Spitzenkandidatin der Linken Wie Sahra Wagenknecht zum Star wurde

Berlin · Die Spitzenkandidatin der Linken füllt die Plätze in Ost und West und hat in den neuen Ländern einen größeren Vertrauensbonus als der SPD-Vorsitzende.

 Sahra Wagenknecht (Archivbild).

Sahra Wagenknecht (Archivbild).

Foto: Michael Kappeler

Sie war das kommunistische Schmuddelkind der PDS, das Gregor Gysi daran hinderte, der SED-Nachfolgepartei ein moderneres Image zu geben. Deshalb musste Sahra Wagenknecht aus dem Parteivorstand wieder ausscheiden. Mitte der 90er war das. Freundliches zum Stalinismus, Leitung der Kommunistischen Plattform, Gründerin der Antikapitalistischen Linken: Da wusste jeder, wo diese Frau stand. Von manchem hat sie sich inzwischen distanziert, aber so ein bisschen Klassenkampf klingt durch ihre aktuellen Wahlkampfreden immer noch durch. Damit wurde sie der Star der Linken und zugleich das größte Problem für Rot-Rot-Grün.

Dabei bestätigen Demoskopen ihren Grundansatz: Der Schulz-Hype vom Jahresbeginn drückte die Hoffnung vieler Deutscher auf eine Alternative zu Merkel aus. Hätte Schulz an Konzepten für ein rot-rot-grünes Bündnis gearbeitet, stünde er nun ganz anders da. Dienstag beginnt Wagenknecht ihre Wahlkampfrede in Bonn mit der Feststellung "Ich hätte mir gewünscht, dass wir jetzt für eine Regierung mit einem deutlich anderen Programm werben." Doch die Chancen sind nahezu aussichtslos. So will sie denn mit einem "überraschend starken" Abschneiden der Linken als deren Spitzenkandidatin noch mal was drehen.

Dabei sieht die SPD Wagenknecht als personifizierte Bremse für Bündnis-Gedanken. Tatsächlich arbeitet sie sich im Wahlkampf besonders schneidend an der SPD ab. Da spricht sie von "Riesterschwachsinn" und will Teile der SPD-Agenda-Politik schlicht verbieten.

Bevor sie zur Spitzenkandidatin gekürt wurde, bestand Wagenknechts Zugeständnis an den gemäßigten Parteiflügel darin, für einen echten Politikwechsel auch zu einer Regierungsbeteiligung bereit zu sein. Doch wer sie bei ihren Auftritten auf den Plätzen der Republik erlebt, der bekommt den Eindruck, dass das erst passiert, wenn SPD und Grüne so geworden sind, wie Wagenknecht die Linke will. Da gibt es dann eine 75-prozentige Besteuerung auf Einkünfte über einer Million, da beruhen Vermögen auf "Enteignungen", und da müssen Parteispenden von Unternehmen allesamt verboten werden.

Die telegene Ökonomin Wagenknecht (48), seit 2014 mit Ex-SPD-Chef Oskar Lafontaine (74) verheiratet, zieht Tausende in den Bann. Vor allem im Osten. Da hat sie laut Insa-Demoskopen in Sachen Vertrauen sowohl Martin Schulz (17,3 Prozent) als auch Frank-Walter Steinmeier (18,8) mit 28,4 Prozent den Rang abgelaufen. Nur die Kanzlerin liegt mit 33,4 Prozent noch vor ihr. Das mag auch daran liegen, dass sie in der Flüchtlingsdebatte diverse Male nah an AfD-Thesen wahrgenommen wurde. Weil sie von "Grenzen der Aufnahmefähigkeit" sprach, vom "verwirkten Gastrecht", flog ihr von linken Gegnern eine Torte ins Gesicht. Damit blieb die Generalabrechnung ihrer Kritiker aus. Es sieht so aus, als könnten die Linken Sonntag unter den Kleinen ganz groß sein. Das würde auch Wagenknechts Stellung erneut stärken.

(may-)
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