Vorstandssitzung am kommenden Dienstag Bundesbankchef will Sarrazin angeblich entmachten

München (RPO). Die Debatte um Bundesbank-Vorstandsmitglied Thilo Sarrazin kommt nicht zur Ruhe. Nun will Bundesbankchef Axel Weber Sarrazin angeblich wesentliche Kompetenzen entziehen. Eine Vorlage für die Sitzung des Bundesbankvorstandes am Dienstag sieht Medienberichten zufolge den Entzug vor.

 Bundesbankpräsident Axel Weber hat Vorstandsmitglied Thilo Sarrazin wohl auf seiner Abschussliste.

Bundesbankpräsident Axel Weber hat Vorstandsmitglied Thilo Sarrazin wohl auf seiner Abschussliste.

Foto: AP, AP

Da die Bundesbank Thilo Sarrazin nicht loswerden kann, sollen ihm nun Kompetenzen entzogen werden. Nach "Spiegel"-Informationen haben rechtliche Prüfungen ergeben, dass Sarrazin nicht wegen seiner Äußerungen abberufen werden kann. Laut "Focus" will ihm Bundesbankchef Axel Weber die Zuständigkeit für Bargeldumlauf und Risiko-Controlling entziehen, so dass ihm nur noch der Bereich Informationstechnologie bliebe.

Die Bundesbank wollte die Berichte auf Anfrage nicht kommentieren. Das Nachrichten magazin "Focus" bezieht sich auf eine Vorlage für eine Sitzung des Bundesbankvorstandes am kommenden Dienstag. Das vertrauliche Schreiben sei den Bundesbankvorständen am vergangenen Dienstag zugegangen.

Der "Spiegel" berichtete, verschiedene rechtliche Prüfungen innerhalb des Instituts hätten ergeben, dass die Bundesbank keine Möglichkeit habe, Sarrazin wegen dessen diskriminierender Äußerungen loszuwerden. Zwar könne das Führungsgremium prinzipiell beim Bundespräsidenten die Abberufung eines Vorstandsmitglieds beantragen, die Hürden für diesen Schritt seien aber hoch. So müsse das Vergehen so schwer sein, dass es bei einem Beamten "die Entfernung aus dem Dienst im Disziplinarverfahren" rechtfertige. Der Verhaltenskodex, den sich die Bundesbank nach der Affäre um ihren Ex-Chef Ernst Welteke auferlegt hat, sei dagegen nicht sanktionsbewährt und folglich ohne rechtliche Konsequenzen.

Zentralrat empfiehlt Integrationskurs

Sarrazin, der bereits als Berliner Finanzsenator mit provokanten Äußerungen polarisiert hatte, sorgte zuletzt mit Aussagen in einem Interview der Zeitschrift "Lettre International" für Empörung. Vor allem zwei Sätze werden kritisiert: "Die Türken erobern Deutschland genauso, wie die Kosovaren das Kosovo erobert haben: durch eine höhere Geburtenrate." Und: "Ich muss niemanden anerkennen, der vom Staat lebt, diesen Staat ablehnt, für die Ausbildung seiner Kinder nicht vernünftig sorgt und ständig neue kleine Kopftuchmädchen produziert."

Die Berliner Staatsanwaltschaft prüft deshalb, ob ein Anfangsverdacht der Volksverhetzung vorliegt. Der Zentralrat der Juden in Deutschland wirft Sarrazin geistige Nähe zu den Nazis vor. Sarrazin selbst lehnt einen vielfach geforderten Rücktritt als Bundesbankvorstand ab. Indirekt hatte ihm das auch Bundesbankpräsident Weber nahe gelegt. Medienberichten zufolge hatte Weber offenbar vergeblich versucht, Sarrazin von der Veröffentlichung seiner umstrittenen Interviewäußerungen abzubringen.

Der Zentralrat der Muslime empfahl Sarrazin einen Integrationskurs: "Interkulturelle Kompetenz ist auch für seinen Job eine Schlüsselkompetenz", sagte Generalsekretär Aiman Mazyek dem "Tagesspiegel am Sonntag". "Ein Integrationskurs würde ihm gut zu Gesicht stehen." Mazyek äußerte die Vermutung, dass "Herr Sarrazin versucht, mit seinen Ausfällen davon abzulenken, dass es seine Bankenbranche war, die die Welt in eine Finanzkrise gestürzt hat. Wenn unsere Führungsschicht so aussieht, dann gute Nacht, Deutschland."

(AP/jre)
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