100 Jahre nach Ausbruch Bundestag erinnert an Ersten Weltkrieg

Berlin · Als Ehrengast im Bundestag: Der französische Publizist Alfred Grosser entwirft ein facettenreiches Bild deutscher und europäischer Geschichte. 100 Jahre nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs mahnt er, sich die Geschichte immer wieder bewusst zu machen.

 Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU, 4.v.l.) und Bundespräsident Joachim Gauck (3.v.l.) haben im Bundestag in Berlin an der Gedenkstunde des Deutschen Bundestages aus Anlass des 100. Jahrestags des Beginn des Ersten Weltkrieges teilgenommen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU, 4.v.l.) und Bundespräsident Joachim Gauck (3.v.l.) haben im Bundestag in Berlin an der Gedenkstunde des Deutschen Bundestages aus Anlass des 100. Jahrestags des Beginn des Ersten Weltkrieges teilgenommen.

Foto: dpa, gam pzi

Zum Gedenken an den Beginn des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren hat der französische Politikwissenschaftler Alfred Grosser die Überwindung des Militarismus in Deutschland gewürdigt. Vor den Spitzen der Verfassungsorgane und rund 100 Botschaftern und Gesandten spannte der 89-Jährige am Donnerstag im Bundestag einen weiten Bogen von den Ursachen des Kriegs bis in die heutige Bundesrepublik.
Bundestagspräsident Norbert Lammert beschwor die Suche nach friedlichen Lösungen in aktuellen Konflikten.

Der deutsch-französische Publizist sagte, die Verbände von französischen und deutschen Geschichtslehrern hätten bereits 1952 zum Ersten Weltkrieg festgestellt, "alle seien mitverantwortlich gewesen, aber es habe eine deutsche Besonderheit gegeben: den Platz des Militärs in der Gesellschaft".

Erst der Ausgang des Zweiten Weltkriegs habe das Land dann grundlegend verändert. Ein zentraler Unterschied zum Krieg von 1914 bis 1918 sei gewesen, "dass die totale Niederlage ein total anderes Deutschland vorgebracht hat", sagte der 89-Jährige.

"Die Bundesrepublik bleibt ein Sonderfall in Europa." Grosser erläuterte, aufgebaut worden sei der Staat nicht auf dem Prinzip der Nation, sondern aufgrund der Ablehnung von Adolf Hitler und Josef Stalin. "Leider hat das deutsche Beispiel die anderen Staaten und Nationen kaum angesteckt", mahnte der Historiker. "Der Trend geht heute sogar in die andere Richtung."

Intensiv widmete er sich der wechselseitigen Wahrnehmung der ehemaligen Kriegsgegner Frankreich und Deutschland. In Deutschland werde die Erinnerung an den Ersten Weltkrieg viel weniger wachgehalten, sagte Grosser. "Der Erste Weltkrieg bleibt in Frankreich "la Grande Guerre", der Große Krieg." Im Erinnern daran gehe es in Frankreich bis heute weniger um den Sieg. "Die Trauer ist beinahe allgegenwärtig."

Grosser entwarf in seiner Rede ein breites Bild der europäischen Geschichte des Jahrhunderts im Spiegel dutzender Zitate. Er forderte dazu auf, sich auch immer wieder die Ziele der Nationalsozialisten vor Augen zu führen. "Manche Texte von Adolf Hitler sollten in deutschen Geschichtsbüchern stehen, sofern es noch Geschichtsunterricht in deutschen Oberklassen gibt."

Auch Lammert rief die Begeisterung für das Militär im Kaiserreich in Erinnerung - und den Eskalationskurs in Deutschland, der in die Katastrophe des Kriegs geführt habe. "Wir haben sehr viel später daraus gelernt, dass militärische Maßnahmen grundsätzlich kein geeignetes Mittel politisch gewollter Veränderungen sind." Mit Blick auf Russlands Rolle im Ukraine-Konflikt sagte der CDU-Politiker, trotz der Entschlossenheit, mutwillige Verletzungen von Grenzen nicht hinzunehmen, wolle niemand einen Krieg.

Im Sender hr-Info warnte Grosser vor wachsender Kriegsgefahr in Osteuropa. "Natürlich gibt es in der Ukraine eine echte Kriegsgefahr zwischen zwei Teilen von der Ukraine, und es ist nicht klar, ob wir da draußen bleiben können oder draußen bleiben sollten." Positiv äußerte sich Grosser über das Verhältnis Frankreichs und Deutschlands. "Die Verallgemeinerungen lassen langsam nach."

(dpa)
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