Heimliche Handyortung Verfassungsschutz verschickt immer mehr "stille SMS"

Berlin · Die Snowden-Affäre hat zutage gebracht, wie sehr die US-Geheimdienste die Menschen im eigenen Land, aber vor allem auch in anderen Staaten – wie etwa in Deutschland – ausspionieren. Doch auch hierzulande greifen die Sicherheitsbehörden vermehrt auf digitale Überwachungstechnologie zurück. So sind die Zahlen der Handy-Ortung per stiller SMS deutlich angestiegen.

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Foto: dpa, Jens Büttner

Die Snowden-Affäre hat zutage gebracht, wie sehr die US-Geheimdienste die Menschen im eigenen Land, aber vor allem auch in anderen Staaten — wie etwa in Deutschland — ausspionieren. Doch auch hierzulande greifen die Sicherheitsbehörden vermehrt auf digitale Überwachungstechnologie zurück. So sind die Zahlen der Handy-Ortung per stiller SMS deutlich angestiegen.

Wie aus einer Kleinen Anfrage der Linksfraktion, die der Nachrichtenagentur dpa vorliegt, hervorgeht, hat das Bundesamt für Verfassungsschutz — also der Inlandsgeheimdienst — im ersten Halbjahr 2014 fast 53.000 "stille SMS" verschickt. Das sind fast doppelt so viele wie im ersten Halbjahr 2013. Mit diesen Kurzmitteilungen ohne Text, die auf dem Handy des Empfängers nicht angezeigt werden, können Polizei, Zoll oder Geheimdienste Verdächtige orten und Bewegungsprofile erstellen.

Und nicht nur beim Bundesverfassungsschutz ist die Nutzung dieser digitalen Überwachungstechnologie gestiegen, wie aus der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage hervorgeht. Demnach versandte das Bundeskriminalamt in den ersten sechs Monaten dieses Jahres fast 35.000 solcher Kurzmitteilungen, die Bundespolizei fast 69.000 — das waren jeweils rund 3000 mehr als im ersten Halbjahr 2013. Die Angaben zu "stillen SMS" beim Zoll stufte die Regierung als Verschlusssache ein.

Korte: Überwachung immer unkontrollierbarer

Der Linke-Abgeordnete Andrej Hunko, der die Anfrage gestellt hatte, äußerte sich beunruhigt: "Mich besorgt der ausufernde Versand von Spionage-SMS." Durch diese Mitteilungen würden Mobiltelefone zu einer Ortungswanze, ohne dass die Betroffenen etwas davon merkten. Besonders kritisch sei dies beim Verfassungsschutz. Der Inlandsgeheimdienst werde zum "elektronischen Spitzelapparat".

Zu Maßnahmen der Telekommunikationsüberwachung griff das BKA in der ersten Jahreshälfte 704 Mal. Darunter waren auch einige, die bereits im vergangenen Jahr begonnen hatten und weitergeführt wurden. Solche "TKÜ-Maßnahmen" werden unter anderem genutzt, um Telefonate mitzuhören, E-Mails oder SMS mitzulesen oder auch um Metadaten abzugreifen — also etwa zu checken, wer wann mit wem wie lange von welchem Standort aus telefoniert. Im Vergleich zum ersten Halbjahr 2013 blieben die Zahlen laut BKA aber in etwa gleich. Damals hatten die Ermittler dieses Instrument 710 Mal angewendet.

Funkzellenabfragen nutzte die Bundespolizei in der ersten Jahreshälfte weniger als 50 Mal, das BKA 3 Mal, der Zoll 100 Mal. Der Einsatz sogenannter IMSI-Catcher zum Abhören von Telefongesprächen nahm bei BKA, Bundespolizei und Bundesamt für Verfassungsschutz leicht ab. Beim Zoll nahm ihr Einsatz dagegen zu.

Linksfraktionsvize Jan Korte kritisierte, die Überwachung werde "immer umfangreicher und unkontrollierbarer und demokratiegefährdender". Diese bedrohliche Entwicklung müsse ein Ende haben. "Es ist schon erstaunlich, mit welcher Kaltschnäuzigkeit Bundesregierung und Sicherheitsbehörden unbeirrt ihre Schnüffelei fortsetzen", sagte er der dpa. Von einem Innehalten oder einer Neubewertung der staatlichen Überwachung nach den Enthüllungen über die US-Geheimdienstausspähung in Deutschland fehle jede Spur.

Aufregung um Überwachungsüberlegungen in sozialen Netzwerken

Zuletzt hatten Überlegungen sowohl beim Bundesnachrichtendienst (also der Auslandsgeheimdienst) als auch beim Bundesverfassungsschutz für Aufregung gesorgt, nach denen auch soziale Netzwerke ausgeforscht werden sollen. So hatten "Süddeutsche Zeitung", WDR und NDR Ende Juni berichtet, das der Bundesverfassungsschutz ein 75-köpfiges Expertenteam für die Spurensuche im Netz gründen wolle. Zuvor hieß es, dass der Bundesnachrichtendienst seine Technik entsprechend aufrüsten wolle.

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hatte noch Ende Mai in der ARD gesagt: "Wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, warum soll dann nicht ein Dienst auch auf diese Dienste zugreifen dürfen?" Denn die Nutzung verlagere sich stark vom klassischen Telefon in die sozialen Netze. Der Minister nannte aber schon damals für ein solches Vorgehen auch Bedingungen, wie etwa, dass der Richtervorbehalt eingehalten wird.

Mitte Juli aber erteilte Maas dann den BND-Plänen für eine Live-Überwachung von Facebook, Twitter und Co. eine klare Absage. "Es gibt da ganz klare Grenzen: Auch Geheimdienste müssen sich an die Gesetze halten. Für eine Totalüberwachung aller sozialen Netzwerke in Echtzeit sehe ich keine rechtliche Grundlage", sagte er damals der "Passauer Neuen Presse". Zudem fragte er sich, ob dies überhaupt praktikabel wäre. "Wer soll denn diese Flut von Informationen auswerten", fragte der Minister.

(das/dpa)
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