Körpersprachen-Analyse zum TV-Duell "Merkel hat gewonnen"

Berlin · Der Körpersprachen-Experte Stefan Verra hat einen ganz eigenen Blick auf das TV-Duell. Er hat für unsere Reaktion die nonverbalen Botschaften der Kontrahenten analysiert. Sein Fazit: Merkel wirkte deutlich souveräner.

Angela Merkel vs Martin Schulz: Bilder vom TV-Duell 2017
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Merkel vs Schulz: Die Bilder vom TV-Duell 2017

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Foto: dpa, wst

Ein Lächeln sagt mehr als 1000 Worte. Gerade bei TV-Duellen entscheidet das Auftreten der Kontrahenten oft mehr über ihren Erfolg als die verbalen Botschaften. Wer hatte beim TV-Duell die überzeugendere Körpersprache? Der international renommierte Experte Stefan Verra hat die nonverbalen Botschaften von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihrem Herausforderer Martin Schulz (SPD) analysiert.

"Die Sache ist gelaufen. Merkel hat das Duell gewonnen", ist Verra sich sicher. Selbstverständlich sei das nicht gewesen: "Eigentlich hat die Kanzlerin einen körpersprachlich sehr begrenzten Radius", weiß Verra, der die Politikerin schon seit Jahren beobachtet. "Aber Schulz hat es geschafft, dieses niedrige Energie-Level noch zu unterbieten", so Verras Blitzanalyse gestern Abend unmittelbar nach dem Duell.

Schon die ersten Bilder von der Begegnung, der Weg ins Studio, habe Merkel souveräner als Schulz wirken lassen. "Sie geht zügig, zielstrebig und behält diesen souveränen Gestus auch in den ersten Minuten im Studio bei", so Verra. Schulz hingegen habe in den ersten Minuten "sichtlich mit sich zu kämpfen" gehabt. Er habe häufig das Gewicht vom einen Bein auf das andere verlagert, parallel sei seine Zunge zwischen den Lippen hin und her getänzelt, seine Augen seien häufig geschlossen gewesen, oder sein Blick blieb am Boden haften. Verra: "All das sind Signale von Unsicherheit."

Der biologische Hintergrund dieser körpersprachlichen Reaktionen laut Verra: Schulz war nervös. Sein Körper schüttete Stresshormone aus. "Bei vielen Menschen reagiert der Körper auf Stress, indem er sich von möglichst vielen Sinneseindrücken abschirmt, um nicht noch mehr Signale verarbeiten zu müssen", meint Verra. Daher der gesenkte Blick, daher die häufig geschlossenen Augen. Dann aber habe Schulz sich in den Griff bekommen: "Etwa ab Minute 20 hat Schulz seinen Stress sichtlich kontrolliert."

Von hier an hätten ihm zwei Wege offengestanden: den angestauten Stress für eine Salve von Angriffen nutzen und Bauchmensch werden, oder die Entspannungsphase für konzentrierte Gedankengänge nutzen und Kopfmensch werden. "Bei Schulz hat sich dann der ruhige Diplomat durchgesetzt, der betont sachlich und fast schon unnatürlich höflich wurde" - so hat Verra es wahrgenommen. "Damit hat Schulz genau die falsche Richtung eingeschlagen", meint der Experte. Denn in etlichen vergleichbaren Situationen sei beobachtbar gewesen, dass Merkel, wenn sie scharf angegriffen wird, schnell ins Schwimmen gerät, unsicher wird "und manchmal geradezu anfängt zu stammeln", meint Verra. Diese Chance, sie in die Defensive zu bringen, habe Schulz mit seinem allzu diplomatischen Habitus verpasst.

Selbst wenn Schulz mal grimmig geschaut habe, seien seine Signale defensiv geblieben: gerunzelte Stirn, stechender Blick, aber sein Gegenüber aus einem gesenkten Kopf heraus anblickend. Verra: "Optimisten haben den Blick immer über der Horizontlinie." Die Gabe des zuversichtlichen Gesichtsausdruckes habe Merkel indes auch nicht zu bieten: "Ihre typische Haltung bei Missfallen ist ebenfalls der Blick aus dem schräg geneigten und eher zum Boden gerichteten Kopf." Das versprühe weder Esprit, noch sei es mit hoffnungsvollen Visionen vereinbar. "Vom ehemaligen US-Präsidenten Barak Obama gibt es so gut wie kein Bild mit einem solchen Gesichtsausdruck", zieht Verra einen Vergleich.

Dennoch habe selbst die körpersprachlich ungewöhnlich zurückhaltende Merkel unter dem Strich aufrechter gestanden, häufiger gelächelt, mehr gestikuliert und mehr Zuversicht ausgestrahlt. "Rein körpersprachlich stand da eine Kanzlerin, die ihrem Herausforderer die Welt erklärt hat", meint Verra. Sein Fazit: "Als Herausforderer war Schulz die falsche Wahl."

Das ist nur der Eindruck eines Experten nach lediglich einem Fernsehduell. Auch Verra weiß, dass der inhaltliche Austausch ebenfalls zählt. Ein Lächeln mag mehr als 1000 Worte sagen. Aber einen Kanzler, der nur ein Lächeln, aber keine Argumente hat, will auch niemand.

(tor)
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