Überblick Das Kabinett der großen Koalition
Angela Merkel (60, CDU); Bundeskanzlerin
Pflicht Für die Kanzlerin war 2014 ein Jahr der Außenpolitik. In Europa war man heilfroh, eine Regierungschefin zu haben, die mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin reden kann. Der Ukraine-Konflikt nahm bei allen Aufgaben und Pflichten den größten Teil ihrer Arbeitszeit ein. Um die Innenpolitik kümmerte sich die Kanzlerin eigentlich nur, wenn es Konflikte gab, zum Beispiel bei der Energiewende, der Maut und der Frauenquote. In der Wirtschaftspolitik klafft bei ihr eine Lücke zwischen Theorie (Freiheit, Fortschritt, Marktwirtschaft) und Praxis (Rentenpaket und Mindestlohn).
Kür Merkel feierte im ausklingenden Jahr ihren 60. Geburtstag. Die vielen Porträts über sie beschrieben zu Recht eine Regierungschefin im Zenit ihrer Macht. Allerdings ist seitdem nicht erkennbar, dass diese Phase ein Ende hätte. Mehr als drei Viertel der Bürger im Land sind der Meinung, dass die Kanzlerin ihre Aufgaben gut erfüllt. Sogar 70 Prozent der SPD-Wähler bewerten ihre Arbeit positiv. Beim CDU-Parteitag wurde sie mit fast 97 Prozent im Amt der Parteichefin bestätigt.
Ursula von der Leyen (56, CDU); Verteidigung
Sie galt schon als die große Verliererin. Sie sollte in das Gesundheitsministerium geschoben werden, hieß es. Jetzt ist es die Verteidigung geworden, ein Amt das höchste Weihen ermöglicht, wenn man denn seine extremen Herausforderungen meistert. Das internationale Parkett lockte sie. Im neuen Amt werde sie wieder Feuer fangen, hieß es aus ihrem Umfeld. Mit dem neuen Posten erhält von der Leyen ganz nebenbei ihre Chancen aufrecht, die Kanzlerin doch noch eines Tages zu beerben
Peter Altmaier (CDU)
Der bisherige Umweltminister Peter Altmaier (CDU) ist Nachfolger von Ronald Pofalla als Chef des Kanzleramts und Bundesminister für besondere Aufgaben. Seine kommunikativen Fähigkeiten und seine guten Kontakte zu den Sozialdemokraten sollen ausschlaggebend gewesen sein für die Koordinierungsfunktion im Kanzleramt. Der 55-Jährige hat nach der Entlassung seines Vorgängers Norbert Röttgen 2012 zunächst neuen Schwung in die Energiewende gebracht, konnte aber viele Probleme nicht abräumen. Der kommunikative, selbstironische Saarländer ist für Merkel ein wichtiger Mann. Er ist vernetzt, duckt sich bei heiklen Fragen nicht weg, kennt sich in der Europapolitik bestens aus und spricht viele Sprachen fließend. Schon als Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion bewies er Qualitäten bei der Kompromisssuche.
Hermann Gröhe (CDU)
Der bisherige CDU-Generalsekretär ist jetzt Bundesgesundheitsminister. Zuvor war er auch als Entwicklungshilfeminister gehandelt worden. Der 52-Jährige hat großen Anteil an dem erfolgreichen Bundestagswahlkampf, an dessen Ende 41,5 Prozent für CDU/CSU standen. Gröhe gilt auch beim politischen Gegner als sachlich, freundlich und fair. Er kann Konflikte geräuschlos lösen und Mehrheiten beschaffen. Gröhe war in der Unionsfraktion sieben Jahre lang Sprecher für Menschenrechte und humanitäre Hilfe. Er ist verheiratet und hat vier Kinder.
Thomas de Mazière (CDU)
Der bisherige Verteidigungsminister leitet wieder das Innenministerium. Wegen des gescheiterten Rüstungsprojekts "Euro-Hawk" wurde de Maizière vorgeworfen, sein Ministerium nicht im Griff zu haben. Der aus Bonn stammende und als ruhig und besonnen geltende Politiker wurde in dieser Zeit als nächster Nato-Generalsekretär ins Gespräch gebracht. Er selbst sagt, er wolle das Verteidigungsministerium, das wegen des mächtigen Militärapparats gern als "Schlangengrube" beschrieben wird, weiterführen, auch um Fehler zu beheben. In der großen Koalition von 2005 bis 2009 hatte er sich als Kanzleramtsminister großen Respekt erworben und war bis zur Drohnen-Affäre als möglicher Nachfolger von Merkel gehandelt worden.
