"Fünfkampf" in der ARD Wahlkampf ohne Weggucken

Meinung | Berlin · Vom Kanzlerduell Enttäuschte bekamen beim "Fünfkampf" mit den Vertretern der kleinen Parteien mehr Kontroverse geboten. Und mehr Duell. Eine Anregung für einen Umbau des TV-Wahlkampfes.

Politischer Fünfkampf: Spitzenkandidaten streiten in TV-Runde
6 Bilder

Politischer Fünfkampf: Spitzenkandidaten streiten in TV-Runde

6 Bilder

Es war der Tag nach dem Duell zwischen einer souveränen Kanzlerin Angela Merkel und ihrem agilen Herausforderer Martin Schulz. Das ZDF bot den Dreikampf mit Alexander Dobrindt (CSU), Katrin Göring-Eckardt (Grüne) und Dietmar Bartsch (Linke), die ARD rief zum Fünfkampf mit Joachim Herrmann (CSU), Cem Özdemir (Grüne), Sahra Wagenknecht (Linke), Christian Lindner (FDP) und Alice Weidel (AfD).

Zwei öffentlich-rechtliche Resterampen-Sendungen für die am Vortag Zukurzgekommenen also. Zwei Modelle, wie Fernsehmacher mit ihrem schlechten Gewissen umgehen, wenn sie auf das Duell und das deutsche Wahlrecht schauen. Von der Wahl des Kanzlers steht da nichts, nur von Parteien. Also ging es um nachträgliche Korrektur der Chancengleichheit. Es wurde ein gutes Anschauungsprojekt für einen besseren telegenen Wahlkampf.

 Die Vertreter der kleinen Parteien treten im "Fünfkampf" an.

Die Vertreter der kleinen Parteien treten im "Fünfkampf" an.

Foto: dpa, bvj

Das ZDF ließ dem CDU-SPD-Kanzlerkandidaten-Duell eine bundestagsinterne Ergänzung folgen. Der Dreikampf war kurzweiliger als das Duell mit Duett-Charakter. Linke und Grüne konnten gegeneinander und zusammen gegen die CSU punkten, und Dobrindt teilte nicht nur heftig aus, indem er die alten Generalsekretärsboxhandschuhe anzog, sondern bekam auch als Verkehrsminister heftig eingeschenkt. Doch bei jedem Thema wirkte das Format reichlich schal, war doch klar, dass sowohl Linke als auch Grüne von zwei anderen Parteien überholt werden könnten, die nicht dabei waren. So wurde der Dreikampf zur Vorgruppe des Fünfkampfes in der ARD.

Der begann zweifelhaft. Der erste Antwortgeber war ausgelost worden. Und so wirkte der Auftakt denn wie eine dürftige Stichwortgeber-Veranstaltung: Christian Lindner durfte auf die brave Frage nach der Bedeutung der Digitalisierung die Kernthesen seines Wahlkampfschwerpunktes runterbeten.

Bald aber gingen Sonia Mikich und Christian Nitsche kratzbürstiger zu Werke, konfrontierten die Spitzenkandidaten mit Urteilen oder Vorurteilen aus der Bevölkerung, unternahmen somit zumindest den Versuch, wichtige Unterschiede in den Positionen als Entscheidungshilfe zu klären.

"Keine Regeln" lautete die Vorgabe - außer dem Bemühen, bei den Redezeiten einigermaßen ausgewogen zu sein. Das war schwer genug angesichts einer Meisterin des Reingrätschens Sahra Wagenknecht und einer zu einsilbigen Ausflüchten neigenden Alice Weidel. Wenn Moderatoren "keine Regeln" feiern, müssen sie damit rechnen, dass Politiker mit gleicher Münze zurückzahlen.

So gab es denn eine Reihe schräger Szenen, in denen die einen was zum Digitalen sagen durften, die anderen nicht, die anderen was zum Euro, die einen nicht. Dem Publikum dürfte es gefallen haben, wurde so doch das Runterleiern der ewig gleichen Sätze verhindert, konnten die Politiker insgesamt zeigen, wie sattelfest sie über viele Programminhalte hinweg sind und an jeweils anderen Stellen punkten. Aber eine zu straffe Moderation, die regellos willkürlich wird, dem einen scharf in die Parade fährt und dem anderen brave Thesenabfrage offeriert, macht sich in Wahlkampfzeiten unnötig angreifbar.

Die stärksten Szenen entwickelten sich immer dann, wenn die Politiker die Unterschiede ihrer Parteien im direkten Streit ausbreiteten. Das Experiment, jedem Teilnehmer eine Minute zu schenken, in der er einen anderen Politiker selbst befragen darf, zeigte daher im Ansatz Wirkung.

Die findigen Profis erkannten natürlich direkt, dass das ihre Chance war, auf Feldern Duftmarken setzen zu können, auf denen sie nicht zu Wort gekommen waren, so wurden die "Fragen" zu verkappten Eigenbeschreibungen. Doch als Weidel und Wagenknecht sich mal lobend, mal warnend angingen, hatte das echten Duell-Charakter. Ähnlich auch der Clinch zwischen Lindner und Özdemir über die Ausrichtung der künftigen deutschen Russlandpolitik. An solchen Stellen hätte es der Sendung gut getan, wenn diese Elemente einfach aus dem zeitlichen Rahmen hätten laufen können.

Das führt zu der Frage, ob es mehr solcher Experimente braucht? Richtig wäre wohl ein Mix. Natürlich haben die Wähler einen Anspruch auf Nahbeobachtung in einem klassischen Zweier-Format: Wie frisch ist die Amtsinhaberin, wie kompetent der Herausforderer? Die Zeit darf und muss sich das TV nehmen, damit sich jeder einzelne Wähler ein Bild davon machen kann, wer Kanzler kann.

Hinzu kommen muss aber ein realistisches Zweitformat. Und zwar nicht nach dem alleinigen Kriterium der Nicht-Kanzlerkandidaten-Parteien. Das muss dann halt ein Siebenkampf werden, wenn sieben Parteien beste Aussichten haben, in den nächsten Bundestag zu kommen. Und es sollte nicht ein einziger Alibi-Abend mit einer Auswahl von Spitzenkandidaten sein, sondern eine Abfolge derartiger Treffen von allen. Um einen Galopp durch eine willkürliche Themenauswahl zu vermeiden, könnten an drei, vier Abenden die wichtigsten Schwerpunkte des Wahlkampfes kurzweilig und kontrovers durchgeknetet werden.

So hat der Fünfkampf eine Ahnung davon geliefert, wie spannend und aufklärend telegener Wahlkampf in Deutschland auch sein könnte.

(may-)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort