dass Politiker der SPD den Vorgang sehr zurückhaltend kommentiert hätten.
SPD-Politiker Sebastian Edathy hatte beispielsweise moniert, die Journalistin hätte sich früher melden können. "Es zeugt für mich von einem merkwürdigen Berufsverständnis, als Journalistin um Mitternacht an einer Hotelbar ein offizielles Gespräch mit einem Politiker führen zu wollen", sagte Edathy der "taz". Auch Frank-Walter Steinmeier hatte sich zurückhaltend geäußert: "Wenn ihm Unrecht geschieht, tut er mir leid. Ob das der Fall ist, weiß er nur selbst", sagte der ehemalige SPD-Kanzlerkandidat.
"Sie können ein Dirndl auch ausfüllen"
Rückblick: Die "Stern"-Journalistin Laura Himmelreich hatte in einem Artikel eine Situation vor gut einem Jahr beschrieben, bei der Brüderle auf ihre Brüste geschaut und gesagt haben soll: "Sie können ein Dirndl auch ausfüllen." Zudem soll er ihre Hand genommen, diese geküsst und gesagt haben: "Politiker verfallen doch alle Journalistinnen."
Seit der Veröffentlichung gab es zwischen der Journalistin und dem FDP-Politiker nach Auskunft einer "Stern"-Sprecherin keinen Kontakt. Es habe auch keine Entschuldigung gegeben.
Genau diese erwartet offenbar eine Mehrheit der Deutschen, sollten die Vorwürfe zutreffen. Nach einer Emnid-Umfrage für "Bild am Sonntag" unter 500 Bundesbürgern finden 90 Prozent, dass Brüderle die "Stern"-Journalistin um Verzeihung bitten sollte, wenn die von ihr erhobenen Vorwürfe stimmten. Nur sechs Prozent der Befragten halten eine Entschuldigung für nicht notwendig. 45 Prozent der Befragten halten, falls die Vorwürfe stimmen, sogar einen Rücktritt Brüderles vom Amt des Fraktionsvorsitzenden für angemessen.
Der Bericht hatte in den vergangenen Tagen eine große Debatte ausgelöst — im politischen Berlin und in den sozialen Netzwerken im Internet. Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Manuela Schwesig beklagt einen "alltäglichen Sexismus" in der deutschen Gesellschaft. Dieser sei in all seinen Facetten völlig inakzeptabel, sagte Schwesig der Zeitung "Welt am Sonntag".
Rückendeckung aus der Union
Schwesig, die auch Sozialministerin von Mecklenburg-Vorpommern ist, bezeichnete es als "nicht hinnehmbar", dass Frauen, "die von solchen sexistischen Übergriffen berichten, nachträglich zu Täterinnen gemacht werden". Vor allem FDP-Politiker hatten der Journalistin und dem Magazin eine Kampagne gegen Brüderle unterstellt.
Die Grünen-Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl 2013, Göring-Eckardt, nannte die Debatte "längst überfällig". Sie führe hoffentlich dazu, "dass Sexismus in Zukunft klarer benannt und nicht toleriert wird. Und die Frauen darin bestärkt, sich nichts gefallen zu lassen", sagte Göring-Eckardt der "Welt am Sonntag"
CSU-Familienpolitiker Geis verteidigte Brüderle gegen Kritik: "Was Rainer Brüderle gesagt hat, darf man nicht unter Sexismus einordnen", sagte Geis der "Welt am Sonntag". Man wisse, "dass er zu saloppen Bemerkungen neigt". Geis räumte auch ein: "In diesem Fall war sie vielleicht unpassend." Es sei schwer zu definieren, wo Sexismus beginne. "Wir müssen immer darauf achten, dass wir den Anstand wahren", sagte der CSU-Bundestagsabgeordnete weiter.