Volker Bouffier im Interview "CDU und Grüne? Das passt"

Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier regiert in einer schwarz-grünen Koalition. Ein solches Bündnis traut er der Kanzlerin auch in Berlin zu, erklärt er im Interview mit unserer Redaktion.

 Volker Bouffier tippt auf einen 3:1-Sieg für Deutschland.

Volker Bouffier tippt auf einen 3:1-Sieg für Deutschland.

Foto: dpa, dna sab htf

Vor Jahren hat die Hessen-CDU mit den Worten "Ypsilanti, Al-Wazir und die Kommunisten stoppen!" gegen SPD, Grüne und Linkspartei Wahlkampf gemacht. Heute ist der Grüne Tarek Al-Wazir Ihr Stellvertreter und Vertrauter. Wie geht das?

Bouffier Wir mussten auf beiden Seiten das Wahlergebnis zur Kenntnis nehmen. Daraus entstand eine offene Gesprächsatmosphäre. Ich weiß, dass wir nicht gerade der sanfteste Landesverband sind. Aber wir sind verlässlich, das haben auch die Grünen gemerkt. Wir haben am Ende eine Entscheidung für Hessen getroffen, übrigens einstimmig in allen CDU-Gremien. Wir sind aber nicht das Polit-Labor für Deutschland.

Trotzdem schaut auch Berlin nach Wiesbaden mit der Frage: Ist Schwarz-Grün auch im Bund 2017 realistisch?

Bouffier Ich denke, dass ein stabiles Bündnis zwischen Union und Grünen möglich wäre. Da sind Hürden zu überwinden, klar. Das ist uns in Hessen auch gelungen. Wir haben Kompromisse geschlossen und wir haben Wege gefunden, auch mit Gegensätzen umzugehen. Wenn wir das ordentlich machen, schaut natürlich auch die Bundesebene zu uns. Und die Grünen im Bund sind in einer Phase der Neuorientierung nach der Bundestagswahl. Der Verbotskurs und die Philosophie immer höherer Steuern sind gescheitert. Ich glaube, das haben die führenden Grünen gemerkt. Die SPD öffnet sich immer weiter zur Linkspartei. Warum sollten wir strategische Optionen ausschließen?

Sie regieren bisher geräuschlos. Was ist der Schlüssel für ein Bündnis ehemaliger Widersacher?

Bouffier Vertrauen und der Wille zur Kompromissbildung. Wir hatten etliche Themen, bei denen wir uns unterscheiden. Je konkreter die Politik wird, desto weniger Platz ist für Ideologie. Bei der Flüchtlingspolitik haben die Grünen beispielsweise eher eine grundsätzliche Position, aber es kommen auch grüne Kommunalpolitiker an die Grenzen, wenn sie vor der Frage stehen, ob aufgrund der hohen Kapazitäten Zelte aufgebaut werden müssen. Wir wollen helfen, aber wir brauchen die finanziellen Mittel und die Möglichkeiten der Unterkunft für die Flüchtlinge. Deutschland und Hessen stehen zu ihrer Verantwortung, aber wir können nicht alle Probleme der Welt lösen.

Flüchtlingspolitik ist nur ein Thema.

Bouffier Wir sind mit den Grünen bei einer Reihe von Themen beieinander. Bei der Schulpolitik setzen wir auf Eigenständigkeit statt auf Einheitsschule. Das Ziel einer nachhaltigen Finanzpolitik verbindet uns. Die SPD setzt dagegen auf mehr Staat, mehr Bürokratie, mehr Planung. CDU und Grüne wollen Ökonomie und Ökologie zusammenbringen, nicht gegeneinander ausspielen. Das ist unser gesellschaftlicher Auftrag. Nur ein Beispiel: Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit, ein klassisches grünes Ziel, ist als Bewahrung der Schöpfung auch ein Grundprinzip christlicher Politik. Und die Grünen in Hessen sind pragmatisch und unideologischer als andere Verbände. Das passt.

Großstädte wie Düsseldorf, Köln, Wiesbaden und Frankfurt werden trotzdem von SPD-Politikern regiert. Verliert die Union den Draht zur urbanen Klientel?

Bouffier Das Gerede von der fehlenden Kompetenz der Union als Großstadtpartei ist falsch. Wir sind in Frankfurt, Stuttgart, München und Düsseldorf die stärkste Partei im Rat. Wir machen erfolgreiche Großstadtpolitik seit Jahren. Sie schauen nur auf den Bürgermeisterposten. Da haben wir Nachholbedarf.

Offenbar stellt die Union die falschen Leute auf.

Bouffier Es stimmt, dass wir Persönlichkeiten finden müssen, die angesichts der Ausdifferenzierung der Lager in vielen Städten parteiübergreifend wirken. Das ist uns nicht immer gelungen. Aber es gibt auch kein Muster für die Auswahl der Kandidaten. Authentizität ist das Entscheidende bei der Auswahl. Das kann mal ein erfahrener Kommunalpolitiker sein, aber auch mal ein externer Kandidat aus einer anderen Region. Mit der Frage, ob die Union Politik in Großstädten machen kann, hat das aber nichts zu tun. Wir können es.

Die große Koalition in Berlin ist ein halbes Jahr im Amt. Enttäuscht es Sie gar nicht, dass die Union nicht mitregiert?

Bouffier Unsinn. Die SPD hat einige Gesetze umgesetzt, die wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben und die ihnen wichtig waren. Gefühlt ist die Wahrnehmung vielleicht da. Aber die Koalition ist auf vier Jahre angelegt, nicht auf vier Monate. Ich rate zur Gelassenheit. Die Union hat ebenfalls einiges bereits umgesetzt und wird sich noch stärker kenntlich machen. Die entscheidende Persönlichkeit ist ohnehin die Kanzlerin. Und die gehört zu uns.

Was kommt denn noch als CDU pur?

Bouffier Wir werden im kommenden Jahr erstmals seit Jahrzehnten einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen. Das ist der Erfolg von Finanzminister Schäuble und der Union und wird mir persönlich zu wenig gewürdigt.

Den "Erfolg" hat Schäuble fleißigen Arbeitnehmer und Unternehmen zu verdanken, die Milliarden in die Kasse bringen.

Bouffier Wir haben massive Ausgabenwünsche und Wünsche nach höheren Steuersätzen blockiert. Das ist aktive Zukunftspolitik.

Und gleichzeitig belasten Sie mit der Rente mit 63 die Sozialkassen auf Jahre. Das ist ein Anti-Generationenvertrag.

Bouffier Das ist ein klassischer Kompromiss, den ich für vertretbar halte. Das war es aber auch. Weitere Belastungen der Sozialkassen oder des Haushalts wird es nicht geben.

Auch keine Absenkung der "kalten Progression"?

Bouffier Nein, dafür sehe ich keinen Spielraum.

Ist Angela Merkel oder Ursula von der Leyen die Unionskanzlerkandidatin 2017?

Bouffier Ich bin sehr zuversichtlich, dass Frau Merkel uns noch lange erhalten bleibt.

Weil sie auch noch Schwarz-Grün im Bund machen will?

Bouffier Abwarten. Aber der Bundeskanzlerin traue ich das natürlich zu. Ich habe jedenfalls das Gefühl, dass die Kanzlerin richtig Spaß an ihrer Arbeit hat.

Ihr Tipp für Sonntag?

Boufier Es wird etwas unangenehmer. Aber wir packen das. 3:1 für Deutschland.

Michael Bröcker führte das Gespräch.

(brö)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort