Koalition aus Union, FDP und Grünen Das sind die 7 Knackpunkte für Jamaika

Berlin · Nach der Absage der SPD an eine große Koalition bleibt nur noch ein Bündnis aus CDU/CSU, FDP und Grünen. Aber passen die Programme der Parteien in einer sogenannten Jamaika-Koalition überhaupt zusammen?

Nach der Absage der SPD an eine große Koalition bleibt nur noch ein Bündnis aus CDU/CSU, FDP und Grünen. Aber passen die Programme der Parteien in einer sogenannten Jamaika-Koalition überhaupt zusammen?

Im Wahlkampf beharkten sich Grüne und Liberale nicht nur inhaltlich. Auch die kulturellen Unterschiede zwischen beiden Parteien wurden sichtbar. So warfen die Liberalen der Spitzenkandidatin der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, vor, sie sei "moralin-impertinent", was diese aber nur allzu gerne aufgriff, um Moral als Politikansatz erst recht zu verteidigen. Für ein Jamaika-Bündnis müssten beide Seiten und auch CDU und CSU über ihre Schatten springen, um überhaupt auf Augenhöhe miteinander zu reden. Und dann ist noch kein einziges inhaltliches Problem gelöst. Hier sind die sieben größten.

  1. Obergrenze für Flüchtlinge
  2. Der Streit um die Frage, ob entgegen des grundgesetzlich verbrieften Asylrechts eine Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland geschaffen werden soll, begleitet die Union seit 2015. Außer der CSU will das keine Partei. Doch CSU-Chef Horst Seehofer hat sich in dieser Frage weit aus dem Fenster gelehnt und seinen Wählern eine Obergrenze versprochen. Nicht nur Merkel ist dagegen. Mit den Grünen wird das keinesfalls zu machen sein, mit den Liberalen übrigens auch nicht. Diese Frage hat das Potenzial, eine Jamaika-Koalition zu verhindern.
  3. Einwanderungspolitik
  4. Wer nach Deutschland kommen und dort bleiben darf, dazu haben Union, FDP und Grüne sehr unterschiedliche Vorstellungen. Die Union plant ein Fachkräftezuwanderungsgesetz. Das heißt, wer in Deutschland einen festen Arbeitsvertrag hat, soll kommen dürfen. Die Grünen wollen hier lebenden Flüchtlingen vielmehr die Chance geben, den Status vom Asylantragssteller zum anerkannten Migranten zu wechseln. Sie legen auch Wert darauf, anderen Ländern nicht die Fachkräfte wegzunehmen. Die Liberalen hingegen wollen ein Einwanderungsgesetz schaffen, das Deutschland "qualifizierte und fleißige" Menschen bringt. Während Union und Liberale auch auf klare Rückführungsregeln dringen, stehen die Grünen bei dem Thema auf der Bremse.
  5. Sozialpolitik
  6. ​In den Fragen der Sozialpolitik gibt es zwischen Union und FDP einerseits sowie den Grünen andererseits etliche Konflikte. Den schärfsten Gegensatz gibt es in der Gesundheitspolitik: Die Grünen wollen eine Bürgerversicherung, in der Besserverdienende mehr zahlen und Privatversicherte nach und nach aufgenommen werden. Union und Liberale sind strikt dagegen. Auch bei der Rente ist Streit in Sicht, für die die Grünen ebenfalls eine Bürgerversicherung, eine Garantierente für Geringverdiener und mehr Steuergeld fordern. Die Liberalen setzen hingegen auf flexible private Vorsorgesysteme.
  7. Umwelt- und Energiepolitik
  8. Die Umwelt- und Energiepolitik dürfte in einer Jamaika-Koalition eines der umstrittensten Themen sein. Die Grünen müssen hier unbedingt liefern, damit ein Bundesparteitag und ein Mitgliederentscheid am Ende Ja zu einem Koalitionsvertrag sagen. Sie fordern, die 20 schmutzigsten Kohlekraftwerke sofort abzuschalten, damit Deutschland sein Klimaziel von minus 40 Prozent CO2 bis 2030 gegenüber 1990 noch erreichen kann. Schon 2030 soll 100 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energiequellen kommen. Um das zu erreichen, wollen die Grünen die Energiewende beschleunigen, indem sie die Deckelung für den Ausbau von Sonnen- und Windenergie abschaffen und auch wieder mehr staatlich organisierte Vergütungen für Öko-Stromanbieter zulassen wollen. FDP und Union lehnen alle diese Forderungen strikt ab, allerdings wollen auch sie an den bisherigen Klimaschutz-Zielen festhalten.
