Was sind die Umfragen wert? Die Probleme der Meinungsforscher

Düsseldorf (RPO). Es ist so ein wenig wie das Stochern im Nebel. Viele Unsicherheitsfaktoren machen den Meinungsforschern bei ihren Prognosen für die Bundestagswahl das Leben schwer. Wie viel sind die Umfragen gerade im Hinblick auf den erwartet knappen Ausgang der Bundestagswahl am Sonntag wert? Bereits in der Vergangenheit langten die Demoskopen kräftig daneben.

Bundestagswahl: Die wichtigsten Zahlen
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Foto: AP

Am Sonntag dürfte den Bürgerinnen und Bürgern ein langer Wahlabend bevorstehen. Dass die erste Hochrechnung um kurz nach 18 Uhr bereits eindeutig über Sieger, Verlierer, Koalitionen und Kanzleramtsbesetzung informiert, gilt als immens unwahrscheinlich. Zu eng liegen die politischen Lager in den Umfragen beieinander.

Foto-Finish am Wahlabend

Während die Meinungsforschungsinsitute Allensbach, Emnid, Forsa, Forschungsgruppe Wahlen und Infratest dimap CDU und CSU zwischen 35 und 36 Prozent sehen, kommt die SPD aktuell auf Werte zwischen 24 und 26 Prozent. Die FDP liegt je nach Institut zwischen 13 und 14 Prozent, die Grünen zwischen zehn und elf Prozent, die Linke zwischen zehn und zwölf Prozent.

So groß sind die einzelnen Schwankungen also gar nicht, könnte man nun argumentieren. Doch bei dieser Wahl kann eben schon ein Prozentpunkt über Sieg und Niederlage entscheiden. Der Stern-RTL-Wahltrend sieht eine Koalition aus CDU/CSU und FDP momentan beispielsweise bei 48 Prozent, die Konkurrenz aus SPD, Grünen und Linke bei 47 Prozent. Foto-Finish heißt so etwas im Sport.

Wenn man bedenkt, dass die Umfragehäuser die Fehlerquoten ihrer Erhebungen bei bis zu vier Prozent ansiedeln, muss die Frage erlaubt sein, wie weit kann man diesen Umfragen trauen kann?

Patzer bei vergangenen Wahlen

Schließlich ist es nicht so, dass man sich in den vergangenen Wahlen auf die Demoskopen hätte bedingungslos verlassen können. Beim Duell zwischen Edmund Stoiber (CSU) und SPD-Amtsinhaber Gerhard Schröder 2002 prophezeiten die Meinungsforscher noch bis in den September hinein eine stabile Mehrheit für Schwarz-Gelb. Dann hieß es plötzlich, eine klare Mehrheit sei nicht mehr abzusehen. Auch das Ausland blickte mit Spannung nach Berlin. Das "Time"-Magazine titelte Mitte des Monats offen und ehrlich: "Too close to call" (zu knapp, um einen Sieger auszurufen).

Eine Mehrheit für Rot-Grün sah bis zum Wahltag kein einziges deutsches Institut. Die kam am spannenden Wahlabend (besser gesagt: der spannenden Wahlnacht) aber dennoch zur Überraschung der meisten zustande. Der Sieg für Rot-Grün ging allerdings einher mit der Niederlage der Demoskopen.

Noch gravierender griffen die Meinungsforscher 2005 daneben. Nahm man den Mittelwert der Umfragen aller Institute Mitte September, so brachte es die Union im Schnitt auf 41,6 Prozent. Das tatsächliche Ergebnis für CDU und CSU lag am Ende aber gerade mal bei 35,2 Prozent - eine Differenz von mehr als sechs (!) Prozentpunkten.

Die Umfrageforscher hatten sowohl SPD (33,3 Prozent statt der tatsächlichen 34,2 Prozent) als auch FDP (7,1 statt 9,8) und Grüne (7,1 statt 8,1) zu schwach eingeschätzt. Die von Angela Merkel ersehnte schwarz-gelbe Mehrheit stand außer Frage, die CDU-Vorsitzende und spätere Kanzlerin musste sogar darum zittern, mit der Union die stärkste Fraktion im Bundestag zu stellen.

Schwerer Job für Meinungsforscher

Bei aller Skepsis an den Erhebungen der Forschungsinstitute darf natürlich nicht übersehen werden, dass die Demoskopen einen äußerst schweren Job haben. Hochrechnungen sind ohnehin komplizierte mathematische Drahtseilakte. Jeder, der sich auf der Universität, im Beruf oder Alltag einmal mit statistischen Erhebungsverfahren beschäftigt hat, weiß davon ein Lied zu singen.

Wie sollten die Umfragen auch sichere Punktlandungen sein, wenn man bedenkt, dass noch bis zu ein Viertel der Wähler unentschlossen ist, für welche Partei sie ihr Kreuz machen werden? Und die Wahlbeteiligung steht ebenfalls noch in den Sternen.

Bei den Bundestagswahlen sind die Nichtwähler seit langem drittstärkste Kraft. 2005 lag die Wahlbeteiligung bei 77,7 Prozent. Das heißt, mehr als 13,8 Millionen Bürger blieben zu Hause. Angesichts von Wirtschaftskrisen-Frust und Politikverdrossenheit wagt kaum jemand eine Prognose darüber, wie es in drei Tagen aussehen wird.

Statistiker statt Hellseher

Vergessen wir zudem nicht die aktuellen Rechenspiele in Sachen Überhangsmandate. Vorauszusagen, wie viele Überhangmandate für Union und SPD entstehen, ist nahezu ein Ding der Unmöglichkeit. Denn das hieße, sämtliche Direktmandate und damit die Ergebnisse in den einzelnen Wahlkreisen der Republik zu prophezeien. Statistiker sind eben keine Hellseher.

Nein, im Gegensatz zu anderen Ländern sind unsere Umfrageforschungen bei allen Schwächen noch als qualitativ hoch anzusiedeln. Bei den US-Wahlen 2008 etwa lagen die Ergebnisse in einzelnen Staaten nicht selten zehn Prozent oder mehr abseits der Prognosen.

Sicher ist zumindest eines: Der Wahlabend am Sonntag wird an Spannung kaum zu überbieten sein. Wählen gehen und einfach überraschen lassen - so könnte die Devise lauten.

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