Pressestimmen zum TV-Duell "Ein ziemlich glanzloses Duell"
Das TV-Duell 2017 zwischen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und SPD-Herausforderer Martin Schulz hat ein breites Echo in den Medien gefunden – und wird sehr unterschiedlich kommentiert. Ein Überblick.
Rheinische Post: "Der meist souverän und schlagfertig angreifende Sozialdemokrat Schulz hat auch nach diesem Duell ein Problem: alles, was er forderte, sah Merkel ähnlich oder – noch schlimmer für Schulz - hatte es irgendwie schon mit Sozialdemokraten durchgesetzt. Die Kanzlerin hatte sich zu Beginn des Duells als Politikerin von 'Maß und Mitte' bezeichnet. SPD-Mann Schulz forderte 'Mut zum Aufbruch'. Es spricht viel dafür, dass die Deutschen Ersteres wählen, und Letzteres als Koalitionspartner bekommen.
Sueddeutsche.de "Schulz ist eigentlich der viel bessere Redner. Aber das Eigentlich zählt nicht an so einem Abend; Schulz konnte es nicht zeigen, er kam zu selten in Fahrt, er konnte sich nicht entfalten, er konnte kaum Punkte sammeln, kaum Treffer landen. Merkel gelang das besser, auch deswegen, weil sie von den Moderatoren viel weniger unterbrochen wurde als Schulz. Die Frager behandelten Merkel wie eine Majestät und Schulz wie ihren Domestiken; und Schulz gelang es zu selten, das abzustellen. Er präsentierte sich zu oft im Konjunktiv, ja er war der personalisierte Konjunktiv."
Spiegel.de: "In die Enge treiben kann der Herausforderer die Kanzlerin trotzdem bei keinem Thema. Schulz hat sich zwar offenbar gut vorbereitet, er hat eine ordentliche Leistung abgeliefert, und wohl kaum jemand würde es für eine Katastrophe halten, wenn bald er anstelle Merkels dieses Land regieren würde. Das ist beruhigend angesichts der furchtbar verzwickten Weltlage, es ist eigentlich ein schöner Beleg der Stabilität dieses insgesamt ja doch noch recht gut funktionierenden Landes. Wenn es nur nicht so einschläfernd wäre."
Badische Zeitung: "Klare Kante, klare Aussagen - damit punktete Schulz mehrmals gegen eine wie immer abwägende Merkel. Besonders spürbar war das in der Frage des Umgangs mit der Türkei. Allerdings wirkte Schulz später ein wenig so, als feiere er innerlich bereits seine stramme Performance. Merkel blieb Merkel und machte gerade dadurch das Beste daraus: Sie dozierte, erklärte und vergaß nie den Hinweis, dass die SPD in der Koalition fast immer dabei war."
Welt.de: "Angela Merkel hat dieses am Ende ziemlich glanzlose Duell gewonnen, und Martin Schulz hat es nach einem ziemlich beeindruckenden Anfang verloren, weil er nicht bei seinen intellektuellen Leisten blieb. Seinen Schlussgag hatte er am Anfang verbraten und danach mit Machismo und heiterer Ruppigkeit versucht, die Kanzlerin unter Druck zu setzen. Das gelang auch, ein paar Treffer saßen. Aber sie reichten nicht, um die Kanzlerin ins Wanken zu bringen und schon gar nicht reichte es, um sich selbst als einen Politiker zu präsentieren, dem die noch unschlüssigen Wähler zutrauen, Deutschland als europäische Führungsmacht in schwierigen Zeiten zu führen."
n-tv: "Vor ihr (Merkel, Anm. d. Red.) hatte Schulz sein eigenes Schlusswort mit einer Frage begonnen. 'Wie viel Zeit hab' ich?' Eine Minute. Schulz verbrachte sie mit langen Sprechpausen und wurde am Schluss von den Moderatoren abgewürgt. Viel mehr dürften die meisten Zuschauer von diesem letzten Statement des SPD-Kanzlerkandidaten nicht in Erinnerung behalten. Vor dem TV-Duell hieß es häufig, dass dies möglicherweise Schulz' letzte Chance sei. Jetzt ist klar: Er hat sie nicht genutzt."
Münchner Merkur: "Nach wirklich spannenden Unterschieden in den Politikangeboten von Kanzlerin und Kandidat mussten die Zuschauer des TV-Duells mit der Lupe suchen. Ob ein gefühltes Patt für den Herausforderer aber reicht, um auf den letzten Metern noch so etwas wie Wechselstimmung herbeizuzaubern? Große Zweifel sind erlaubt."
Abendzeitung (München): "Islam, Flüchtlingskrise und die Frage, wer am Sonntag wohl in der Kirche gewesen ist: Mit diesen Themen einen Großteil des einzigen TV-'Duells' zu verplempern, verkennt die wirklichen Probleme, die die nächste Bundesregierung lösen muss. Bildung, Rente, Altersarmut, Wohnen und giftige Luft in den Städten? Offenbar nachrangige Themen. Hier ist eine Chance vertan worden. Das ist nicht die Schuld der Kandidaten."
Heilbronner Stimme: "Schulz sollte attackieren und die Kanzlerin in die Ecke drängen. Doch der Kandidat verzettelte sich und rutschte einige Mal auf dem glatten Duell-Parkett aus."
Nordsee-Zeitung (Bremerhaven): "Schulz hat sich sehr wacker geschlagen. Aber neue Hoffnungen auf einen politischen Wechsel konnte er kaum wecken. Wie auch, wenn es keine Wechselstimmung gibt? Mindestens hätte er dafür dieses "TV-Duell" haushoch gewinnen müssen. Hat er aber nicht. Für Schulz waren die 95 Minuten zur besten Sendezeit aber schon deshalb ein Erfolg, weil er sich erstmals einem Millionenpublikum präsentieren konnte. Merkel kennen alle Leute, Schulz viele nicht. Viele haben am Sonntagabend gelernt: Auch der könnte Kanzler."
The Guardian: "Insgesamt eine enttäuschende Nacht für Angela Merkels Herausforderer. Kurz, als es um die Türkei ging, fühlte es sich an, als könnte er die Kanzlerin überraschen. Doch das Format und die Fragen gaben ihm keine Möglichkeit, dieses Momentum zu behalten. Merkel auf der anderen Seite glänzte nicht, aber sie musste es auch nicht."