Rainer Brüderle im RP-Interview „Gewerbesteuer ist überflüssig“

Die FDP will den Städten stattdessen mit anderen Einnahmen konjunkturunabhängig helfen.

 Der FDP-Spitzenkandidat und Fraktionschef Rainer Brüderle (68) während seines Redaktionsbesuchs in Düsseldorf.

Der FDP-Spitzenkandidat und Fraktionschef Rainer Brüderle (68) während seines Redaktionsbesuchs in Düsseldorf.

Foto: Andreas Endermann

Sie kommen gerade von einem Besuch bei Altbundeskanzler Helmut Kohl. Hat er Ihnen die Leihstimmen der Union schon zugesagt?

Brüderle Nein, wir sind regelmäßig im Kontakt schon seit vielen Jahren. Er hat keine Empfehlung ausgesprochen. Er will eine bürgerliche Regierung. Die wollen wir auch.

Es wirkte aber ein wenig wie ein Wink mit der Leihstimme.

Brüderle Die Menschen in Deutschland vergeben ihre zwei Stimmen sehr bewusst. Die Grünen werben um die Zweitstimmen, wir tun das auch. Frau Merkel wirbt um Erst- und Zweitstimmen, das ist nur legitim.

Die Umfragen sagen, dass es für eine bürgerliche Mehrheit knapp wird. Was tut die FDP, wenn es dafür nicht reicht?

Brüderle Eine Ampelkoalition werden wir an diesem Donnerstag bei unserem Parteikonvent eindeutig ausschließen. Wir sind nicht das Feigenblatt für Rot-Grün!

Sie könnten es mit der AfD probieren oder sich von ihr tolerieren lassen.

Brüderle Ein-Thema-Parteien lösen die Probleme nicht. Was einige mit dem Euro vorhaben, ist völlig unrealistisch. Das gefährdet unseren Wohlstand.

Sie schließen eine Kooperation aus?

Brüderle Damit beschäftige ich mich überhaupt nicht, weil ich überzeugt bin, dass wir die christlich-liberale Koalition fortsetzen werden. Ich warne ausdrücklich: Wer als Protestwähler oder Nichtwähler ins Bett geht, wacht als rot-rot-grüner Steuerknecht auf. Diese Wahl ist eine enge Kiste. Deutschlands Wohlstand basiert auf Stabilität, nicht auf Experimenten.

Aus den letzten Wahlen gingen sie mit 15 Prozent heraus, weil Sie die Steuern senken wollten. Nun wollen die Anderen die Steuern erhöhen und Sie machen nichts. Warum?

Brüderle Wir haben die Bürger um 22 Milliarden entlastet. Gleichzeitig mussten wir kurzfristig 55 Milliarden für den Eurorettungsfonds, für die Unterstützung der Kommunen und für die Fluthilfe bereitstellen. Trotzdem haben wir für 2014 einen strukturell ausgeglichenen Haushalt vorgelegt.

Ist denn der Slogan "einfach, niedrig und gerecht" nur noch von gestern?

Brüderle Nein, aber um eine große Steuerreform umzusetzen, brauchen Sie beide Verfassungsorgane. Für eine Steuer-Revolution sehe ich mit den rot-rot-grünen Steuererhöhern im Bundesrat zur Zeit leider keine Chance.

Greifen Sie das Thema Steuersenkung wieder auf?

Brüderle Ja, das tun wir. Erst gleichen wir den Haushalt aus, dann schaffen wir in Stufen den Soli ab.

Die Kanzlerin sympathisiert mit einem Erhalt.

Brüderle Das ist ja der Reiz an dieser Koalition. Wir sind das Upgrade der Union. Die waren auch dagegen, die Praxisgebühr abzuschaffen. Dafür ist eben die FDP nötig. Der Staat muss mit den 700 Milliarden Steuereinnahmen auskommen. Die Menschen brauchen angesichts dieser Summen eine Entlastung, deswegen muss der Soli Schritt für Schritt weg.

Was wird aus der Erbschaftssteuer?

Brüderle Wir warten das Urteil des Verfassungsgerichtes ab. Klar ist: zusätzliche Belastungen darf es nicht geben. Bei der Bundestagswahl geht es aber vor allem darum, die Grünen-Pläne zu verhindern. Die wollen die Erbschaftssteuer verdoppeln. Dazu darf es nicht kommen.

Wie geht es weiter mit der Gewerbesteuer?

Brüderle Gegen den Widerstand der Kommunen können wir das nicht regeln. Aber im Grunde ist die Gewerbesteuer überflüssig. Sie passt auch nicht in unser System. Den Städten wäre doch mehr geholfen, wenn sie zum Beispiel einen größeren Anteil an der Mehrwertsteuer bekämen. Das wäre dann auch weniger konjunkturabhängig. Das Thema müssen wir mit der Union nach einer erfolgreichen Wahl auf die Agenda setzen.

Wo können Sie denn weiter entlasten?

Brüderle Wir wollten die kalte Progression reduzieren, damit von den Lohnerhöhungen mehr bei den Arbeitnehmern ankommt. Das haben SPD und Grüne im Bundesrat verhindert, zusammen mit den Linken. Mit uns wird es nach den Wahlen einen neuen Anlauf geben, denn die Entlastung der fleißigen Menschen bleibt klar unser Ziel.

Die Energiepolitik sieht nicht sehr überzeugend aus.

Brüderle Wir müssen zügig an das Erneuerbare Energien-Gesetz heran. Es darf nicht bei der rot-grünen Regelung bleiben, wonach die Oma mit der Leselampe quasi die garantierten Einnahmen für Poolbesitzer mit Sonnenkollektoren bezahlt. Um die benötigten Stromleitungen schnell bauen zu können, werden wir die rot-grünen Länder in die Pflicht nehmen müssen.

Und das machen Sie mit einem eigenen Energieministerium?

Brüderle Das brauchen wir nicht - aber eine Bündelung der Zuständigkeiten im Wirtschaftsministerium, damit die Energiewende aus einem Guss erfolgen kann.

S. Gösmann, A. Höning, M. Kessler, G. Mayntz und R. Michels führten das Interview

(may-)
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