SPD laufen Mitglieder in Scharen zu 1584 neue Genossen in zwei Monaten

Berlin · Vor dem Mitgliedervotum zur großen Koalition im Dezember laufen der SPD in NRW die Mitglieder in Scharen zu. Allein in den beiden vergangenen Monaten waren es fast 1600. Wollen die Neuen die große Koalition verhindern?

 Mit diesem Team verhandelt die SPD mit der Union über die Bildung einer neuen Regierung.

Mit diesem Team verhandelt die SPD mit der Union über die Bildung einer neuen Regierung.

Foto: dpa, Michael Kappeler

Die Werbung der SPD für eine Beteiligung der Basis am Koalitionsvertrag hat offenbar ungeahnte Folgen. Die Partei erlebt eine Welle von Neueintritten. Doch die neuen Genossen erklären sich keineswegs solidarisch mit der in Berlin geplanten großen Koalition: "Alle in die SPD eintreten, gegen die große Koalition stimmen und wieder austreten", schreibt ein Anhänger der Gruppe "SozialdemokratInnen gegen die große Koalition" im Internet-Netzwerk Facebook. Die Gruppe zählt 7800 Unterstützer.

"Es wäre besser, Neuwahlen anzusetzen"

Die SPD will ihre Mitglieder über den Koalitionsvertrag mit der Union abstimmen lassen. Doch die Basis macht Stimmung gegen das Bündnis. "Wenn die Spitze nicht konsequent ist, sollte es die Basis sein", schreibt ein Genosse auf der SPD-Internetseite, auf der die Partei dafür wirbt, sich beim Mitgliedervotum zu beteiligen. In den Foren der Partei und auf den Facebook-Seiten der Führungsmitglieder gibt es Unmut über die Koalition mit der Merkel-CDU.

"Es wäre besser, Neuwahlen anzusetzen, als faule Kompromisse einzugehen", sagen die einen. "Es wird langsam Zeit, etwas Handfestes vorzuweisen — etwa die Durchsetzung des Mindestlohns", schreiben andere. Tenor: eher ein Nein zur großen Koalition.

Viele Kritiker hoffen nun durch den Mitgliederentscheid die große Koalition auszubremsen. Im Landesverband Nordrhein-Westfalen traten im September und Oktober 1584 Menschen in die SPD ein, wie ein Parteisprecher bestätigte. Normalerweise seien es 200 bis 250 im Monat. Insgesamt verzeichnet die NRW-SPD in diesem Jahr rund 4000 Parteieintritte — und wächst damit auf rund 124 000 Mitglieder an. Die Parteispitze in Berlin machte gestern trotz Anfrage keine Angaben zu den bundesweiten Parteieintritten der vergangenen Wochen.

Partei bittet Basis um Zustimmung

Es ist das erste Mal, dass eine Partei ihre Basis um die Zustimmung für einen Koalitionsvertrag bittet. Üblicherweise reicht dafür ein positives Votum des Parteitags. Sollten Union und SPD ihre Verhandlungen erfolgreich abschließen, sind nun aber 470. 000 Sozialdemokraten zur Abstimmung aufgerufen.

"Wenn Menschen heute Parteien beitreten, dann wollen sie nicht nur Beitragszahler sein. Sie wollen auch richtig mitentscheiden, wo es lang geht", meint Parteichef Sigmar Gabriel. Vom 6. bis zum 12. Dezember können alle Mitglieder, die bis zum 15. November in die Partei eingetreten sind, per Briefwahl entscheiden. Mindestens 93 000 Sozialdemokraten müssen sich bundesweit beteiligen, damit das Votum gültig ist.

Die Funktionärsebene sieht den Mitgliederentscheid positiv: Viele Politikinteressierte würden bei den aktuellen Koalitionsverhandlungen mitfiebern, sagt Ernst-Wilhelm Rahe. Er ist Vorsitzender der SPD-Region Ostwestfalen-Lippe — und sagt: "Um Wahlen herum ist das Thema Politik immer präsenter. Die Menschen wollen sich einbringen, die Partei unterstützen und etwas verändern." Auch Norbert Römer, Vorsitzender der SPD-Region Westliches Westfalen, begrüßt die jüngsten Parteieintritte: "Ich freue mich ganz besonders über jedes neue Mitglied."

Viele Jünger als 35 Jahre

Viele von ihnen sind jünger als 35. "Seit Mitte Juli haben wir 1100 neue Mitglieder zwischen 14 und 35 Jahren dazugewonnen", sagt Veith Lemmen, Vorsitzender der Jungsozialisten in NRW. Dass viele von ihnen zurzeit aus reinem Kalkül in die Partei eintreten, um die Regierungsbildung beeinflussen zu können, glaubt Lemmen nicht: "Das ist sicher eher die Ausnahme." Dennoch zweifelt Lemmen daran, dass in einer großen Koalition die für die SPD wichtigen Themen umgesetzt würden.

"Viele junge Menschen sind skeptisch und fragen sich, wer die Ausgabenwünsche bezahlen soll." Eine Entscheidung für oder gegen eine künftige schwarz-rote Regierung haben die Jungsozialisten in Nordrhein-Westfalen deshalb noch nicht getroffen.

(RP)
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