Johanna Wanka (CDU)
Die 62-Jährige behält das Bildungsressort, das sie erst 2013 nach dem Rücktritt von Annette Schavan übernahm. Die CDU stuft das Ressort als eines der wichtigsten im Kabinett ein. Mit den Milliardenausgaben für die Forschung kann man mit diesem Haus viele Punkte bei Wissenschaftlern und Studenten machen. Die promovierte Mathematikerin aus Sachsen war viele Jahre Kultusministerin in Brandenburg und Niedersachsen. Sie gilt als konservativ und pragmatisch.
Wolfgang Schäuble (CDU)
Der 71-Jährige ist Merkels Finanzminister. Die Union kann sich keinen besseren vorstellen als den Mann mit der größten Regierungserfahrung von allen - er war schon Innenminister unter Kohl, Unionsfraktionschef und CDU-Chef. 1990 wurde er während einer Wahlkampfveranstaltung niedergeschossen. Seitdem sitzt Schäuble im Rollstuhl. Mehrfach sah es so aus, dass Gesundheitsprobleme seine Laufbahn beenden könnten. Doch er kämpfte sich immer wieder zurück. Er gilt als glühender Europäer, zäh und mitunter mürrisch.
Sigmar Gabriel (SPD)
Der 54-Jährige ehemalige Umweltminister ist nun Vizekanzler sowie Wirtschafts- und Energieminister. 2009 wurde er jüngster Parteichef seit Willy Brandt. Der gelernte Lehrer war zudem mit 40 Jahren in Niedersachsen jüngster deutscher Ministerpräsident (1999-2003). Von 2005 bis 2009 erwarb er sich als Bundesumweltminister Ansehen und Expertise im Bereich erneuerbare Energien. Ein politisches Naturtalent und begabter Redner, der aber auch als launisch gilt. Gabriel kommt aus sogenannten schwierigen Verhältnissen, das hat ihn tief geprägt. Der Vater war überzeugter Nazi, Gabriel musste gegen seinen Willen nach der Trennung der Eltern zeitweise beim Vater leben. Er lebt mit seiner zweiten Frau, einer Zahnärztin, und seiner kleinen Tochter in Goslar.
Frank-Walter Steinmeier (SPD)
Der 57-Jährige ist ein bewährter Außenminister. Er war Kanzleramtschef zu rot-grünen Zeiten, strickte für Gerhard Schröder an der "Agenda 2010" mit. Dann wurde der Jurist geachteter Außenminister (2005 bis 2009). Er ist stets exzellent vorbereitet und gilt als bürgernah und humorvoll. Seitdem der Westfale und Schalke-04-Fan in Brandenburg seinen Wahlkreis hat, ist die Region seine zweite Heimat geworden. Bei der Bundestagswahl gewann er das einzige Direktmandat der SPD im Osten. Steinmeier ist verheiratet mit einer Verwaltungsrichterin, der er eine Niere spendete, beide haben eine Tochter.
Andrea Nahles (SPD)
Die 43 Jahre alte Literaturwissenschaftlerin übernahm das Arbeits- und Sozialministerium. Sie ist seit 2009 SPD-Generalsekretärin. Sie hat erst den Wahlkampf organisiert, dann die Koalitionsverhandlungen, schließlich den Mitgliederentscheid über die große Koalition. Zeit für ihre kleine Tochter Ella Maria und ihren Mann daheim auf einem Hof in der Eifel hat sie zurzeit wenig. "Ich war in meinem ganzen Leben noch nie so zufrieden", sagte sie nach ihrer Elternzeit. Die frühere Juso-Chefin zählt längst nicht mehr zu den Parteilinken. Intern ist sie nicht unumstritten, wurde zuletzt mit schlechtem Ergebnis wiedergewählt. Nahles hat vehement für den Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde gekämpft.
Manuela Schwesig (SPD)
Die 39-Jährige ist das "Gesicht" der ostdeutschen SPD mit einer Blitzkarriere seit ihrem Parteieintritt 2003. Sie ist jetzt Familienministerin. Die gebürtige Brandenburgerin studierte Steuerrecht und folgte ihrem Mann, mit dem sie einen Sohn hat, nach Schwerin. 2002 bis 2008 arbeitete sie dort im Finanzministerium. 2008 übertrug Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) der damals 34-Jährigen Diplom-Finanzwirtin das Sozialressort. Seit 2009 ist sie auch SPD-Vize. Als Ministerin würde Schwesig auch für das von der SPD heftig bekämpfte Betreuungsgeld zuständig sein.
