Jüngster Bundestagsabgeordneter Von der Uni in den Bundestag

Düsseldorf/Berlin · Student, verwurzelt im Ruhrgebiet, diskussionsfreudig - das ist Deutschlands neuer jüngster Abgeordneter im Bundestag: Roman Müller-Böhm, 24 Jahre.

Jüngster Abgeordneter: Von der Uni in den Bundestag
Foto: FDP

Mitten in der Nacht wird Roman Müller-Böhm klar, dass er ein neues Leben beginnt. Schon in Mülheim hat er mit seinen Parteifreunden auf den Erfolg der FDP angestoßen. Um 21 Uhr setzte sich der Mülheimer dann in Düsseldorf ins Flugzeug - zur Wahlparty nach Berlin. Ob er selbst künftig als Abgeordneter dabei ist, war nicht klar. Auf Listenplatz 18 könnte es eng werden. Dann der Jubel. Es reicht für den Bundestag. Berlin wird Müller-Böhms neue zweite Heimat. Er kann direkt dort bleiben.

Dass er im Bundestag der Jüngste sein wird, bemerkte er am Montag. Einen Monat jünger ist er als sein CDU-Kollege Philipp Amthor aus Mecklenburg-Vorpommern. Müller-Böhm wird im Dezember 25. "Ich bezweifel ja, dass das was ausmacht. Aber auf dem Blatt bin ich jetzt nun mal der Jüngste", sagt Müller-Böhm. Diesen Status nimmt er gelassen. Vielleicht könne er ihn sogar nutzen. Sich damit mehr Gehör für Themen, die junge Leute betreffen, verschaffen. Die Bereiche Digitalisierung und Rente seien in den vergangenen Jahren "nicht so auf der Agenda der Regierung gewesen". Das müsse sich ändern.

Mit 16 Jahren ist er in die FDP eingetreten. Vor der Bundestagswahl 2009 habe er sich gefragt, was er wählen würde. Müller-Böhm las die Parteiprogramme, spielte den Wahlomat durch. "Das hat mir sehr geholfen". Das Ergebnis war für ihn eindeutig. Die FDP war die einzige Partei, die sein Lebensgefühl widerspiegelte. "Freiheitliches Denken, Europa und dass der Staat nicht zu sehr in das Privatleben eingreift - das alles war mir wichtig", sagt der 24-Jährige.

Also wählte er die FDP als seine politische Heimat. Bewarb sich für den Jugendstadtrat in Mülheim an der Ruhr. "Das hat mir Lust auf mehr gemacht", sagt Müller-Böhm. Heute ist sein politisches Engagement dann auch mehr als ein Hobby.

Nach der verlorenen Wahl 2013 entschied der damals 20-Jährige, sich auch in höheren Gremien der Partei zu engagieren. Dann hätten seine Parteikollegen ihn gefragt, ob er nicht für den Bundestag kandidieren wolle. "Politik ist meine Leidenschaft. Ich wollte sie nie nur so nebenbei machen. Daher ist es mir auch nicht schwer gefallen, mich auf die Bundestagskandidatur einzulassen", sagt er.

Und das, obwohl er gerade mitten in der Endphase seines Studiums steckt. Müller-Böhm studiert Rechtswissenschaften in Bochum. Eigentlich hätte er in den letzten Monaten fertig werden sollen. Doch dann kam der Wahlkampf dazwischen. Und nun Berlin? "Da mache ich mir keine Sorgen. Andere Politiker haben auch neben der Arbeit im Bundestag noch Unternehmen. Da sollte es auch für einen Studenten möglich sein, das unter einen Hut zu bringen." Aber auch das sei ein Thema, das ihm am Herzen liegt: "Der Ausbau von Fernkursen wäre für junge Leute wichtig. Sie müssen die Chance haben, zu Ende zu studieren, wenn sie zum Beispiel schon in einer anderen Stadt einen Job finden."

So wie er selbst. Berlin wird für einen Großteil des Jahres ab jetzt seine Heimat sein. "Vielleicht finde ich dort mal wieder den Weg zur Regatta-Strecke in Grünau", sagt der ehemalige Ruderer. Die kenne er noch von früheren Meisterschaften. Allerdings sei das Rudern ein Hobby, das er über die Politik zunehmend vernachlässigt habe.

