Zukunftskonferenz in Darmstadt CDU-Basis hat Bauchschmerzen bei Merkels Flüchtlingspolitik

Darmstadt · Die Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende stellte sich in Darmstadt während einer weiteren Zukunftskonferenz der Partei-Basis. Gerade in der Debatte um die Flüchtlingspolitik wurde schnell klar, dass es in der Union weiter rumort.

 Angela Merkel erklärt ihre Flüchtlingspolitik.

Angela Merkel erklärt ihre Flüchtlingspolitik.

Foto: dpa, brx gfh

Verbale Breitseiten wie zuletzt musste Merkel dabei zwar nicht einstecken. Je länger die Fragestunde bei dem Treffen am Montagabend dauerte, desto mehr Unmut über die Flüchtlingspolitik musste sich die CDU-Vorsitzende aber anhören.

"Schaffen wir das?", wurde Merkel nicht nur einmal von Kritikern unter den rund 1800 Teilnehmer gefragt. Die Sorge vor einem Rechtsruck in Deutschland machte die Runde, ein CDU-Mitglied sprach sogar von Angst vor einem Bürgerkrieg. Konkrete Antworten von der Politik forderten die meisten Redner.

Nachdenklich, konzentriert und energisch ging Merkel auf die Kritik ein. Gerade weil Deutschland ein wirtschaftlich so starkes Land sei, müssten positive Signale gesendet werden. "Wir müssen einen langen Atem haben und Schritt für Schritt vorgehen", betonte die Kanzlerin und erinnerte an die Euro-Krise. "Ich verstehe das und ich will nichts verniedlichen", sagte Merkel zu den vielen Sorgen. Sie appellierte aber daran, nicht die Menschenwürde der vom Krieg gebeutelten Flüchtlinge zu vergessen.

In ihrer rund halbstündigen Rede hatte die CDU-Vorsitzende den Kompromiss mit der CSU zu Transitzonen verteidigt und die Verantwortung Deutschlands betont. Sie sei weiter davon überzeugt, dass Deutschland die Flüchtlingskrise bewältigen werde. Wichtig sei aber auch, dass Europa als Einheit auftrete. Langanhaltender Beifall belohnten die Rede.

Bei der Konferenz in Darmstadt mit den Landesverbände Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Baden-Württemberg sollte es eigentlich um die Programmreform der CDU vor dem Bundesparteitag Mitte Dezember gehen. Angesichts der sinkenden Umfragewerte für die Union und dem wachsenden Unmut an der Parteibasis wegen der Flüchtlingspolitik von Merkel konnte das Treffen in Südhessen keinen passenderen Zeitpunkt für ein Stimmungsbild in der Partei liefern:

"Wenn wir so weitermachen, gewinnen wir keine Wahl mehr"

"Wenn wir so weitermachen, gewinnen wir keine Wahl mehr", warnte ein CDU-Mitglied wegen des Unmuts an der CDU-Basis. In Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz stehen im März nächsten Jahres Landtagswahlen an.
In beiden Ländern ist die CDU in der Opposition und drängt wieder an die Macht. Mitte Dezember will die CDU auf ihrem Bundesparteitag in Karlsruhe über ihre Programmreform entscheiden. Die Stimmung an der Basis und die Flüchtlingsdebatte werden bei dem Treffen sicherlich nicht weniger Raum einnehmen wie bei der letzten der vier Zukunftskonferenzen der CDU in Darmstadt.

Bosbach fordert Ende des Streits

Derweil hat der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach ein Ende des Koalitionsstreits über die Flüchtlingspolitik gefordert. "Die Menschen wollen nicht wissen, worüber man in der Union und der Koalition streitet, sondern welche Maßnahmen der Bund ergreift, um die Probleme angesichts der anhaltend hohen irregulären Migration rasch zu lösen", sagte er der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

Auf die Frage, ob es nach der Einigung der Unionsspitzen auf ein gemeinsames Positionspapier zur Flüchtlingspolitik noch notwendig sei, dass die Unionsfraktion mit eigenen Anträgen die Begrenzung der Zuwanderung fordere und Vorschläge vorlege, sagte Bosbach: "Wir sollten jetzt erst mal abwarten, welche Ergebnisse am Donnerstag erzielt werden."

Unterdessen ist der CDU-Abgeordnete Christian von Stetten offenbar zufrieden mit dem von Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer vorgelegten Positionspapier zur Flüchtlingspolitik. "Alle weitergehenden Vorschläge zur Bewältigung der aktuellen Flüchtlingskrise können auf diesem Papier aufbauen", sagte der Vorsitzende des Parlamentskreises Mittelstand in der Unionsfraktion dem "Handelsblatt". Die Vorlage eines weiteren Diskussionspapiers oder eines Antrags in der Fraktionssitzung sei deshalb nicht mehr nötig. Von Stetten hatte Merkels Kurs in der Flüchtlingskrise wiederholt kritisiert und gedroht, eigene Anträge aus der Fraktion zu unterstützen.

Die Abgeordneten von CDU und CSU im Bundestag treffen sich am Nachmittag zu einer mit Spannung erwarteten Fraktionssitzung. Neben Merkel will auch Seehofer mit den Parlamentariern über die Flüchtlingspolitik diskutieren. Dabei dürfte es vor allem um die Frage gehen, wie die Zahl der Ankommenden verringert werden kann.

Beim Ringen um Lösungen in der Flüchtlingskrise gehen die Spitzentreffen für Merkel auch in den nächsten Tagen weiter: Am Dienstag muss sie in der Unionsfraktion ihren Kurs in der Flüchtlingspolitik verteidigen. Am Donnerstag will die Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten nach gemeinsamen Wegen suchen.

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(felt/dpa)
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