Bundesregierung Krach in der Koalitionsrunde

Berlin · Die CSU macht Bundeskanzlerin Angela Merkel das Leben mindestens so schwer wie die SPD. Der Koalitionsausschuss zeigt, dass sich bis 2017 wenig bewegen wird.

Bundesregierung: Krach in Koalitionsrunde
Foto: Schnettler

Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) hat noch keine zwei Sätze zum Mindestlohn gesprochen, da springt die Kanzlerin auf und ruft: "Es ist Mitternacht!" Angela Merkel hat Rosé-Sekt kaltstellen lassen, weil sie auf Thomas Oppermanns Geburtstag anstoßen möchte: Der SPD-Fraktionsvorsitzende wurde am Montag 61 Jahre alt. Für die Bundeskanzlerin ist das ein willkommener Grund, der genervten Koalitionsrunde am Sonntagabend im Kanzleramt eine Pause zu verschaffen. Die Stimmung in der Runde bis dahin ist schlecht, phasenweise wird es richtig unangenehm. Hinter den Partei- und Fraktionschefs von CDU/CSU und SPD liegen schon vier Stunden fruchtloser Debatten, als der Sekt die Runde macht. Nur das Austauschen von Sportergebnissen bringt zwischenzeitlich ein wenig Erheiterung.

Schon bevor die Arbeitsministerin mit ihrem heiklen Thema Mindestlohn an der Reihe ist, hat sich die Stimmung hochgeschaukelt. Dabei fing der Abend friedlich an: Zunächst sitzen die drei Parteichefs ab 20 Uhr eine gute halbe Stunde beieinander. In der großen Runde des Koalitionsausschusses referiert anschließend Innenminister Thomas de Maizière (CDU) zum Thema Flüchtlinge. Sein Papier zur Flüchtlingshilfe wird der einzige offizielle Beschluss bleiben. Deutschland werde seine Hilfe für die Seenotrettung im Mittelmeer ausweiten, heißt es darin. Zudem bietet Deutschland Italien und Griechenland personelle Hilfe bei der Aufnahme und Registrierung von Flüchtlingen an. Bei der Aufnahme in Deutschland hätten Flüchtlinge aus den Krisengebieten Syrien und Irak Priorität, heißt es weiter. Bei einem Flüchtlingsgipfel von Bund und Ländern soll am 8. Mai über den Umgang mit den Flüchtlingszahlen gesprochen werden.

Nach dem Auftritt des Innenministers geht nichts mehr in der Runde, die bis zwei Uhr zusammensitzt. Hinterher ätzen Teilnehmer, das einzig Gute an dem Treffen seien Wein und Sekt zum Spargel gewesen, mehr aber auch nicht.

Bundesminister: Das Kabinett der großen Koalition
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Das Kabinett der großen Koalition

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Bei den Bund-Länder-Finanzen berichten zunächst Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), der Koordinator der SPD-Länder, über den aktuellen Stand. Schäuble verteidigt sein Angebot an die Länder, ihnen ab 2020 aus der Bundeskasse zusätzlich sieben Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen, damit die Reform des Länderfinanzausgleichs gelingt. Doch nicht nur die SPD, auch der CSU-Chef ist damit nicht zufrieden. "Bayern würde durch Schäubles Reformvorschlag ab 2020 gegenüber heute nicht entlastet", begründet CSU-Finanzexperte Hans Michelbach die Bayern-Blockade. Der Freistaat würde nach Schäubles Plan zwar ab 2020 um eine Milliarde Euro entlastet. Doch würden Bayerns Einzahlungen in den Länderfinanzausgleich bis zum Jahr 2020 so sehr anwachsen, dass der Freistaat durch diese eine Milliarde im Vergleich zu heute gar nicht besser dastehe.

Auf dem Programm des Koalitionsausschusses stehen mit den Bund-Länder-Finanzen, den Flüchtlingen, dem Mindestlohn und der Energiewende die vier wichtigsten Themen, für die die große Koalition noch vor der Sommerpause eine Lösung finden muss. Die Stimmung bei Union und SPD ist darauf gerichtet, dass man danach ohnehin nicht mehr viel gemeinsam schaffen wird. 2016 stehen schon wieder wichtige Landtagswahlen an: Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Berlin, auch Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern werden ihre Parlamente wählen.

Etwa drei Viertel des Koalitionsvertrages sind abgearbeitet. Mit den Bund-Länder-Finanzen und der Energiewende lässt sich bei den Wählern kaum reüssieren. Das erklärt den Verdruss auf beiden Seiten. Die Koalitionäre gehen dazu über, sich die erkämpften Projekte gegenseitig madig zu machen. Während die Union ständig über Mindestlohn und Rente ab 63 meckert, macht die SPD das Betreuungsgeld und die Maut madig. Das trifft besonders die CSU, deren Prestige-Projekte dies sind.

Die Bayern reagieren wiederum nach dem Motto: Angriff ist die beste Verteidigung. Dieses Prinzip kennt Nahles auch. Als sie nach Oppermanns Geburtstagssekt endlich zur Sache kommen darf, stellt sie sich auf stur: Läuft alles gut, am Gesetz muss nichts geändert werden - lautet ihre Botschaft an die verblüfften Unionsteilnehmer. Mehrere Unionsvertreter tragen ihre Kritik am Mindestlohn vor. Die Dokumentationspflichten der Arbeitgeber seien zu bürokratisch, zu umfangreich und unpraktikabel, beim Ehrenamt gebe es Ungerechtigkeiten, Auftraggeber müssten aus der Haftung entlassen werden, wenn sich Subunternehmer nicht an den Mindestlohn hielten.

Gegen Ende der Sitzung geht es um das Thema Energie. Die Kanzlerin vermeidet es, sich zur Klima-Abgabe für ältere Kohlekraftwerke zu positionieren. Stattdessen zankt man ein bisschen über die Klimaziele. Schließlich bekräftigen die Koalitionsspitzen nur, den Kohlendioxid-Ausstoß bis 2020 um 40 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Wie die Regierung dahin kommen will, bleibt offen. Gabriel soll ein weiteres Papier vorlegen. Als denkbar gilt, dass der Ausbau der umweltfreundlichen Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen stärker gefördert wird.

(mar / qua)
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