Barbara Hendricks (SPD)
Die 61-Jährige rückt auf zur Umwelt- und Bauministerin. Sie war in ihrer bisherigen politischen Laufbahn vor allem eine Frau der Zahlen. In Düsseldorf arbeitete Hendricks fast zehn Jahre lang als Sprecherin für die SPD-Finanzminister der NRW-Landesregierung. Schon vier Jahre nach ihrer ersten Wahl in den Bundestag wurde sie 1998 Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium. Bis 2007 arbeitete sie auf diesem Posten mit den SPD-Finanzministern Oskar Lafontaine, Hans Eichel und Peers Steinbrück zusammen. Seit Oktober 2007 ist Hendricks, die aus Kleve am Niederrhein stammt, Schatzmeisterin der SPD. Eine Aufgabe, bei der sie als Chefin des Unternehmensbereichs der SPD "viele unternehmerische Entscheidungen treffen" müsse, schreibt Hendricks auf ihrer Homepage. Kontakt zu Umweltpolitik hatte Hendricks Anfang der 1990er Jahre in Nordrhein-Westfalen. Von 1991 bis 1994 leitete die promovierte Historikerin im Düsseldorfer Umweltministerium das Referat für grenzüberschreitende Studien.
Heiko Maas (SPD)
Für den 47-Jährigen ist der Umzug ins Bundesjustizministerium so etwas wie eine letzte Chance nach vielen erfolglosen Anläufen im Saarland. Dreimal bewarb er sich für die SPD um das Amt des Regierungschefs in Saarbrücken, dreimal zog er den Kürzeren. Der gebürtige Saarländer Maas gilt als nüchterner Analytiker. Von 1999 bis 2012 stand er an der Spitze der saarländischen Landtagsfraktion, seit 2000 führt er auch die Landes-SPD. 1998 übernahm er als damals jüngster Minister in Deutschland das Umweltministerium - wenngleich nur kurz, denn die SPD musste bereits ein Jahr später bei der Wahl der absoluten CDU-Mehrheit weichen. Aber Triathlet Maas hatte einen langen Atem, machte weiter, führte von 1999 bis 2012 die SPD-Fraktion, nach vier vergeblichen Anläufen steuert der SPD-Landesvorsitzende in der schwarz-roten Koalition derzeit das Wirtschaftsministerium. Für den neuen Job auf der Regierungsbank ist er als studierter Jurist mehr oder weniger vorbereitet.
Alexander Dobrindt (CSU)
Der 43-Jährige wechselte vom Amt des CSU-Generalsekretärs ins Ministerium für Verkehr und Digitales. Zuvor war er als Minister für Bildung und Digitales im Gespräch. Seehofer hatte Dobrindt einen Ministerposten versprochen. Als Generalsekretär hat er im Bundestagswahlkampf Managerqualitäten bewiesen und sich in den Koalitionsverhandlungen zu einem der wichtigsten Sprachrohre der CSU entwickelt. Beschimpfungen wie die des FDP-Koalitionspartners als "Gurkentruppe" kommen Dobrindt kaum noch über die Lippen. Er provoziert zwar weiterhin, wägt seine Worte aber stärker als früher.
Christian Schmidt (CSU)
Am 17. Februar 2014 folgte der Bayer auf Hans-Peter Friedrich, der aufgrund der Affäre um Sebastian Edathy zurückgetreten war, als Minister für Ernährung und Landwirtschaft. Zuvor war er in der aktuellen Legislaturperiode Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Seit 1990 ist er Mitglied des Bundestages.
Peter Ramsauer (CSU)
Der bisherige Verkehrsminister verließ das Kabinett. Der 59-Jährige war zuvor als Landwirtschaftsminister gehandelt worden. Horst Seehofer ließ zuletzt Distanz zu Ramsauer erkennen. Weil aber Ramsauer das zweitbeste Erststimmenergebnis in Bayern geholt hatte, war es als unwahrscheinlich erachtet worden, dass er aus dem Kabinett fliegt. Mitarbeiter beschreiben Ramsauer als sehr menschlichen und kooperativen Chef. Er liebt das Skifahren und Klavierspielen.
Gerd Müller (CSU)
Der bisherige Parlamentarische Staatssekretär ist neuer Chef des Entwicklungsministeriums. Der Schwabe Müller gehört einem Landesverband an, dem ein achtbarer Posten zustand, nachdem er mehrfach leer ausgegangen war. Die türkische Zeitung "Hürriyet" berichtete von ihm prompt als einem ehemaligen Fußballprofi des FC Bayern.