Bundestagswahl entscheidet über politische Zukunft Die Piraten und das verflixte siebte Jahr

Düsseldorf · Personaldebatten und Drohungen, rechtsextreme Stimmungen, ein rasender Aufstieg und jäher Abstieg – was die Piraten in ihrer kurzen, politischen Schaffenszeit durchgemacht haben, erleben andere Parteien in Jahrzehnten. In zwei Wochen entscheidet sich ihre politische Zukunft.

Für die Piraten hätte die NSA-Affäre ein dankbarer Wahlkampfhelfer sein müssen, so kurz vor der Bundestagswahl. Der Skandal um die Sammlung und Auswertung von Internetdaten betrifft eines der Kernthemen der Piraten. In ihrem "Grundsatz- und Wahlprogramm" treten die Piraten für eine Stärkung des Datenschutzes ein und lehnen jede Form der Vorratsdatenspeicherung als "Überwachungsmaßnahme" ab.

Die Affäre hätte ihren Wahlkampf befeuern und der Partei einen beträchtlichen Schub an Motivation geben können. Bei der wählenden Bevölkerung aber kam wenig an. Kaum jemand kann sich an inhaltliche Diskussionsbeiträge der Piraten erinnern. Die NSA-Affäre hätte zur Profilstärkung einer kriselnden Partei beitragen können, die mit sinkenden Umfragewerten zu kämpfen hat. Sie tat es nicht.

Piraten hinterfragen nicht

Ihr Parteichef ordnete die Kritik – wenig überraschend - anders ein. Im Gespräch mit dem Radiosender WDR 5 sagte Bernd Schlömer vergangene Woche, die Piraten hätten es sehr wohl geschafft, ihre Themen und Grundsatzpunkte an den Wähler zu bringen. Seine Aussagen offenbarten vielmehr, dass die Partei sich schwer damit tut, die eigene, politische Arbeit kritisch zu hinterfragen. Getreu dem Motto: Augen zu und durch.

Schlömers halbherzige Durchhalteparolen im WDR-Interview klangen wie ein verzweifelter Kampf ums Überleben - ums politische Überleben. Und darum könnte es für die einstigen Polit-Stars in den kommenden Wochen und Monaten durchaus gehen.

Einzug oder Splitterpartei?

In knapp zwei Wochen ist Bundestagswahl. Umfragen sehen die Piraten bei gerade einmal drei Prozent. Der Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde ist unwahrscheinlich, der Sturz auf den Status einer Splitterpartei dagegen durchaus im Bereich des Möglichen - ausgerechnet im verflixten siebten Jahr ihres politischen Wirkens.

Die Piraten haben in ihrer recht kurzen, politischen Schaffenszeit allerhand erlebt. Vor genau sieben Jahren gründete sich die Piratenpartei Deutschland als Ein-Thema-Partei. Am 10. September 2006 ging es ihnen vornehmlich um das Urheberrecht. Das flippige, unkonventionelle Image der politischen Freibeuter kam offenbar gut an bei den Menschen.

Mit den Mitgliedern kamen die Probleme

Binnen kürzester Zeit explodierte die Zahl an Mitgliedern, das Medieninteresse stieg, und in Europa gründeten sich viele nationale Ableger. Der erste Wahlerfolg der Piraten stellte sich rasch ein: Bei der Bundestagswahl 2009 erzielte sie ein beachtliches Zweitstimmenergebnis von zwei Prozent.

Im September 2011 zogen sie bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus erstmals in ein Landesparlament ein. 2012 folgte der Einzug in drei weitere Landtage (Saarland, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen). Mit dem politischen Erfolg wuchs auch die Zahl der Parteimitglieder - und mit ihnen kamen die Probleme.

Ansehen der Partei sank

Erst waren es rechtsextreme Stimmungen, die der populären Partei im Spannungsfeld zwischen freier Meinungsäußerung und der Abgrenzung vom Rechtsextremismus erste Kratzer versetzten. Ständige Personaldebatten, Streitigkeiten, Antisemitismus-Vorwürfe und sogar Drohungen ließen das Ansehen weiter sinken.

In Erinnerung wird vornehmlich die Dauerfehde zwischen Geschäftsführer Johannes Ponader und Parteichef Schlömer bleiben. Im Mai dieses Jahres trat Ponader zurück, nachdem er von Parteikollegen wiederholt zum Rücktritt aufgefordert worden war. Ihm wurde eine Mitschuld an den schlechten Umfragewerten der Partei gegeben.

Dauerstreit Ponader und Schlömer

Besonders umstritten war Ponader, weil er sich mit zahlreichen Äußerungen in Talk-Shows und Interviews den Unmut von Schlömer zugezogen hatte. Vorgeworfen wurde Ponader unter anderem, dass er weltfremd wirke und beratungsresistent sei. Der Streit der Piraten-Größen prägte das teils chaotische Bild- auch das prägte das Bild

Politische Beobachter werden die kommenden Tage des Wahlkampfs und die Hochrechnungen am 22. September sehr genau analysieren. Gut möglich, dass der Urnengang auch über den Werdegang der Piraten entscheiden wird. Schaffen sie den Sprung in den Bundestag oder nicht? Nehmen sie einen festen Platz ein in der parlamentarischen Demokratie der Bundesrepublik Deutschland oder schrumpfen sie auf den Rang einer Splitterpartei?

Schlömer rechnet mit sechs Prozent

Falls sie die Fünf-Prozent-Hürde nicht nehmen, wird es für die Partei schwer, sich in Zukunft zu profilieren, vermuten Experten. Trotz schlechter Umfrageergebnisse rechnet der Parteivorsitzende Schlömer fest mit dem Einzug in den Bundestag. "Nach meiner Prognose wird es am 22. September für die Piratenpartei mit sechs Prozent reichen."

Das klingt nach Durchhalteparole – vielleicht aber gelingt den Piraten tatsächlich die Kehrtwende. Und das ausgerechnet im verflixten siebten Jahr.

(nbe)
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