Finanzminister im Interview Wolfgang Schäuble: "SPD-Wähler würden Merkel wählen"

Berlin · Der Bundesfinanzminister verteidigt seine Äußerungen zur Griechenland-Hilfe und stellt einen neuen Anlauf zur Abschaffung der kalten Progression in Aussicht.

Hat sich Peer Steinbrück schon bei Ihnen bedankt?

Schäuble Ich wüsste nicht, wofür.

Dass Sie der strauchelnden SPD-Kampagne mit den Äußerungen über neue Griechenland-Hilfen Aufwind verschafft haben. Jetzt geht es um die Glaubwürdigkeit der Regierung.

Schäuble Das sehe ich anders. Die Regierung sagt genau das, was sie immer gesagt hat. Wichtig ist, dass die Debatte der letzten Tage noch einmal ganz klargemacht hat, dass es keinen zweiten Schuldenschnitt für Griechenland geben wird. Das war zuvor öffentlich zum Teil missverständlich diskutiert worden. Deshalb liefen wir Gefahr, dass neue Unruhe an den Finanzmärkten bezüglich der Stabilität der gesamten Euro-Zone entstehen könnte. Und jetzt ist für alle klar: Nein, das wird es nicht geben. Die Umsetzung der Reformen in Griechenland wird aber noch Zeit brauchen. Das aktuelle Hilfsprogramm läuft Ende 2014 aus. Deshalb werden wir Mitte 2014 prüfen müssen, ob Griechenland seine Verpflichtungen erfüllt hat, ob ein Primärüberschuss besteht und ob es noch einen Bedarf gibt. So haben wir das in der Eurogruppe im November 2012 vereinbart und so haben wir das immer erklärt. Die Bundeskanzlerin hat zu Recht darauf hingewiesen, dass dies keine neue Position ist. Die Verdächtigungen, die Bundesregierung würde vor der Wahl etwas verschweigen, sind widerlegt.

Sind Sie zufrieden mit dem bisherigen Reformtempo?

Schäuble Die griechische Regierung ist im Zeitplan der Troika. Die Defizitentwicklung ist besser als gedacht, Griechenland wird wettbewerbsfähiger. Die internationalen Beobachter erwarten, dass die griechische Wirtschaft nächstes Jahr wieder wächst.

Während deutsche Steuerzahler mit Milliarden haften, stehen Griechen mit 60 Milliarden Euro beim Staat in der Kreide.

Schäuble Wir helfen beim Aufbau einer leistungsfähigen Steuerverwaltung, aber das geht nicht von heute auf morgen. Die Entschlossenheit der griechischen Regierung ist aber durchaus eindrucksvoll. Da wurden beispielsweise Steuerbescheide mit der Stromrechnung verschickt und angedroht, dass der Strom abgeschaltet wird, wenn die Steuer nicht gezahlt wird. Das ist nicht die klassische Form von Steuervollzug, aber wirksam.

In Brüssel kursiert das Gerücht, dass Portugal neue Finanzhilfen benötigt.

Schäuble Ach, wissen Sie, was alles gesagt wird. Portugals Wirtschaft ist entgegen aller Prognosen im zweiten Quartal um 1,1 Prozent gewachsen, stärker als die meisten Euro-Länder.

Wenn Schwarz-Gelb wiedergewählt würde, was wäre die wichtigste finanzpolitische Reform?

Schäuble Wir würden sicherlich als eine der ersten Maßnahmen die dauerhafte Beseitigung der kalten Progression im Steuerrecht angehen. Es war ein Missbrauch des Bundesrats, wie SPD und Grüne diese Entlastung der Bürger alleine aus parteitaktischen Gründen verhindert haben. Das Gesetz würden wir erneut einbringen. Zudem werden sich Bund und Länder gleich nach der Wahl über die Verteilung und Finanzierung der gesamtstaatlichen Aufgaben verständigen müssen. Wir brauchen einen neuen Föderalismuskonsens. Es kann nicht sein, dass der Bund für alle nationalen Aufgaben finanziell einstehen soll, aber keine Zuständigkeit hat.

Muss dann auch der Soli auf den Tisch?

Schäuble Der Solidarpakt läuft bis 2019, natürlich muss in dem Zusammenhang auch über den Solidaritätszuschlag geredet werden. Aber nicht im Jahr 2013.

Gilt die Aussage der damaligen Bundesregierung unter Helmut Kohl noch, dass der Soli eine befristete Abgabe ist?

Schäuble Bis 2019 ist er mit dem Solidarpakt festgeschrieben, was danach passiert, muss in der nächsten Legislaturperiode geklärt werden.

Ist Ihnen der Wahlkampf eigentlich zu anspruchslos?

Schäuble Ich diskutiere bei meinen Veranstaltungen mit den Bürgern intensiv über die Bewältigung der Schuldenkrise, die Zukunft der europäischen Währung, aber auch Themen wie nachhaltige Haushaltsfinanzierung spielen eine große Rolle. Ich habe nicht das Gefühl, dass es keine relevanten Themen gibt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel ist acht Jahre im Amt. Wie viel Helmut Kohl steckt in ihr?

Schäuble Beide sind herausragende Bundeskanzler. Helmut Kohl war nach acht Jahren auf dem Höhepunkt seiner Kanzlerschaft, auch Angela Merkel ist heute eine in Europa und international angesehene Regierungschefin, der die Menschen vertrauen und die noch viel vorhat. Selbst eine Mehrheit der SPD-Wähler würde Angela Merkel wählen. Ansonsten sind die spezifischen Unterschiede zwischen den beiden unübersehbar.

Michael Bröcker führte das Gespräch

(brö)
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