  9. Vor allem die FDP hat Wahlkampf gegen die ihrer Meinung nach überteuerte Energiewende gemacht. In Nordrhein-Westfalen hat sie etwa den weiteren Ausbau der Windkraft gestoppt, indem sie erfolgreich größere Mindestabstände für Windräder zur Wohnbebauung durchsetzte. In der Union dürfte die Kanzlerin als frühere Umweltministerin in der Lage sein, Brücken zu den Grünen zu bauen.
  10. Steuern
  11. Die FDP will die Steuerzahler unterm Strich um jährlich 30 Milliarden Euro entlasten, die Union um 15 Milliarden Euro und die Grünen um Null. Allerdings haben alle Parteien vor allem für untere und mittlere Einkommen mehr Netto durch eine Rechtsverschiebung oder Abflachung des Einkommensteuertarifs versprochen. Hier könnte es also zu Kompromissen kommen. Um mehr Geld für soziale Leistungen vor allem für Familien mit Kindern und für Investitionen in die öffentliche Infrastruktur zur Verfügung zu haben, wollen die Grünen höhere Einkommen ab 100.000 Euro allerdings stärker belasten. Das wird mit FDP und Union nicht zu machen sein. Die Union hatte wie schon 2013 auch in diesem Wahlkampf versprochen, es werde keine Steuererhöhungen geben.
  12. Die Grünen wollen das Ehegattensplitting für neue Ehen umwandeln in eine Individualbesteuerung plus deutlich mehr staatliche Förderung für Kinder. Auch das dürfte gegen Union und FDP kaum durchzusetzen sein. Allerdings will die Union Kindergeld und Kinderfreibeträge deutlich anheben. Den potenziellen Konfliktpunkt Vermögensteuer hatten die Grünen bereits entschärft: Sie fordern eine Vermögensteuer für Superreiche nur noch unter Bedingungen, die kaum umsetzbar und eher nicht realistisch sind.
  13. Verkehrspolitik
  14. Die Grünen fordern ein Verbot für Neuzulassungen von Autos mit Verbrennungsmotoren ab 2030, damit Deutschland auch auf den Straßen seine Klimaziele einhält. Auf den letzten Wahlkampf-Metern unterließ es Spitzenkandidat Cem Özdemir zwar, die Jahreszahl 2030 zu nennen. Dennoch dürfte es beim Auto-Thema knallen: Union und FDP wollen die Autoindustrie schützen, die vom Verbrennungsmotor abhängig ist. FDP-Chef Christian Lindner hatte sogar gefordert, Deutschland solle sich notfalls in Brüssel für eine Lockerung der Abgas-Grenzwerte einsetzen, um deutschen Autoproduzenten zu helfen.
  15. Allerdings dürfte es für Union und FDP schwer werden, die Industrie nicht zu teuren Hardware-Nachrüstungen von Dieselfahrzeugen zu zwingen. Denn es drohen Gerichtsurteile, die Fahrverbote für Diesel in vielen Städten unvermeidbar machen. Eine Jamaika-Koalition könnte also grünes Licht für die von den Grünen geforderte "Blaue Plakette" geben, mit denen die Städte Einfahrverbote nur für bestimmte Stadtregionen besser steuern könnten.
  16. Innere Sicherheit
  17. Die Innere Sicherheit wird zu einem besonderen Knackpunkt, weil die Union auf der einen und FDP sowie Grüne auf der anderen Seite in verschiedene Richtungen wollen. CDU und CSU bedauern etwa, dass die beschlossene Vorratsdatenspeicherung derzeit nicht angewendet wird, und dringen auf eine Verschärfung. FDP und Grüne wollen sie auf jeden Fall abschaffen und sind allenfalls dazu bereit, nach einem Verbrechen bestimmte Daten "einzufrieren". Die CSU will nach dem Wahlschock unbedingt die "rechte Flanke" schließen und hat mit Joachim Herrmann einen Law-and-Order-Mann für das Amt des Bundesinnenministers vorgesehen, der im Wahlkampf wiederholt weitere Eingriffe zum Schutz des Bürgers angekündigt hat und nun sicherlich mit der nötigen Beinfreiheit im Koalitionsvertrag ausgestattet werden soll.
  18. Dagegen halten FDP und Grüne die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit schon jetzt für nicht mehr gegeben. FDP-Parteichef Christian Lindner verweist darauf, dass Armin Laschet von der CDU und er bei den schwarz-gelben Koalitionsverhandlungen in NRW auch beim Thema Innere Sicherheit einen Kompromiss zurechtverhandelt bekamen. Aber nach den Einbrüchen bei der Union gibt es im Bund eine andere Ausgangsposition. CDU, CSU, FDP und Grüne wollen zwar alle 15.000 zusätzliche Polizisten, aber die von der FDP ins Zentrum gerückte neue Sicherheitsarchitektur mit Zusammenlegung von Behörden macht die CSU auf keinen Fall mit.
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