Eine Wohnung muss er in Berlin zumindest nicht finden. Seine Freundin lebt schon in der Hauptstadt. Dafür herrscht in Sachen Büros noch Chaos. Die alten Abgeordneten müssen erst ausziehen. Dann müssen die Büros in den Bundestagsgebäuden neu sortiert werden. "Vor Anfang des nächsten Jahres wird das mit einem Büro nichts", sagt der Politiker. Deshalb richte die FDP nun eine Art Coworkingspace für ihre Abgeordneten ein. "Das gab es im Bundestag so bisher noch nicht. Aber wir müssen ja schnellstmöglich die Arbeit aufnehmen", sagt Müller-Böhm.

Schnell genug kann es ihm im Moment ohnehin nicht gehen. Eine Pause nach der Wahl gönnt er sich nicht. "Im Wahlkampf habe ich zwar nur wenig Schlaf bekommen. Aber wenn man gewählt wird, dann hat man die Verantwortung ab dem ersten Tag und nicht erst am dem zehnten oder zwölften", sagt Müller-Böhm. Im Moment würden noch die Glücksgefühle gegenüber der Müdigkeit überwiegen.

Gespannt ist er schon jetzt auf die ersten Sitzungen des neu gewählten Parlaments. "Es ist ein komisches Gefühl, dass man jetzt mal mit den Leuten in einem Plenarsaal sitzt, die ich sonst nur aus dem Fernsehen kannte. Angela Merkel, Wolfgang Schäuble oder Sigmar Gabriel sind ja schon beeindruckende Persönlichkeiten", sagt Müller-Böhm. "Es überwältigen einen - im positiven Sinne - die Gefühle, dass ich da jetzt dabei sein darf. Es ist schon was ganz Besonderes, jetzt im Bundestag zu sitzen".

Freuen würde er sich, wenn er mal zu den Themen Digitales, Rente oder Umwelt im Bundestag sprechen dürfte. "In welchen Ausschüssen man arbeiten wird, das muss sich noch zeigen. Ich will mich da aber auch noch gar nicht festlegen", sagt Müller-Böhm. Vor allem will er sich nicht nur auf "junge Themen" festlegen lassen, wie er sagt. Umwelt und Mobilität sind solche Bereiche, die er für alle Generationen auf die Agenda in Berlin setzten will. Müller-Böhm will, dass Carsharing ausgebaut wird. Das komme nicht nur jungen Leuten zu Gute, sondern allen. Ein Politiker müsse möglichst viele Blickpunkte einnehmen.

Trotzdem ist ihm klar, dass er junge Leute auch mit seinen Themen für die Politik begeistern muss. Wenn sich mehr Jugendliche in Parteien engagieren würden, würde das auf Dauer normal. "Wir müssen die Hemmschwellen, in die Politik zu gehen, abbauen", sagt Müller-Böhm. Wenn sich Jugendliche früh politisch engagieren würden, verringere das die Gefahr, dass sie später Protestwähler werden, glaubt er.

Wichtig sei es dafür auch, dass man seine Arbeit transparent mache. "Die Menschen müssen verstehen, was in Berlin passiert. Ich finde, dass zu wenige Politiker den Bürgern ihre Arbeit nahe bringen", sagt Müller-Böhm. Es dürfe keine Distanz zwischen Politikern und Bürgern geben.

Auch deshalb würde er gerne einmal mit Gregor Gysi diskutieren. "Ich halte ihn für einen der interessantesten Politiker. Auch wenn ich seine politischen Inhalte nicht teile. Er ist rhetorisch gut und in der Sache scharf. Das mag ich", sagt er.

Müller-Böhm selbst wird vor allem dann in seiner Sprache schärfer, wenn er über seine Heimat spricht. Das Ruhrgebiet. Er liebt die Region. Kämpft für sie. Der Ausdruck in seiner Stimme wird energisch. "Ich habe keine Lust mehr, dass die Region, die einen Großteil des Wohlstandes unseres Landes erwirtschaftet hat, nun in vielen Bereichen schlecht da steht", sagt er. Das Ruhrgebiet sei eine unschätzbare Ideenfabrik, hatte er bereits vor der Wahl in der RP-Kandidatenvorstellung gesagt. Seine Wunsch, den er in Berlin vorantreiben will: Ein Sillicon Valley mit vielen Start-ups für das Ruhrgebiet.

(rent)
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