Der SPD-Kanzlerkandidat im Porträt Peer Steinbrück — Kandidat ohne Zauber

Berlin · Macht ihm dieser Wahlkampf Spaß? Tapfer kämpft Peer Steinbrück nun schon seit Monaten darum, die Kanzlerin zu entzaubern. Er war bisher ein Mann der Exekutive, bekämpfte als Finanzminister gemeinsam mit Merkel die globale Finanzkrise. Nun will er zeigen, dass er auch Wahlen gewinnen kann. Doch schon dem Anfang seiner Kandidatur wohnte kein Zauber inne.

Die besten Zitate von Peer Steinbrück
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Foto: dpa, Soeren Stache

Vielleicht war es der Moment dieses Wahlkampfes. Auch wenn Peer Steinbrück gleich wieder Kritik erntete. Lange Zeit galt für den SPD-Kanzlerkandidaten: Egal, was er macht, es war falsch. Er war in dieses Abenteuer hineingestolpert, und die lange suboptimale Kandidatur kulminierte Mitte Juni.

"Wir hatten Freiheit, wir konnten Scrabble spielen, wann wir wollten", sagt seine Frau Gertrud damals beim Parteikonvent in Berlin. Und nun werde er als Kanzlerkandidat nur noch verhauen. "Der muss doch irgendetwas bewegen wollen, wenn er freiwillig alles aufgibt." Daraufhin wendet sich WDR-Moderatorin Bettina Böttinger an Steinbrück: "Warum tun sie es?" Es kommt nicht oft vor, aber in dem Moment ist der 66-Jährige sprachlos, mit dem Finger wischt er unter der Brille scheinbar eine Träne weg. Später wird ihm — der mit seiner Rolle nie öffentlich gehadert hat — Weinerlichkeit vorgeworfen.

An jenem Sonntag gab es aber auch noch ein zweites Schlüsselereignis. Steinbrück hatte vor dem Konvent öffentlich von Parteichef Sigmar Gabriel mehr Loyalität eingefordert — und damit eines der stärksten unter Sozialdemokraten möglichen Geschütze abgefeuert. Gabriel gab klein bei und versprach volle Unterstützung. Steinbrück sieht sich gestärkt — und kämpft. Allerdings ist der Konflikt nur zugeschüttet. In der Partei fragt man sich, wie das gutgehen soll zwischen beiden, falls Steinbrück tatsächlich noch Bundeskanzler würde.

Der selbsternannte Klartext-Mann

Steinbrück sagt, er wolle dem Land dienen, ein Auseinanderdriften der Gesellschaft verhindern, die Bürger fordern statt einlullen. Seine Taktik ist einfach und doch schwer: Kanzlerin Angela Merkel (CDU) inhaltlich stellen. Ob Lohnuntergrenzen oder Lebensleistungsrenten — Merkel wolle SPD-Wähler durch das Vorgaukeln ähnlicher Inhalte von der Urne fernhalten, fürchtet der Kandidat.

Alles sei voller Widersprüche: So stimme Merkels Union im Bundestag gegen eine Mietpreisbremse, die Merkel aber nun doch wolle. Es geht um Mobilisierung, Zeigen von Unterschieden. Es ist ein schmaler Grat für den selbsternannten Klartext- und Klare-Kante-Mann.

Die Anti-Merkel-Plakate finden selbst Wegbegleiter unpassend. Auch dass er Merkel wegen ihrer DDR-Vergangenheit mangelnde Empathie für Europa vorwirft, kommt schlecht an. Das Problem: Steinbrück mangelt es an Glaubwürdigkeit — das sagen die Umfragen. Er ist kein volkstümlicher Wahlkämpfer vom Schlage eines Gerhard Schröder, der die Menschen begeistert. So könnte — wie die Landtagswahl 2005 in Nordrhein-Westfalen — auch seine zweite Wahl in einer Niederlage enden.

1969 in die Partei eingetreten

Dabei gibt es an Steinbrücks eigentlichen Qualitäten wenig Zweifel. Der Hamburger studierte Volkswirtschaft und Sozialwissenschaften. 1969, zu Zeiten Willy Brandts, trat er in die Partei ein. Seine Karriere begann 1974 im Bundesbauministerium und führte ihn rasch als Referent ins Bonner Bundeskanzleramt. Dort regierte Helmut Schmidt, der ihm heute Eignung für den Kanzlerjob bescheinigt.

Nach Ministerstationen in Schleswig-Holstein und NRW stieg er 2002 mit dem Abgang von Wolfgang Clement in Düsseldorf zum Ministerpräsidenten auf. Nach der Abwahl 2005 wurde er in der großen Koalition Bundesfinanzminister. Nochmal will er Merkel aber nicht dienen.

Das vielleicht nicht mehr zu lösende Problem seiner Kandidatur liegt am Anfang, dem kein Zauber innewohnte. Als einfacher Bundestagsabgeordneter hatte er keinen großen Apparat zur Verfügung, es fehlte zudem eine sinnvolle Kommunikationsstrategie für die Debatte um seine Nebeneinkünfte in Millionenhöhe.

Es folgten unglückliche, teils aufgebauschte Äußerungen. Inzwischen hat Steinbrück zwar Tritt gefasst und ist vorsichtiger geworden. Aber Merkel ist eine starke Gegnerin, die sich einem Duell mit dem Western-Fan einfach entzieht. So könnte er nach der Bundestagswahl wieder mehr Zeit haben für Scrabble-Spiele mit seiner Frau.

(dpa/das)
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