Eckpunkte vorgestellt SPD stolpert zum Wahlprogramm

Berlin · Klare Kante gegen Verbrechen und Terror, Entlastung bei Sozialausgaben, mehr Geld für Bildung: Mit ihrem Wahlprogramm will die SPD nach den Pleiten bei den jüngsten Landtagswahlen in die Offensive kommen. Bei Steuern und Rente gibt es aber noch keine konkreten Vorschläge.

 Familienministerin Manuela Schwesig, Fraktionschef Thomas Oppermann und Generalsekretärin Katarina Barley bei der Vorstellung des Wahlprogramms in Berlin.

Familienministerin Manuela Schwesig, Fraktionschef Thomas Oppermann und Generalsekretärin Katarina Barley bei der Vorstellung des Wahlprogramms in Berlin.

Foto: dpa, nie jai

Gut zwei Jahre haben die Genossen an ihrem Wahlprogramm gestrickt, am Montag stellte es die dreiköpfige Programmkommission des SPD-Parteivorstands vor. Zumindest präsentierten Generalsekretärin Katarina Barley, Parteivize und Familienministerin Manuela Schwesig sowie Fraktionschef Thomas Oppermann den Entwurf. 71 Seiten umfasst das Regierungsprogramm, mit dem Parteichef und Kanzlerkandidat Martin Schulz in den Wahlkampf ziehen wird und das ein Parteitag am 25. Juni beschließen soll. Wichtigste Botschaft, das ist klar: Soziale Gerechtigkeit stärken.

Noch bis in die Nacht zum Montag wurde im Willy-Brandt-Haus unter Hochdruck an dem Entwurf gearbeitet. Nach Worten von SPD-Generalsekretärin Katarina Barley seien seit der ersten Beratungsrunde in der vergangenen Woche Änderungsanträge in "hoher dreistelliger Zahl" eingegangen, viele davon wurden berücksichtigt.

Inhaltliche Auseinandersetzungen habe es jedoch nicht gegeben, betonte Barley gleich, um Missverständnissen vorzubeugen. Es habe sich lediglich um Änderungswünsche bei einzelnen Formulierungen gehandelt, bei der Abstimmung herrschte dann Einstimmigkeit im Vorstand. Doch mit welch heißer Nadel am Programm bis zuletzt gestrickt wurde, zeigt etwa der versehentliche Dreher gleich auf dem Titelblatt: Statt "Zeit für mehr Gerechtigkeit" stand gestern in der Presseversion "Mehr Zeit für Gerechtigkeit".

Und auch sonst stolperten die Sozialdemokraten eher in die Vorstellung ihres Programms — von einer frischen, überraschenden und in einigen Punkten vielleicht neuen Präsentation konnte keine Rede sein.

So hatte am Montagmorgen noch die Meldung die Runde gemacht, dass die geplante Vorstellung des Programms abgesagt worden sei. Tatsächlich hatte die SPD-Pressestelle am späten Sonntagabend der Nachrichtenagentur dpa eine E-Mail geschickt, man möge bitte den angedachten Termin für die Präsentation am Montag aus der Vorschau streichen. Dass man sich lediglich eine andere Uhrzeit offenhalten wollte, stand nicht darin.

Erst nachdem am Morgen im Radio und Internet die Botschaft verkündet wurde, dass die SPD noch länger für die Beratungen brauche, kam die Korrektur: Selbstverständlich werde man den Entwurf wie geplant vorstellen. In einer Pressekonferenz machte Barley für den peinlichen Vorgang zunächst einen "ziemlich interessanten medialen Spin" verantwortlich. Später räumte sie handwerkliche Fehler der eigenen Kommunikationsabteilung ein.

Und zu allem Überfluss wurden die Beratungen über das Programm am Montag auch noch durch einen Sprengstoffalarm um eineinhalb Stunden verzögert, die Parteizentrale musste evakuiert werden. Grund für den Alarm war ein verdächtiger Gegenstand in der Poststelle, der sich nach Überprüfung durch Experten aber als harmlose Holzkiste erwies.

Inhaltlich lieferten die Sozialdemokraten dann das ab, was Martin Schulz in seinen Reden bereits betonte: Familien sollen durch die Gebührenfreiheit von der Kita bis zur Hochschule entlastet werden, zudem müsse das Kooperationsverbot fallen, damit der Bund mehr Geld für Schulen geben könne. Unternehmen müssten den Investitionsstau abbauen können, ländliche Räume dürften nicht durch einen Mangel an Ärzten und langsame Internetanschlüsse abgehängt werden.

Im Bereich der inneren Sicherheit will die SPD 15.000 neue Stellen bei der Polizei schaffen, je zur Hälfte im Bund und den Ländern. Straffällig gewordene Ausländer müssten abgeschoben werden, heißt es weiterhin im Programm. Auch die Videoüberwachung wichtiger Plätze sowie eine "Nulltoleranz" gegenüber Islamisten ist enthalten. Bei der Migrationspolitik setzt die SPD auf die Bekämpfung von Fluchtursachen, sichere EU-Außengrenzen, Flüchtlingskontingente und ein Einwanderungsgesetz.

Doch konkrete Zahlen in den Kapiteln zur Steuer- und Rentenpolitik sind auch in dem Entwurf nicht zu finden. Zwar wolle man das Rentenniveau halten, ohne dass die Beiträge steigen. Und kleine und mittlere Einkommen sollen steuerlich und wohl bei den Sozialabgaben entlastet werden. Auch soll der Spitzensteuersatz später greifen, sagte Barley. Um das Pulver jedoch nicht gleich zu verschießen, sollen die Details bei den beiden Megathemen erst in den kommenden Wochen und Monaten folgen. Ob vor oder nach dem Parteitag Ende Juni in Dortmund? Selbst das ließ Barley gestern offen.

Die Genossen — das ist in der Parteizentrale geradezu spürbar — sind unter Druck, arbeiten teils an der Belastungsgrenze. Sie setzen ihre Hoffnung in die eigenen Inhalte, um in den Umfragen wieder näher an die Union heranzurücken. Doch die verlorenen Landtagswahlen, vor allem in NRW, schlagen aufs Gemüt, die Abteilung Angriff ist derzeit kaum wahrnehmbar. Thomas Oppermann versuchte es dann trotzdem: "Das ist wahrscheinlich das beste Wahlprogramm seit Willy Brandt", sagte er. Und fügte hinzu: "Es ist ein klares Kontrastprogramm zur Union". Die könne Inhalte von der SPD nicht klauen, ohne sich stark verbiegen zu müssen.

(jd)
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