Überschüsse CDU verspricht Milliarden-Entlastung

Berlin · Angesichts der Milliardenüberschüsse von Bund und Ländern ist zwischen der Union und der SPD ein heftiger Streit über den Kurs der Finanzpolitik entbrannt.

 Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU).

Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU).

Foto: dpa, nie pil wst sab

Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) wies SPD-Forderungen nach mehr öffentlichen Investitionen zurück und unterstützte Pläne des Finanzministers, den Überschuss des Bundes für die Schuldentilgung zu verwenden und die Steuerzahler erst nach der Wahl zu entlasten. "Wir wollen die Steuer um 15 Milliarden Euro senken", sagte Kauder unserer Redaktion. "Wir wissen, dass wir dies den Steuerzahlern schuldig sind und daran werden wir uns halten." Die Entlastung werde in der nächsten Wahlperiode kommen.

Der Bund hat das Jahr 2016 mit einem Überschuss von 6,2 Milliarden Euro abgeschlossen, insgesamt nahmen Bund, Länder, Kommunen und die Sozialversicherung zusammen 19,2 Milliarden Euro mehr ein als sie ausgaben. Auch Nordrhein-Westfalen erzielte erstmals seit 40 Jahren wieder einen Überschuss von 200 Millionen Euro. Das unionsgeführte Bundesfinanzministerium wies allerdings darauf hin, dass die Länderüberschüsse ohne die erhebliche Hilfe des Bundes für die Flüchtlingshilfe nicht möglich gewesen wäre. Allein NRW hatte 2016 zwei Milliarden Euro vom Bund erhalten.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will mit dem nun eingenommenen Überschuss den Schuldenberg des Bundes von rund 1,3 Billionen Euro verringern. "Die Höhe unserer Gesamtverschuldung ist immer noch enorm", sagte er der "Bild-Zeitung": "Wenn sie in schlechten Zeiten Kredite aufnehmen, müssen sie diese in guten Zeiten abbauen." Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stellte sich in dem Koalitionsstreit auf Schäubles Seite. Merkel halte Schäubles Vorschlag Altschulden zu tilgen für vernünftig, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag.

Die SPD pochte dagegen auf weitere Mittel für Bildung, Digitalisierung und den Ausbau der Infrastruktur, Parteichef und Vizekanzler Sigmar Gabriel gab das Schlagwort "Vorfahrt für Investitionen" aus. Jetzt von Steuererleichterungen zu sprechen, nannte Gabriel im Deutschlandfunk unseriös. SPD-Finanzexperte Thorsten Schäfer-Gümbel warf Schäuble neoliberale Politik vor. "Herr Schäuble kündigt faktisch an, mit Steuerdumping und einer Spirale nach unten den britischen Weg zu gehen", sagte Schäfer-Gümbel. Das blute den Staat aus und bedeute: weniger Polizisten und Lehrer, marode Schulen und Brücken, unterfinanzierte Kommunen. "Wolfgang Schäuble verschweigt, dass seine Ankündigungen soziale Einschnitte bedeuten, wenn die Konjunktur mal nicht so läuft", sagte der SPD-Vizechef.

Kauder hielt dagegen. "Die Milliarden für weitere Investitionen zu verwenden, ist nicht sinnvoll, da wir feststellen, dass jetzt schon entsprechende bereitgestellte Gelder nicht abfließen", erklärte der Unionsfraktionschef.

Tatsächlich wurden die Mittel aus mehreren Investitionsprogrammen des Bundes kaum abgerufen, wie aus einer Liste des Bundesfinanzministeriums hervorgeht, die unserer Redaktion exklusiv vorliegt. Demnach blieben 2016 von insgesamt 1,8 Milliarden Euro aus unterschiedlichen Töpfen knapp eine Milliarde Euro übrig. So hatte etwa Infrastrukturminister Alexander Dobrindt (CSU) für den Ausbau des flächendeckenden Breitbandnetzes in 2016 400 Millionen Euro zur Verfügung, abgeflossen sind davon im Vorjahr aber nur 3,8 Millionen. Das Landwirtschaftsministerium von Christian Schmidt (CSU) stellte in dem Zeitraum für präventiven Hochwasserschutz 100 Millionen Euro zur Verfügung, lediglich knapp 39 Millionen wurden genutzt.

Auch auf der SPD-Seite des Kabinetts blieb Geld übrig. So lagen 2016 33,5 Millionen Euro für das Bundesprogramm Kita Plus von Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) bereit. Knapp acht Millionen flossen ab. Und von den 150 Millionen Euro des Bundesumweltministeriums für die sogenannte nationale Klimaschutzinitiative wurden lediglich 4,2 Millionen Euro abgefragt. Besonders drastisch ist das Verhältnis jedoch beim Modellvorhaben für nachhaltiges Wohnen für Studenten und Auszubildende, das Ressortchefin Barbara Hendricks (SPD) zum 1. Januar 2016 an den Start brachte. Von den für das vergangene Jahr zur Verfügung stehenden 30 Millionen Euro flossen lediglich 76,70 Euro ab.

Unterdessen wies das Bundesfinanzministerium weitere Forderungen aus einzelnen Bundesländern wie NRW nach mehr Geld vom Bund scharf zurück und bezeichnete dies als "befremdlich". "Es ist erfreulich, wenn auch die Länder in 2016 Überschüsse erzielt haben", sagte Haushalts-Staatssekretär Werner Gatzer der unserer Redaktion. Hierzu habe der Bund mit über neun Milliarden Euro an die Länder für die Finanzierung der Flüchtlingsausgaben einen enormen Beitrag geleistet, erklärte er. "Vor diesem Hintergrund erscheinen jedoch manche Äußerungen der Länder aktuell und in der Vergangenheit, was der Bund noch alles an Kosten übernehmen soll, schon befremdlich", sagte Gatzer. Mehrere Länder wollten unter anderem erneut mehr Geld vom Bund für die Flüchtlingsintegration durchsetzen.

(mar)
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