Peer Steinbrück nimmt Abschied "Das war der letzte Ton aus meinem Jagdhorn. Vielen Dank!"

Berlin · Peer Steinbrück hat am Donnerstag im Bundestag seine letzte Rede gehalten. Seinen Abschied aus der großen Politik nutzte er für ein eindringliches Plädoyer an seine Kollegen. Dabei gelang ihm auch der ein oder andere Scherz.

Die besten Zitate von Peer Steinbrück
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Foto: dpa, Soeren Stache

Die letzte Bundestags-Rede des 69-Jährigen changiert am Donnerstag zwischen eindringlichem Appell und humorvoller Schleife. "Ich sage, was ich denke, und ich tue, was ich sage", lautete immer sein Motto. Das brachte ihn manches Mal in Bedrängnis — spätestens in der unglückseligen Zeit als SPD-Kanzlerkandidat.

Mitte Juli hatte Steinbrück seine Entscheidung, das Mandat aufzugeben, verkündet. Im Bundestagswahlkampf 2017 würde er mit seiner selbst auferlegten Zurückhaltung der SPD nicht helfen können — "der erforderlichen politischen Zuspitzung nicht gerecht" werden, sagt er. Im Bundestag werden seine unterhaltsamen Reden fehlen.

Launig geht es auch am Donnerstag zu seinem Abschied zu. Er nutzt sein persönliches Resümee für ein eindringliches Plädoyer für Europa. Und gibt seinen Kollegen mit auf den Weg: "Wir dürfen von den Bürgern gemeinsam nicht als ein Politikkartell missverstanden werden, das ihre Befindlichkeiten wegfiltert. Und dieses Risiko besteht." Rums.

Nach dieser Mahnung biegt Steinbrück noch einmal auf die Humorschiene ab: "Als ich vor 47 Jahren in die SPD eintrat, da dachte ich, dass die Verteilung von Sumpfhühnern und Schlaubergern ziemlich einseitig auf die Parteien verteilt ist. Und ich gehörte natürlich zur Partei der Schlauberger." Inzwischen habe er aber gelernt, dass die Verteilung solcher Sumpfhühner und Schlauberger in und zwischen den Parteien der Normalverteilung der Bevölkerung folgt. Dies habe ihm die interfraktionelle Zusammenarbeit erleichtert. Steinbrück schließt stilecht: "Dies, Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, das war der letzte Ton aus meinem Jagdhorn. Vielen Dank."

Steinbrück galt als Vertreter des wirtschaftfreundlichen Flügels

Steinbrück und die SPD — das war immer ein schwieriges Verhältnis. In den eigenen Reihen galt der eitle, wortgewandte Spross einer Bankiersfamilie (ein Vorfahr hatte die Deutsche Bank mitgegründet) lange als Vertreter des rechten, wirtschaftsfreundlichen Flügels. Im Wahlkampf 2013 musste Steinbrück, dessen Kandidatur einer Sturzgeburt glich, dann ein eher linkes Programm mit Steuererhöhungen vertreten.

Sein Ansehen litt, als er mit hohen Rednerhonoraren in die Schlagzeilen geriet. Es folgten unglückliche, teils aufgebauschte Äußerungen, etwa zur Höhe des Kanzlergehalts. Als er zu der Zeit einen Patzer seines Teams erklären musste, antwortete Steinbrück mit dem mittlerweile legendären Spruch: "Hätte, hätte — Fahrradkette!" Am Dienstag, als er in der Fraktion verabschiedet wurde, beanspruchte er laut Teilnehmern das Copyright für diesen Satz für sich. Jeder, der ihn fortan verwendet, soll ihm eine Tafel Schokolade zukommen lassen.

Steinbrück litt damals, brechen ließ er sich davon aber nicht. Als Antwort auf die Frage, was er von Medien-Wortschöpfungen wie "Pannen-Peer, Problem-Peer und Peerlusconi" halte, zeigte er im "SZ-Magazin" den Stinkefinger. Dicke Hose war sein Markenzeichen - dabei gewann er keine einzige Wahl. 2002 wurde er in Düsseldorf NRW-Ministerpräsident, vergeigte drei Jahre später das Duell gegen Jürgen Rüttgers (CDU).

Ein Mann der deutlichen Worte

Als Bundesfinanzminister war er in seinem Element. Gemeinsam mit der Kanzlerin trat er nach der Lehmann-Brothers-Pleite 2008 vor die Öffentlichkeit und verkündete eine staatliche Garantie für die Spareinlagen der besorgten Bürger. Klare Kante gab es von ihm auch beim Kampf gegen Steueroasen, inklusive rüder Attacken gegen Länder wie die Schweiz: "Die Kavallerie in Fort Yuma muss nicht immer ausreiten, manchmal reicht es, wenn die Indianer wissen, dass sie da ist." Bei den Eidgenossen kam das gar nicht gut an.

Die politische Karriere des in Hamburg geborenen, blitzgescheiten Volkswirts begann in verschiedenen Ministerien und im Bundeskanzleramt zu Zeiten von SPD-Kanzler Helmut Schmidt. Schmidt wurde zu einer prägenden Figur. So schließt sich mit Steinbrücks Rückzug auch dieser Kreis. Denn nach dem Tod des legendären Sozialdemokraten im vergangenen November klemmte sich Steinbrück wie kein Zweiter dahinter, dass es eine Bundesstiftung Helmut Schmidt geben wird. Sie soll Anfang 2017 in Hamburg starten, ausgestattet mit um die zwei Millionen Euro vom Bund.

Anders als "Schmidt-Schnauze", der Menthol-Zigaretten Kette rauchte, zieht "Klartext-Peer" gern an Zigarillos. Hin und wieder dürfte er in Zukunft wie der Lotse aus dem blauen Dunst heraus seiner Partei unbequeme Ratschläge erteilen: "Wann immer sie das wünscht."

(sb/dpa)
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