Welche Auswirkungen das neue Wahlrecht hat Das Problem mit den Überhangmandaten

Berlin · Bei der diesjährigen Bundestagswahl greift zum ersten Mal das im Februar verabschiedete neue Wahlrecht. Mit den Neuerungen verlieren die großen Parteien frühere Vorteile durch Überhangmandate. Zugleich dürfte aber auch die Gesamtzahl der Abgeordneten steigen. Die Reform betrifft zudem die Aufteilung der Mandate auf die Bundesländer. Wir klären die wichtigsten Fragen.

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Foto: dpa, Soeren Stache

Die sogenannten Überhangmandate stehen schon seit vielen Jahren in der Kritik. Das Problem: Vor allem größere Parteien gewinnen in den Wahlkreisen oft mehr Direktmandate (über die Erststimme), als ihnen nach dem bundesweiten Zweitstimmenergebnis zustehen. Das Bundesverfassungsgericht hatte das zuletzt geltende Wahlrecht daher auch gekippt, weil seiner Ansicht nach die Verteilung der Überhangmandate so nicht zulässig sei. Nun, nach dem neuen Wahlrecht, sollen diese Mandate ausgeglichen werden.

Wie war die Sitzaufteilung auf die Bundesländer bislang geregelt?

Bei der vergangenen Bundestagswahl wurde noch das Sitzkontingent auf die Parteien proportional zu ihrem bundesweiten Zweitstimmenergebnis — also wie viel Prozent eine Partei erhält — verteilt. In einem zweiten Schritt wurden dann die Sitze einer jeden Fraktion anhand deren Stimmzahlen in den einzelnen Bundesländern aufgeteilt. Maßgeblich für die Zusammensetzung des Bundestags waren also das bundesweite Zweitstimmenergebnis sowie die abgegebenen Stimmen in den einzelnen Ländern.

Wie werden die Abgeordneten künftig auf die Bundesländer verteilt?

Durch das neue Wahlrecht wird die Sitzverteilung zuerst auf Länderebene statt auf Bundesebene geregelt. Schon vor der Wahl werden alle 598 festen Bundestagssitze entsprechend dem Einwohneranteil der Bundesländer vergeben. Nach der Wahl wird die festgelegte Sitzanzahl eines jeden Bundeslandes anhand des jeweiligen Zweitstimmenergebnisses aufgeteilt.

Was ist das Problem mit den Überhangmandaten?

Überhangmandate entstehen, wenn eine Partei in einem Bundesland mehr Direktmandate erzielt, als ihr nach ihrem Zweitstimmenergebnis zustehen würden. Da die zusätzlichen Mandate trotzdem den bei den Erststimmen erfolgreichen Wahlkreisbewerbern zustehen, führte dies in der Vergangenheit zu einer Verzerrung des Wahlergebnisses, weil die Mandatsverteilung nicht mehr genau dem jeweiligen Stimmenanteil der Parteien entsprach. Bei der Bundestagswahl 2009 erzielten die Unionsparteien 22 Überhangmandate. Die Zahl der im Bundestag vertretenen Abgeordneten wuchs deshalb auf 620. CDU und CSU erhielten so einen relativen Vorteil.

Wie werden die Überhangmandate jetzt geregelt?

Es wird zwar weiterhin Überhangmandate geben, doch die anderen Parteien bekommen so viele zusätzliche Parlamentssitze — sogenannte Ausgleichsmandate — zugesprochen, bis der Parteienproporz wieder dem bundesweiten Zweitstimmenergebnis entspricht. Die sich ergebende Gesamtzahl an Mandaten, die einer Partei inklusive Überhang- und Ausgleichsmandaten zusteht, wird in einem zweiten Schritt auf die Bundesländer anhand der dort jeweils erzielten Zweitstimmen verteilt.

Warum wurde der Umgang mit den Überhangmandaten neu geregelt?

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) befand das alte Wahlrecht als nicht leicht nachvollziehbar. Des Weiteren kamen die Richter zu dem Schluss, dass die hohe Zahl an Überhangmandaten das Zweitstimmenergebnis verzerre. Daraufhin gaben auch die Koalitionsparteien dem Drängen der Opposition auf eine Ausgleichsregelung nach.

Welche Rolle spielt das negative Stimmgewicht?

Die Ablehnung des alten Wahlrechts wurde auch damit begründet, dass das sogenannte negative Stimmgewicht künftig unwahrscheinlicher sein soll. Hierbei handelt es sich um das Phänomen, dass eine Partei unter Umständen als Folge der komplizierten Mandatsverteilung auf Parteien und Bundesländer ein Mandat verlieren konnte, obwohl das Zweitstimmenergebnis höher ausfiel.

Welche Folgen hat die Neuregelung für die Größe des Bundestages?

Nach Angaben des Bundeswahlleiters würden aus dem Wahlergebnis von 2009 nach dem neuen Wahlrecht 671 Abgeordnete resultieren. In den beiden Legislaturperioden zwischen 1994 und 2002 fanden schon einmal ähnlich viele Abgeordnete im Plenarsaal Platz. Allerdings gibt es auch Szenarien, wonach die Zahl der Abgeordneten auf bis zu 800 steigen könnte. Dies gilt jedoch als unwahrscheinlich. Mit Umbauplänen will sich die Bundestagsverwaltung jedenfalls wenn nötig erst nach dem Wahltag befassen.

(AFP/das)
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