Cemile Giousouf Jung, Muslima, CDU

Berlin · Cemile Giousouf ist die Integrationsbeauftragte der Unionsfraktion. In der konservativen CDU fühlt sich die türkischstämmige Frau heimisch. Denn SPD und Grüne betrachteten Migranten eher als Opfer, sagt die Jungpolitikerin.

 Cemile Giousouf ist die Integrationsbeauftragte der Unionsfraktion.

Cemile Giousouf ist die Integrationsbeauftragte der Unionsfraktion.

Foto: dpa

Weiblich, Muslima, 37 Jahre alt - bei der Beschreibung würde man nicht vermuten, die Frau als CDU-Abgeordnete im Reichstagsgebäude anzutreffen. Cemile Giousouf ist eine Ausnahme: Sie ist die erste muslimische und die erste türkischstämmige Parlamentarierin für die CDU im Bundestag. Giousouf ist allerdings der Typ, der wenig Gewese um die eigene Person macht. Sie ist auf ihre freundlich-sachliche und vertrauenerweckende Art jemand, den man sich als Grundschullehrerin für die eigenen Kinder wünscht. "Ich bin kein besonderer Stern. Es gibt viele von mir, Gastarbeiterkinder, die einen akademischen Status erreicht haben", sagt sie.

Doch wenn sie von ihrem Werdegang erzählt, dann ist jeder Satz auch eine politische Botschaft. Das Wort "Gastarbeiter" setzt sie bewusst ein. Als ihre Eltern nach Deutschland kamen, wollten sie eigentlich nur zwei Jahre bleiben, Geld verdienen und dann wieder in die Heimat zurückkehren. Die liegt in Thrakien, im Nordosten Griechenlands, wo rund 120 000 türkischstämmige Muslime leben. Jeden Sommer fuhr die Familie in die Heimat. Auch das ist typisch für die Generation der Gastarbeiter, die in den 70er Jahren kam.

Dann sind die Eltern aber doch geblieben, haben als Fabrikarbeiter geschuftet - für ein besseres Leben der eigenen Kinder. Cemile durfte zum Klavierunterricht und zum Ballett, auch wenn die Mutter nach acht Stunden in der Fabrik manchmal in der Ballett-Umkleide fast eingeschlafen wäre. "Die Gastarbeiter-Generation meiner Eltern war auf ihre Art sehr fortschrittlich, weil sie die Zukunftsfähigkeit ihrer Kinder absichern wollte", sagt Giousouf. Den Satz, die Integration der Gastarbeiter sei in Deutschland nicht gelungen, hält sie schlicht für falsch. Aus ihrer Sicht stehen die Negativ-Beispiele nur zu sehr im Vordergrund.

Dass sie einmal zur Vorzeige-Migrantin werden würde, war keineswegs vorgezeichnet. Giousouf ging in Leverkusen zur Grundschule, kam in eine Förderklasse. Sogar als sie den Lesewettbewerb ihrer Schule gewann, blieb sie bei denen, die man für förderbedürftig hielt. Trotz guter Noten gab es keine Empfehlung fürs Gymnasium. Doch in diesem Punkt setzte sich die Mutter gegenüber der Lehrerin durch und entschied, dass ihre Tochter sehr wohl aufs Gymnasium gehen sollte. "Viele Lehrer denken auch heute noch so, dass sie aus falsch verstandener Fürsorge Kinder aus Nicht-Akademiker-Familien keine Empfehlung fürs Gymnasium geben sollten", kritisiert Giousouf.

Giousouf kämpft gegen Vorurteile

Nun sitzt die junge Frau im Bundestag im Bildungsausschuss und ist stellvertretendes Mitglied im Innenausschuss. Außerdem ist sie offizielle Integrationsbeauftragte der Unionsfraktion. Mit der Autorität der Ämter ausgestattet, kämpft Giousouf gegen Vorurteile. Mit Sorge sieht die gläubige Muslima wachsende Vorbehalte gegen den Islam: "In unserer Gesellschaft fehlt mir eine Tabu-Grenze für Islamfeindlichkeit." Immer mehr Muslime in Deutschland würden Opfer von Angriffen und Beschimpfungen, sie würden verantwortlich gemacht für den Extremismus in der Welt. "Eine solche Entwicklung ist brandgefährlich. Hier sind wir alle gefordert", meint sie.

Noch haben die Talkshows im Land die christdemokratische Muslima nicht für sich entdeckt. Dass sie ein prominentes Aushängeschild der CDU wird, dürfte aber nur eine Frage der Zeit sein. Ihre Positionen sind klar, sie formuliert präzise. Bequem ist Giousouf nicht. Sie vergleicht sich gerne mit den Solitären in der Fraktion wie dem umtriebigen Gesundheitsexperten Jens Spahn und dem wirtschaftsliberalen Carsten Linnemann. Und gegen die Linie von Fraktionschef Volker Kauder spricht sich Giousouf für ein Einwanderungsgesetz aus, das den Zuzug von Akademikern und Facharbeitern aus dem Ausland erleichtert. Sie sieht auch Regelungsbedarf, um Flüchtlinge mit Bleiberecht schnell in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

In der konservativen CDU fühlt sich Giousouf dennoch heimisch: "Der Glaube stellt für mich eine Verbindung zu den Wertkonservativen in der Partei her." Als Muslimin teile sie mit ihnen mehr Positionen als mit eher areligiösen Parteien wie den Sozialdemokraten und den Grünen. Überhaupt: SPD und Grüne würden Migranten "eher als Opfer" betrachten, meint Giousouf. Bei der CDU empfing man sie mit offenen Armen. Den nordrhein-westfälischen Landeschef Armin Laschet nennt sie ihren Mentor. Als sie ein Praktikum im Ministerium machte, sei er auf sie aufmerksam geworden. Später arbeitete sie als Referentin in seinem Integrationsministerium.

Über ihr Privatleben möchte Giousouf öffentlich nicht reden. Sie verrät aber, dass sie gerne viel Zeit mit ihrem dreijährigen Neffen verbringt. Und dann merkt sie positiv an, dass doch inzwischen viele Abgeordnete im Bundestag Mütter werden.

(qua)
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