Soziales Netzwerk CDU-Politiker tritt nach antisemitischer Äußerung zurück

Seesen · Im Zuge der Krise in Nahost mehren sich antisemitische Äußerungen: Nun ist ein niedersächsischer CDU-Lokalpolitiker wegen einer judenfeindlichen Äußerung in einem sozialen Netzwerk aus seiner Partei verbannt worden.

Der Nahost-Konflikt ist überall auf den TV-Geräten präsent
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Der Ratsherr aus der kleinen Gemeinde Seesen habe aus dem "gravierenden Fall" inzwischen selbst die Konsequenzen gezogen, sagte der Landtagsabgeordnete und Vorsitzende des Kreisverbands Goslar, Rudolf Götz, am Donnerstag in Hannover. Er sei aus der CDU ausgetreten, um entsprechenden Maßnahmen der Partei zuvorzukommen. Er werde außerdem sein Mandat im Seesener Rat abgeben.

"Wenn man sich in dieser Weise äußert, ist das nicht zu akzeptieren", sagte ein merklich erschütterter Götz der Nachrichtenagentur AFP am Rande einer Sitzung des Landtags. So jemand könne kein Mitglied der CDU sein. Götz' Angaben nach ereignete sich der Vorfall bereits vor Wochen. Anscheinend im Zusammenhang mit der jüngsten Zuspitzung im Nahostkonflikt hatte der Ratsherr in einem sozialen Netzwerk im Internet den Satz "Juden sind scheiße" geschrieben.

Götz sagte, er sei durch anonyme Hinweise darauf aufmerksam geworden und habe daraufhin entsprechende Konsequenzen von dem Urheber verlangt. Das sei unumgänglich gewesen. Einem NDR-Bericht von Donnerstag zufolge erklärte der Seesener Ratsherr, sich anlässlich der Ermordung eines palästinensischen Jugendlichen in einem sehr erregten Zustand unbedacht und gedankenlos geäußert zu haben. Die Wortwahl sei falsch gewesen, er bedauere dies zutiefst. Er sei kein Antisemit, sagte der Mann dem NDR.

Der katholische Theologe Timo Güzelmansur befürchtet weiterhin antisemitische Parolen bei Demonstrationen gegen die Politik Israels. "Antijüdisches Gedankengut ist nicht nur unter arabischstämmigen Menschen anzutreffen, sondern ebenso bei türkisch- oder deutschstämmigen Menschen", sagte Güzelmansur am Donnerstag in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Frankfurt.

"Da aber unter den arabischstämmigen Muslimen eine starke Solidarität mit den Palästinensern vorhanden ist, vor allem in diesen Tagen, in denen die Gewalt auf beiden Seiten eskaliert, wird kaum zwischen dem Staat Israel und seiner Politik einerseits und dem jüdischen Glauben andererseits differenziert", so der Experte weiter. "Das ist mit ein Grund, weshalb solche Parolen aktuell häufiger zu hören sind."

Vor dem am Freitag bevorstehenden "al-Quds-Tag" warnen Sicherheitsbehörden in Deutschland vor neuerlicher Hetze und Gewalt gegen Juden und jüdische Einrichtungen. An diesem Tag protestieren streng gläubige Muslime gegen die israelische Präsenz in Jerusalem.

Die Tradition stamme aus dem Iran und sei damit schiitisch-islamischer Natur, betonte Güzelmansur. Nicht jedes islamische oder islamisch geprägte Land kenne daher diesen Tag. Er sei in den vergangenen Jahren allerdings auch in Deutschland begangen worden. Dabei kam es dem Theologen zufolge wiederholt zu antijüdischen Parolen. "Dieser Tag hat klare antisemitische Tendenzen."

Güzelmansur ist Leiter der Christlich-Islamischen Begegnungs- und Dokumentationsstelle (CIBEDO) in Frankfurt. Die Einrichtung ist eine Arbeitsstelle der Deutschen Bischofskonferenz und seit mehr als 30 Jahren im Dialog zwischen Katholiken und Muslimen aktiv.

(AFP/KNA)
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