FDP-Personal Christian Lindner — und sonst?

Berlin · Christian Lindner ist die zentrale Figur der FDP. Aber wer könnte nach der Bundestagswahl noch etwas werden? Ein Überblick über die zweite Reihe hinter dem omnipräsenten Vorsitzenden.

 Christian Lindner auf dem Bundesparteitag der FDP (Archiv).

Christian Lindner auf dem Bundesparteitag der FDP (Archiv).

Foto: ap, MS

FDP-Vize Wolfgang Kubicki zählte beim Sonderparteitag rückwärts. 174 Stunden noch, 173, und als es noch 172 Stunden bis zum Schließen der Wahllokale am nächsten Sonntag waren, da scharten sich viele Liberale aus der zweiten und dritten Reihe um den Vorsitzenden. Die Traube war ständig in Bewegung, weil jeder darauf achtete, nah bei Christian Lindner abgelichtet zu werden. Der machte mit Küsschen und Umarmungen die Runde. Denn wenn ab der nächsten Woche die wichtigsten Posten in der Fraktion, im Bundestag und vielleicht sogar in der Regierung mit FDP-Leuten zu besetzen sind, wird auch einer auf Lindner fixierten Öffentlichkeit klar werden, dass es da inzwischen reichlich Potenzial hinter Lindner gibt.

Vor allem steht natürlich die Bundestagswahl. Umfragen zufolge wird den Liberalen der Wiedereinzug in den Bundestag gelingen. Ein paar personelle Entscheidungen werden gefällt, wenn sich die neue FDP-Fraktion voraussichtlich nächsten Montag um 15 Uhr konstituiert hat. Aber sie zeichnen sich bereits ab. So läuft es für FDP-Bundesgeschäftsführer Marco Buschmann (40) auf den Posten des Chefregisseurs der Fraktion hinaus: Er soll Parlamentarischer Geschäftsführer werden. Und dass der Europapolitiker und FDP-Spitzenkandidat Michael Theurer (50) aus Baden-Württemberg stellvertretender Vorsitzender für den Bereich Wirtschaft und Finanzen wird, gilt ebenfalls als gesetzt.

Westerwelles Fehler

Dreh- und Angelpunkt der zentralen Personalien ist jedoch, welche Ministerien die FDP in einem schwarz-gelben oder in einem schwarz-gelb-grünen Bündnis bekämen und was Lindner selbst tut. Er wird von vielen gedrängt, bloß nicht den Fehler von Guido Westerwelle zu wiederholen, der für den Eintritt als Außenminister in die Regierung den Posten des Fraktionschefs aufgab. Lindner will dieses Mal unbedingt das Finanzministerium haben, wie er durchblicken ließ, und nicht ganz zufällig taucht bei ihm das Wort "Finanzen" an erster Stelle der Themen auf, um die er sich gekümmert habe. Deswegen gibt es auch die Erwartungshaltung, dass es Lindner selber macht, wenn es ihm gelingt, Wolfgang Schäuble das Ressort wegzunehmen.

In diesem Fall kommt Wolfgang Kubicki (65) als Fraktionschef in Frage. Er ist das in Schleswig-Holstein bereits seit zwei Jahrzehnten und hat soeben das Jamaika-Bündnis mit CDU und Grünen in Kiel hinbekommen. Früher stets für krachende Schüsse ins eigene Lager gut, hat er sich mit Lindner vor vier Jahren auf das Projekt Wiedereinzug verschworen und ist seitdem Lindner-Vertrauter.

Wer könnte Minister werden?

Faktischer "Außenminister" der FDP ist bereits der Vizepräsident des Europaparlamentes, Alexander Graf Lambsdorff (50). Er käme zum Zuge, wenn dieser Posten tatsächlich an die Liberalen ginge. In einem Jamaika-Bündnis wird jedoch damit gerechnet, dass Cem Özdemir von den Grünen hier die besten Karten hätte, und bei Schwarz-Gelb ist fraglich, ob die FDP das Auswärtige Amt bekäme, wenn sie schon das Finanzministerium hat.

Als ministrabel gilt auch Johannes Vogel (35), dem als Lindners NRW-Generalsekretär eine zentrale Rolle zufiel und der seit Jahren die Arbeitsmarkt- und Rentenpapiere der Liberalen entscheidend mitkonzipiert. Als Nicht-Jurist käme er für das Justiz-Ressort eher nicht in Frage. Er gehört jedoch zu den Liberalen hinter Lindner mit dem größten Zukunftspotenzial.

"Modell Pinkwart" für den Bund?

In einer neuen FDP-Fraktion werden eine Reihe erfolgreicher Frauen sitzen, die für den Wiederaufstieg der Liberalen stehen: Generalsekretärin Nicola Beer (47) ist die Nummer eins in Hessen, so wie es Lencke Steiner (32) in Bremen, Katja Suding (41) in Hamburg und Linda Teuteberg (36) in Brandenburg sind. Von ihnen hat die Hamburgerin die besten Kabinettschancen. Die FDP-Spitze ist der durchsetzungsstarken Hanseatin dankbar: Sie sicherte in der Phase, in der es für den Drehplan zum Wiedereinzug wichtig war, den Wahlerfolg in Hamburg, obwohl die FDP Monate zuvor auch dort von den Demoskopen kaum noch wahrnehmbar gewesen war. Die "Erzählung" von der neuen FDP gelang auch dank Suding.

Über Regierungserfahrung verfügt in der absehbaren neuen Fraktion neben Beer (Kultusministerin in Hessen) auch Michael Link (53, Außenamts-Staatsminister). Aus diversen Äußerungen aus der FDP-Spitze ist zu entnehmen, dass die Ministerriege nicht allein aus dem Feld der Abgeordneten oder Landesminister berufen werden könnte, sondern dass das nordrhein-westfälische "Modell Pinkwart" auch im Bund greifen könnte. Andreas Pinkwart (57) war Wirtschaftsprofessor in Leipzig, als Lindner ihn nach dem Wahlsieg von Schwarz-Gelb als Wirtschaftsminister nach Düsseldorf holte.

So fällt für den Bund der Blick auch auf Werner Hoyer (65), der wie Pinkwart aus der Parteiarbeit ausgeschieden war und Präsident der Europäischen Investitions-Bank wurde. Sein Vorteil: Er nimmt schon seit fünf Jahren an den europäischen Finanzministertreffen teil.

(may-)
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