Vorstand reagiert mit Härte auf "Köln" CDU will Grapschen zur Straftat machen

Mainz · Die CDU will auf die Vorgänge von Köln eine "harte Antwort des Rechtsstaates" geben. Genauso schlimm wie die Taten selbst sei der Eindruck, als solle darüber nicht gesprochen werden, sagte Kanzlerin Angela Merkel. Sie werde alles benennen, "auch wenn es Fehlverhalten gibt".

 Die Folgen der Silvesternacht sind bei der CDU-Klausur jederzeit greifbar.

Die Folgen der Silvesternacht sind bei der CDU-Klausur jederzeit greifbar.

Foto: dpa, fve fpt

Einer Regierungsübernahme in Rheinland-Pfalz wollte sich der CDU-Bundesvorstand symbolisch nähern, als er zur Jahresauftaktklausur nach Mainz reiste. Doch stattdessen ist in einer langen Nacht intensiver Beratungen nun von "Kontrollverlust" die Rede, von dem Gefühl einer "Staatsohnmacht". Bricht der beim Parteitag im Dezember in Karlsruhe mühsam, aber überzeugend gelungene Schulterschluss zwischen Mitgliedern und Parteichefin nach der Silvestergewalt von Köln wieder? "Unterirdisch" sei die Stimmung an der Basis, berichtet Mittelstandschef Carsten Linnemann. Andere Teilnehmer sprechen von einer "Einzelmeinung".

Erneut bittet Kanzlerin Angela Merkel um mehr Zeit, um die Flüchtlingszahl nachhaltig zu reduzieren. Aber auch sie sieht, was Hessens Regierungschef Volker Bouffier auf die Formel bringt, Köln habe "alles" verändert. Merkel spricht in der Klausur nach Teilnehmerangaben selbst auch von einem "Paukenschlag". Köln habe eine "Zeitenwende" bewirkt, ist sich der Vorstand am Ende der stundenlangen Analyse einig.

Die Befürchtung: Die flüchtlingsfreundliche Grundstimmung verwandelt sich in Verbitterung über Merkels Kurs. Und zwar schneller, als die Maßnahmen greifen können, die Merkel mit großer Kraftanstrengung in Europa auf den Weg bringen will: EU-Außengrenzen besser absichern, ankommende Flüchtlinge gerechter verteilen, Herkunfts- und Transitländer dazu bringen, das florierende Schleppergeschäft zu zerschlagen und den Menschen Alternativen zur Flucht nach Europa zu bieten. Doch am Ende setzt sich Merkel wieder durch, entscheidet der Vorstand einstimmig, dass dies der Kurs bleibt. Und auch zeitlich gibt es keinen Druck. Müssen die Zahlen bis zum Frühjahr runter? Bis zum Sommer? Sie werde "kein Datum nennen", betont Merkel. Und Thüringens Landesschef Mike Mohring sagt auch nur, das "Jahr 2016" müsse die Wende bringen.

165 Kilometer sind es vom Tagungshotel an der Mainzer Südbrücke bis zur Kölner Domplatte. Doch die Folgen der Silvesternacht sind bei der Klausur jederzeit greifbar. Und sie führen auch dazu, dass die CDU-Spitze ihre "Mainzer Erklärung" mehrfach nachschärft. Der Grundsatz, der Flüchtlingsproblematik außen- und nicht innenpolitisch Herr zu werden, ist damit überholt. Die CDU zeigt Härte, will nun künftig Flüchtlingen nicht erst dann den Schutz verwehren, wenn sie zu mehrjähriger Freiheits-, sondern schon, wenn sie zu einer Bewährungsstrafe verurteilt werden.

Die weiteren Forderungen wirken unmittelbar den Abläufen der Silvesternacht in Köln und anderen Städten entnommen: Die CDU "erwartet", dass gegen Verdächtige "sofort Untersuchungshaft angeordnet" wird, dass die Bestrafung der "Tat auf dem Fuße folgt", die Täter "ohne Ansehen ihrer Herkunft und ihres Hintergrundes schnell ausfindig gemacht und bestraft" werden. Unter ausdrücklichem Verweis auf die Eskalation in der Silvesternacht fordert die Partei die Länder auf, überall die Möglichkeiten für verdachtsunabhängige Personenkontrollen bei Gefahren für die Sicherheit und Ordnung ("Schleierfahndung") zu schaffen.

NRW-CDU-Chef Armin Laschet hat das in die Erklärung gebracht. Er kritisiert, dass diese Kontrollen in allen Bundesländern möglich sind, nur nicht in Bremen und NRW. Das hätte schon bei der Fahndung in Köln helfen können. Und erst recht die Einführung von "Bodycams", also Kameras, die Angriffe auf Polizeibeamte festhalten und Bilder von den Tätern liefern. "Im schwarz-grün regierten Hessen ist das möglich, leider nicht im rot-grün-regierten Nordrhein-Westfalen", erläutert Laschet im Gespräch mit unserer Redaktion.

Frauen sollen sich noch besser geschützt fühlen. Für den Straftatbestand der Vergewaltigung soll künftig "ein klares ,Nein' des Opfers ausreichen". Und auch die Erlebnisse angegriffener Frauen in Köln soll der Rechtsstaat nach einer weiteren Reform des Sexualstrafrechtes schärfer ahnden: Die CDU will "auch sexuelle Belästigung wie Grapschen, die unterhalb der Schwelle sexueller Nötigung liegen, unter Strafe stellen".

Auf Wunsch von Landes- und Kommunalpolitikern kommt eine weitere Selbstverpflichtung in die "Mainzer Erklärung". Wenn nun die Verfahren beschleunigt werden und die Flüchtlinge somit schneller aus dem Asylbewerber-Finanzierung in das Hartz-IV-System kommen, soll auch die Residenzpflicht nicht mehr nur auf die Zeit des Verfahrens begrenzt werden, auch danach sollen sich anerkannte Flüchtlinge oder Asylbewerber in den nächsten Jahren ihren Wohnort nicht frei suchen können, so lange sie nicht selbst Geld verdienen.

Schließlich nimmt sich die CDU die Rückführung abgelehnter Flüchtlinge vor. 20.000 Abschiebungen und 30.000 freiwillige Ausreisen im vergangenen Jahr seien noch "weit entfernt von dem, was wir brauchen", erklärt die Kanzlerin. Um diese Zahl den täglich 3000 bis 4000 Neuankömmlingen anzupassen, will die CDU unter anderem die Abschiebehindernisse klarer regeln.

Für die nächsten Gesetzesverschärfungen in Deutschland rechnet die CDU in Tagen und Wochen, nicht in Monaten. Bereits in den nächsten Tagen glaubt Innenminister Thomas de Maizière (CDU) sich mit Justizminister Heiko Maas (SPD) auf Reaktionen auf Köln einigen zu können. Auch beim Asylpaket-2 erwartet die CDU eine zeitnahe Verständigung mit dem Koalitionspartner und richtet aus Mainz entsprechende Forderungen an die SPD in Berlin.

(may-)
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