Bundesteilhabegesetz Bundesrat beschließt Steuerentlastungen für Behinderte

Berlin · Der Bundesrat hat in seiner letzten Sitzung vor Weihnachten eine umfangreiche Tagesordnung abgearbeitet: Auf der Agenda standen sowohl Verbesserungen für Behinderte, mehr Geld für Hartz-IV-Empfänger, Steuerentlastungen als auch die Streichung des Beleidigungsparagrafen.

  • Behinderte sollen bessergestellt werden. Das Bundesteilhabegesetz hat im Grundsatz als Ziel, dass niemand mehr über den Kopf der 7,6 Millionen Menschen mit schwerer Behinderung hinweg entscheiden soll. Partnereinkommen werden nicht mehr auf die Eingliederungshilfe angerechnet. 2600 Euro vom eigenen Einkommen durften Bezieher von Eingliederungshilfe bisher selbst behalten. Der Freibetrag steigt auf zunächst 27 600 Euro und 2020 auf 50 000. Vorgesehen sind für die Änderungen Mehrausgaben von rund 780 Millionen Euro pro Jahr.
  • Hartz-IV-Bezieher bekommen vom 1. Januar an etwas mehr Geld. Der monatliche Regelsatz für Alleinstehende steigt von derzeit 404 auf 409 Euro im Monat, für Paare von 364 auf 368 Euro pro Partner. Die größte Steigerung gibt es mit 21 Euro bei den 6- bis 13-Jährigen auf 291 Euro. Die Länder kritisierten, dass es zu wenig Geld für einige Haushaltsgüter sowie Brillen gebe. Auch Leistungen für das Schulbedarfspaket müssten erhöht werden.
  • Ausbau der Straßen, Schienen und Wasserwege. In Deutschland sollen bis 2030 dafür mehr als 270 Milliarden Euro investiert werden. Das sieht der neue Bundesverkehrswegeplan vor, den der Bundesrat billigte. Die Hälfte aller Mittel ist für Bundesstraßen und Autobahnen vorgesehen, 40 Prozent gehen an Bahnprojekte, der Rest an Flüsse und Kanäle. Sanierungen bekommen generell Vorrang vor neuen Projekten.
  • Bürger werden in den kommenden Jahren finanziell entlastet. Die Entlastung ist in einer Höhe von insgesamt fast 6,3 Milliarden geplant. Die Vergünstigungen sollen vor allem Familien, Alleinerziehenden und Geringverdienern zugute kommen. Unter anderem steigt der Kinderfreibetrag von jetzt 4608 Euro um 108 Euro auf 4716 Euro (2017) und um weitere 72 Euro auf 4788 Euro (2018). Das monatliche Kindergeld wird 2017 um jeweils zwei Euro in den Jahren 2017 und 2018 angehoben. Der Kinderzuschlag soll zum 1. Januar 2017 um monatlich 10 Euro von 160 Euro auf 170 Euro je Kind steigen.
  • Bessere Beratung für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen. In Zukunft soll besser über die Möglichkeiten bei der Pflege beraten werden. Dabei sollen Kommunen Beratung verstärkt vermitteln und mit der Altenhilfe und anderen Trägern abstimmen. Nach dem Pflegestärkungsgesetz III soll es zudem Betrügern in der ambulanten Pflege schwerer gemacht werden.

  • Elektronische Registrierkassen müssen fälschungssicher werden. Hiermit soll der Steuerbetrug eingedämmt werden. Der Staat verliert hohe Summen, weil Umsätze mit Mogelkassen, Schummelsoftware oder fingierten Rechnungen nicht oder falsch erfasst werden - vor allem in der Gastronomie und in anderen Branchen mit hohem Bargeldanteil.

  • Sofortige Streichung des Beleidigungsparagrafen. Der Bundesrat fordert die sofortige Streichung des Beleidigungsparagrafen 103 Strafgesetzbuch, der jüngst als Böhmermann- oder Erdogan-Paragraf in die Schlagzeilen geriet. Ein entsprechender Beschluss wird im Bundestag eingebracht. Nach der bisherigen Regelung wird die Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten unter besondere Strafe gestellt. Der türkische Präsidenten Recep Tayyip Erdogan hatte auf dieser Rechtsbasis ein Strafverfahren gegen Jan Böhmermann angestrengt, nachdem dieser in seiner Satiresendung ein "Schmähgedicht" auf ihn vorgetragen hatte.
  • Entsorgungs-Pakt zwischen Staat und Energiekonzernen. Der Bundesrat billigte den Pakt des Staates mit den Energiekonzernen, der die Entsorgung der atomaren Altlasten regelt. Danach nimmt der Staat den Unternehmen Eon, RWE, Vattenfall und EnBW die Verantwortung für die Zwischen- und Endlagerung des Atommülls ab. Dafür sollen die Konzerne bis 2022 rund 23,55 Milliarden Euro an einen staatlichen Fonds überweisen. Die Unternehmen sind für Stilllegung, Abriss und Verpackung des Atommülls zuständig.

  • Reform des Arzneimittelrechts. Der Bundesrat ließ auch die umfangreiche Reform des Arzneimittelrechts passieren, die unter anderem die umstrittene Arzneimittelstudien an Demenzkranken erlaubt. Studien an nicht einwilligungsfähigen Erwachsenen - also zum Beispiel Demenzkranken - sind künftig erlaubt, auch wenn sie den Betroffenen selbst keinen Nutzen bringen. Voraussetzung ist aber eine Einwilligung sowie eine ärztliche Beratung, solange der Patient im vollen Besitz seiner geistigen Kräfte ist.

Zu Beginn der Sitzung gedachte der Bundesrat des Völkermords an den Sinti und Roma durch die Nationalsozialisten vor 74 Jahren.

(isw/dpa)
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