Bundespräsidentenwahl 2017 Machtspiel um Schloss Bellevue

Berlin · Die Bundespräsidentenwahl 2017 wird für Union und SPD zur kniffeligen Angelegenheit, wenn Joachim Gauck nicht noch einmal antritt. Als möglicher Nachfolger ist Außenminister Frank-Walter Steinmeier im Gespräch.

Bundespräsidentenwahl 2017: Machtspiel um Schloss Bellevue
Foto: Bernd Schaller

Wer in diesen Tagen einen Politiker von Union oder SPD nach der Bundespräsidentenwahl 2017 fragt, hört meistens erst ein Seufzen und dann den Satz: "Der muss noch einmal antreten." Gemeint ist der amtierende Bundespräsident Joachim Gauck. Seine Amtszeit läuft im Frühjahr 2017 aus, vier Monate vor der Bundestagswahl.

Theoretisch kann Gauck noch einmal antreten. Vermutlich bekäme er eine ähnlich hohe Zustimmung wie 2012, als gut 80 Prozent der Bundesversammlung für ihn stimmten. Geäußert hat sich der Präsident dazu offiziell noch nicht. Dies wolle er erst 2016 tun, heißt es im Präsidialamt. Hinter den Kulissen in Berlin verdichten sich aber die Hinweise, dass es der im Volk beliebte und überparteilich hoch anerkannte Präsident bei einer Amtszeit belässt.

Sollte Gauck tatsächlich nicht mehr antreten, stürzt er die Spitzen der großen Koalition, CDU-Chefin Angela Merkel und SPD-Chef Sigmar Gabriel, in ein strategisches Dilemma. Sie müssten vier Monate vor der Bundestagswahl eine knifflige Entscheidung treffen: Gehen Sie mit einem eigenen Kandidaten ins Rennen und schicken somit vor der Bundestagswahl eine Botschaft für eine neue Koalition ins Land? Je nach dem, ob sich eine rot-rot-grüne Mehrheit oder ein schwarz-grünes Bündnis in der Bundesversammlung bildet, würde dies als Signal für eine neue Koalition auf Bundesebene für die Bundestagswahl wahrgenommen. Interesse daran hat keine der Parteien.

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Alternativ müssten Union und SPD einen gemeinsamen Kandidaten finden. Doch wäre es schwierig, einen solchen Kandidaten nur als Zeichen der guten Zusammenarbeit der großen Koalition in krisenhaften Zeiten zu verkaufen. Auch er wäre ein Signal für die künftige Koalition. Die SPD würde sich auf die Rolle des Juniorpartners im Bund mit der Union festlegen.

Dennoch könnte es zu einer großkoalitionären Lösung kommen. In der SPD wird der bisherige Außenminister Frank-Walter Steinmeier als möglicher Nachfolger für Bundespräsident Joachim Gauck gehandelt, sollte dieser im März 2017 nicht erneut antreten.

"Steinmeier wird es machen, wenn er von beiden großen Parteien gefragt wird", sagte ein SPD-Präsidiumsmitglied unserer Redaktion. Im Umfeld von Steinmeier wird eine Kandidatur ebenfalls nicht ausgeschlossen. Steinmeier schätze sein aktuelles Amt, würde aber als Kandidat für die Gauck-Nachfolge zur Verfügung stehen, sollte er von beiden großen Parteien nominiert werden, heißt es. Auch SPD-Chef Gabriel könnte sich eine Nominierung Steinmeiers vorstellen, heißt es in der Partei. Der bisherige EU-Parlamentspräsident Martin Schulz gilt als möglicher Nachfolger für das Auswärtige Amt.

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Die Staatsbesuche von Joachim Gauck

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Foto: dpa, wk fpt

Für den amtierenden Außenminister spricht viel als möglicher Nachfolger für Gauck: Er ist parteiübergreifend beliebt, er hat sich in zwei Amtszeiten als Chefdiplomat der Bundesregierung als verlässlicher und besonnener Konfliktlöser einen Namen gemacht. Er könnte in einer Phase der weltweiten Unruhe Deutschland als verantwortungsvollen Partner für Frieden und Kompromisse repräsentieren.

Würde Angela Merkel den früheren SPD-Kanzlerkandidaten unterstützen? In der Union schütteln einige den Kopf. "Wir können nicht mit 40 Prozent Zustimmung im Land auf einen eigenen Kandidaten verzichten und einen SPD-Mann nominieren", sagt einer aus der Führung der Unions-Bundestagsfraktion. Allerdings ist es nicht ausgeschlossen, dass die Kanzlerin Steinmeier zu ihrem Kandidaten machen möchte. Die beiden haben ein echtes Vertrauensverhältnis. Überraschungen würde sie nicht erleben, wenn Steinmeier Schlossherr in Bellevue wird.

Die CSU, die im Bundestagswahlkampf auf eine absolute Mehrheit für die Union drängt, hat aber andere Pläne. Ihr Wunschkandidat ist Wolfgang Schäuble. Der 67-jährige Finanzminister hat sich in der Griechenland-Krise als hartnäckiger Kämpfer für Reformen und Hüter der deutschen Staatskasse erwiesen. Sein Ansehen in Deutschland ist hoch. Und Schäuble wollte 2003 schon Bundespräsident werden. Damals zog Merkel auch aus Rücksicht auf den damaligen Wunschkoalitionspartner FDP den Wirtschaftsexperten Horst Köhler vor. Das Ende ist bekannt. Köhler trat desillusioniert zurück.

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Merkel könnte mit der Personalie Schäuble nicht nur dem ewigen Widersacher einen Lebenstraum erfüllen, sondern auch das Amt des Finanzministers so besetzen, dass der gestutzte Wirtschaftsflügel in der Union Auftrieb erfährt. Friedrich Merz wird bei einigen Konservativen in Berlin heiß diskutiert.

Merkel und Merz haben sich längst versöhnt. Der Sauerländer ist gerngesehener Gastredner auf bundesweiten CDU-Veranstaltungen und ein Vertrauter von Schäuble. Der Finanzminister soll in kleiner Runde gesagt haben, dass er sich Merz sofort als Nachfolger vorstellen könne. Für Merkel wäre die Rochade ein Coup kurz vor der Bundestagswahl und ein Signal, dass sie auch Schwarz-Gelb nicht verloren gibt.

Einige Konservative würden lieber eine Botschaft für eine schwarz-grüne Koalition senden und können sich sogar die Unterstützung einer grünen Kandidatin wie Katrin Göring-Eckardt vorstellen. Dafür wiederum könnten Union und Grüne bei der Bundestagswahl ihr Kernklientel verprellen.

(brö)
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