SPD setzt weiter auf Steuererhöhungen Steinbrück: "Es bleibt bei unserem Programm"

Berlin · Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist von dem Versuch, mit Steuererhöhungen einen Wahlkampf zu bestreiten, gründlich kuriert. Als sie 2005 die Erhöhung der Mehrwertsteuer vor der Wahl offen kommunizierte, hätte sie dies fast den Sieg gekostet. Damals reichte es dann bekanntermaßen noch für die große Koalition. Auch bei der SPD macht sich der Verdacht breit, dass Steuererhöhungen kein Selbstzweck sind. Daher haben die Sozialdemokraten zur Doppelstrategie angesetzt.

Am Wochenende verkündeten Parteichef Sigmar Gabriel und Kanzlerkandidat Peer Steinbrück in Interviews, dass sie, statt Steuern zu erhöhen, vielmehr Steuerbetrug bekämpfen wollten. Schon am Sonntag ruderten sie rhetorisch zurück und stuften ihre eigene Aussage darauf herab, dass nur im Erfolgsfall die Mehreinnahmen aus dem Feldzug gegen Steuersünder sogar Steuersenkungen zur Folge haben könnte.

Steinbrück wurde am Dienstag noch einmal deutlicher: "Es gibt eine klare Hierarchie. Es bleibt bei unserem Programm. Wir werden einige Steuern für einige erhöhen, um mehr Geld für Bildung, Infrastruktur, Städte und Kommunen und den Schuldenabbau zur Verfügung zu haben", sagte der Kanzlerkandidat unserer Redaktion. "Unsere Steuererhöhungen betreffen fünf Prozent der Steuerzahler, da ist wenig Raum für Hysterie."

"Ich glaube, das ist zu verkraften"

Die Erhöhung des Spitzensteuersatzes auf 49 Prozent werde für Singles gelten, die ein zu versteuerndes Einkommen von mehr als 100.000 Euro im Jahr hätten — das bedeute "brutto mindestens 110.000 Euro", erläuterte Steinbrück. Bei Verheirateten seien es mehr als 200.000 Euro. "Ich glaube, das ist zu verkraften", sagte er. "Und je erfolgreicher wir den Steuerbetrug und die Möglichkeiten für Großkonzerne, legal Steuern zu vermeiden, beschneiden, desto eher können wir über Entlastungen sprechen. In dieser Reihenfolge."

Die Interviews von Steinbrück und Gabriel hatten am Wochenende für Verwirrung gesorgt. Die SPD-Linke reagierte empört und erklärte sofort, es werde keine Abstriche von den Plänen geben. Viele Genossen kritisierten auch, dass die Parteispitze diese Diskussion überhaupt angezettelt hatte.

"Natürlich irritiert so eine Debatte die eigenen Leute. Es ist immer besser, wenn man bei der vereinbarten Linie bleibt", sagte Juso-Chef Sascha Vogt der "Bild"-Zeitung. Zumal auch innerhalb der SPD nicht ernsthaft damit gerechnet wird, dass die Steuereinnahmen gleich in Milliardenhöhe hereinkommen, wenn sie im Kampf gegen Hinterziehung eine härtere Gangart einlegt.

Grünen warnen vor "Hasenfüßigkeit"

Die Grünen sehen das offensichtlich ähnlich. Sie reagierten verärgert auf die jüngsten Äußerungen der Spitzen-Genossen. Einige Grüne wittern in dem Vorstoß sogar eine Absetzbewegung der Sozialdemokraten hin zu einer großen Koalition. Spitzenkandidat Jürgen Trittin erklärte: "In dieser Situation ist es unklug, hasenfüßige Signale zu setzen."

Allerdings spielen Steuererhöhungen auch bei den Grünen, die noch kräftiger hinlangen wollen als die SPD, im Wahlkampf keine große Rolle mehr. Vielmehr besinnen sich die Grünen zunehmend auf Kernthemen wie die Energiewende und Folkloristisches wie den "Veggie Day". Denn auch sie hatten für ihre Steuerpläne viel Gegenwind erhalten.

Union und FDP genossen ganz offensichtlich das Verwirrspiel um die Steuererhöhungen in der SPD. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe sprach von einem "peinlichen Eiertanz". Die SPD verliere die Nerven, diagnostizierte FDP-Parteichef Philipp Rösler. Und die Kanzlerin? Sie kommentiere die Debatte nüchtern. Steuererhöhungen täten Deutschland nicht gut, sagte sie der "Passauer Neuen Presse". "Wir sollten alles vermeiden, was die gute Beschäftigungslage gefährdet."

(brö / qua)
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